Predigt am Ostersonntag in St. Matthäus, München, Matthäus 28, 1-10

Johannes Friedrich

Liebe Gemeinde hier in St., Matthäus und daheim,

“CHRISTOS ANESTÄH, ALÄTHOS ANESTÄH” verstehen Sie das? “CHRISTOS ANESTÄH - Christ ist erstanden!“ – und die Antwort ist: „ALÄTHOS ANESTÄ – er ist wahrhaftig auferstanden”. Das ist der Gruß, mit dem wir uns zu Beginn des Gottesdienstes gegrüßt haben, nur auf griechisch. Mit diesem Gruß – das habe ich in Jerusalem bei unseren griechischen Brüdern gelernt – begrüßen die orthodoxen Griechen sich in der ganzen Osterzeit. Aber wer weiß das schon? Jedenfalls anscheinend nicht der damalige Kulturreferent der deutschen Botschaft in Athen, der vor vielen Jahren in der Woche nach Ostern auf einem diplomatischen Empfang auf den Athener Erzbischof traf. Der grüßte ihn – wie es dort Sitte ist – mit “CHRISTOS ANESTÄH” und der Kulturreferent antwortet: “Angenehm, Hofmann”.

Nun gut, es kann nicht jeder diesen griechischen Gruß kennen. Aber wer bei uns könnte etwas damit anfangen, wenn er mit “CHRIST IST ERSTANDEN!”, begrüßt würde? Für viele, vielleicht auch für manche heute Morgen unter uns, ist das Tradition, Geschichte. Und entweder meint man, an die Auferstehung zu glauben, ist für einen Christen notwendig oder vielleicht überflüssig, aber so oder so ist nach Meinung vieler solch ein Glaube eine Beleidigung unseres Verstandes. Denn wer kann so etwas heute noch glauben? Unseren Verstand wollen wir jedenfalls nicht beleidigen lassen.

Und weil das nach öffentlicher Meinung vielen Menschen so geht, sah sich das ZDF veranlasst, an diesem Osterwochenende eine Serie mit einem früheren Theologieprofessor ins Programm zu heben, bei dem dieser uns erzählt, was alles in der Bibel nicht wahr sei. Seit Jahren bestreitet er die Aussage „Christ ist erstanden“ vehement. Damit hat er gerade unter Intellektuellen einen guten Ruf als ein mutiger Mensch. Denn er behauptet “Das Grab war auch nach Ostern voll und nicht leer!” Die Kirche, die Pfarrer und Theologen würden die Menschen betrügen, indem sie etwas anderes erzählten, aber selbst daran gar nicht glaubten.

“Christ ist erstanden!” diese Urbotschaft unseres christlichen Glaubens – können wir wirklich nur gegen unseren Verstand an ihr festhalten?

“Christ ist erstanden!” ist die Beschreibung eines Rätsels. Des Rätsels, wie es sein kann, dass ein Mensch nicht im Tod bleibt, nicht im Grab bleibt, dass er nicht nur in der Erinnerung weiterlebt, sondern körperlich sichtbar Menschen begegnet.

Oder bedeutet “Er ist wahrhaftig auferstanden” dies alles gar nicht? Ein Rätsel – in der Tat – und Rätsel möchten wir gerne auflösen.

In der wissenschaftlichen theologischen Diskussion hat man versucht, einen Teil des Rätsels zu lösen, nämlich zu beweisen, dass das Grab leer gewesen sein muss. Wie überzeugend auch immer diese Versuche sein mögen: Kann das ein Beweis für die Auferstehung sein? Doch kaum. Da fällt einem doch als erstes ein, was schon die Zeitgenossen der Jünger vermuteten: Die hätten den Leichnam Jesu beiseite geschafft. Wer rund 2000 Jahre nach dem allerersten Ostermorgen das leere Grab beweisen will, der läuft in eine Sackgasse.

Doch Rätsel – so meinen wir – sind dazu da, sie zu lösen. Aber ist die Auferstehungsbotschaft tatsächlich ein Rätsel? Ich meine, die Auferstehung ist eher ein Geheimnis. Und ein Geheimnis möchte man hüten, es bewahren, sich immer wieder damit beschäftigen, weil man staunend immer tiefer in es eindringen kann und es eben geheimnisvoll auch für das eigene Leben fruchtbar wird und tragfähig.

Wenn ich weiß, dass ein Geheimnis ein Geheimnis bleiben muss, dann brauche ich nicht meinen Verstand abzuschalten, wenn ich von Auferstehung rede. Dann ist alles Reden von der Auferstehung keine Beleidigung meines Verstandes.

Denn warum sollte es Gott nicht möglich sein, Jesus aus dem Grab zu holen, den Leichnam dort nicht verwesen zu lassen? Wir glauben an Gott und wenn wir ihn beschreiben sollen, dann fällt uns staunend ein, dass er allmächtig ist – warum sollte es ihm ausgerechnet nicht möglich sein, seinen Sohn von den Toten aufzuerwecken? – Aber ist das wirklich wichtig? Ist es nicht viel wichtiger zu fragen, was dieses Handeln Gottes für uns, für mich heute bedeutet?

