Gott will das Leben

Bischof Wolfgang Huber auf RBB 88,8

In den regelmäßig auf RBB 88,8 ausgestrahlten „Wort des Bischofs“ sagt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland am kommenden Samstag, 1. Januar 2005:

Auch mir war bei dieser Jahreswende nach einem stillen Übergang in das neue Jahr zu Mute. Tag für Tag haben wir mit Trauer und wachsendem Erschrecken die Todesnachrichten aus Südasien in uns aufgenommen. Wir wurden Zeugen der größten Naturkatastrophe seit Menschengedenken. Seit dem zweiten Weihnachtstag zittern immer noch viele um ihre Angehörigen - und werden sich doch in den allermeisten Fällen eingestehen müssen, dass alles weitere Warten vergeblich sein wird. Das unvorstellbare Leid in Südasien bestimmt nicht nur die Gedanken und Gespräche. Es bestimmt in diesen Tagen vor allem unsere Gebete. Und es bestimmt hoffentlich auch das Handeln. Globales Denken zeigt sich heute in der Hilfe für die Menschen am Indischen Ozean.

Wir spüren in diesen Tagen, dass die „Sintflut“ nicht eine überholte Sage ist, sondern auf wirklicher Erfahrung beruht. Die Betroffenen werden erst allmählich wieder das Zutrauen zu der Zusage entwickeln, in der die Erfahrung der Sintflut schließlich überwunden wird: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Das Vertrauen in die bergende Kraft der Schöpfung wird nur langsam wieder wachsen.

Wie Gott das zulassen konnte, wird wieder gefragt. Gottes Allmacht kann man sich nicht so vorstellen, dass Gott alles Böse und Unbegreifliche im vorhinein  aus dem Lauf der Dinge herausschneidet. Gottes Allmacht zeigt sich in der Liebe, mit der er sich uns zuwendet, damit wir uns auch angesichts des Unbegreiflichen an ihr orientieren.

Die Gewalt der Natur hat uns in die Grenzen gewiesen. Immer wieder kann es geschehen, dass die Erdteile sich so gegeneinander verschieben, dass ein Beben auch das Meer zum Toben bringt. Trotz aller Kenntnisse der Natur und trotz aller Möglichkeiten, sie uns dienstbar zu machen, drängt uns diese Erfahrung wieder zu einer Haltung der Demut.

Wollte Gott den Tod so vieler Menschen? Auch so wird jetzt gefragt. Gott will das Leben. Er ist ein Freund des Lebens, nicht des Todes. Sein Sohn, dessen Geburt wir in diesen Weihnachtstagen gefeiert haben, nahm den Tod auf sich, damit kein Mensch mehr geopfert werden muss – auch nicht den Gewalten der Natur. Totale Sicherheit wird es nie geben. Aber mehr Sicherheit gegenüber Tsunamis kann und sollte gesucht werden. Viele Menschen, so scheint es, hätten sich in Sicherheit bringen können, wenn sie rechtzeitig gewarnt worden wären.

Mitleid und Achtsamkeit füreinander gehören zu den Folgen aus dem, was geschah. Die Sorgen, die uns im zurückliegenden Jahr beschäftigt haben und in das neue Jahr begleiten werden, treten neben die lebensbedrohende Not in anderen Erdteilen. Bleiben wir zur Hilfe für andere bereit. Denn in allem, was das Jahr 2005  bringen wird, wird Gott uns begleiten.

Hannover / Berlin, 01. Januar 2005

Für die Richtigkeit
Pressestelle der EKD
Christof Vetter