Auferstehung bedeutet für mich: Gott will das Leben, er will, dass der Tod nicht das letzte Wort behält; er will, dass sein Sohn Jesus nicht im Tod bleibt; er will, dass der Tod auch über uns nicht das letzte Wort behält. Gott will Leben, er will mein Leben, er will unser Leben. Gott und Auferstehung sind deshalb nichts, was erschreckt.

Bei Markus, dem ersten Evangelisten, wird nur davon berichtet, dass die Frauen den Engel im leeren Grab sehen und sich entsetzen. Die frohe Botschaft von Jesu Auferweckung wird ihnen mit den Worten angekündigt: Fürchtet euch nicht. Ein paar Jahre später, bei Matthäus, wird diese Auferstehung allerdings sehr drastisch geschildert: mit Erdbeben, Blitz und Donner. Die erzählerische Freude hat sich der Christen bemächtigt. Er erzählt, dass ein Engel mit Erdbeben, Blitz und Donner kam, den Stein vom Grab weggewälzt und die römischen Wachen – nicht mehr die Frauen! – in Angst und Schrecken versetzt hat.

Das hören wir gerne. Unsere menschliche Auffassungskraft möchte sofort tiefer in das Geheimnis eindringen, möchte es gleich ganz genau wissen, wie man sich etwas konkret auszumalen hat, obwohl das doch nicht wichtig ist für das, was der Engel zu sagen hat.

Und er sagt den Frauen, die wehrlos vor ihm stehen: “Fürchtet euch nicht!” Erschrecken müssen über diesen Engel und seine Botschaft nur die, die Gewalt anwenden: die römischen Wachen.

Denn die Botschaft, die er ausrichtet, ist ja gerade die: Gottes Liebe hat die Gewalt besiegt, die Gewalt der römischen Soldaten. Für die Frauen dagegen ist die Botschaft klar: Auferstehung bedeutet Freude, Lust auf Leben, Lachen, nicht Angst, nicht Furcht.

Für mich ist heute noch wichtig, dass es damals nach dem Bericht aller Evangelien ausschließlich Frauen waren, die den Auftrag erhalten haben, die frohe Botschaft weiterzugeben. Die männlichen Wachen erschraken und stellten sich tot. Die Frauen erschraken auch, aber sie waren dennoch aufnahmefähig für das Evangelium.

Vielleicht spüren Frauen oft leichter und schneller, wer es ist, mit dem sie reden, erspüren die Tiefe und Bedeutung einer Begegnung rascher. Sie waren es, die den Tod und den Toten ernst nahmen und deshalb zum Grab gingen. Ihre Überwindung der Furcht durch die Freude, ihre Hinwendung vom Tod zum Leben macht es erst möglich, von der österlichen Befreiung zu reden und daraus zu leben.

Mit großer Freude machen sich die Frauen also auf den Weg. Angst und Furcht sind ab sofort nicht mehr mit diesem Evangelium, dieser frohen Botschaft, zu vereinbaren.

Deshalb gehört das Osterlachen, die Osterfreude und gehören Witze auch zu Ostern und zu einer Osterpredigt dazu. Und deshalb hat der fundamentalistische Prediger in den amerikanischen Südstaaten nichts vom Evangelium verstanden, von dem erzählt wird:

Er hält seine Gemeinde in Angst und Schrecken. Er predigt vom jüngsten Gericht, darüber wie dort Heulen und Zähneklappern sein wird. Alle, die versammelt sind, werden mit den Zähnen klappern, er kann gar nicht genug bekommen im Ausmalen dieser Situation, des Heulens und Zähneklapperns.

Bis es einem jungen Burschen zu dumm wird. Er schreit dazwischen: Und was ist mit denen, die ihre dritten Zähne nicht mehr dabei haben? Der Prediger lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. „Keine Angst, lieber Bruder, es wird dafür gesorgt sein, dass die Zähne rechtzeitig vorher verteilt werden.“

Nein, nach der Auferweckung Jesu vom Tod gibt es keinen wirklichen Grund mehr zur Furcht. “Fürchtet euch nicht!” das ist die eigentliche Botschaft von Ostern, ist der eigentliche Grund für unsere Freude und unser Lachen.

An die Auferstehung zu glauben, liebe Gemeinde,  bedeutet aber nicht nur, einem Geheimnis nachzuspüren, es bedeutet nicht nur, in große Freude versetzt zu werden, es bedeutet vor allem auch, einen Auftrag zu erhalten: die Verkündigung des Evangeliums. Und die Frauen gingen eilends weg vom Grab ...und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.

Unsere Aufgabe ist es also, die frohe Botschaft weiterzugeben, vielleicht noch missionarisch-fröhlicher als vor einigen Jahren. Vielleicht nicht wie die Frauen damals, zu Fuß nach Galiläa, um das Evangelium den Brüdern zu verkündigen. Da würde uns sicherlich schnell jemand überholen und vielleicht anderes verkündigen. In der heutigen Welt der Medien und Kommunikationsmittel ist es für uns Christen vielmehr wichtig, Methoden und Medien zu finden, die konkurrenzfähig mit anderen sind - und nicht nur Methoden und Medien, sondern auch Argumente, die konkurrenzfähig sind.

Wir müssen ganz präsent in unserer heutigen Zeit leben, wenn wir den Auftrag erfüllen wollen, den die Auferstehung Jesu mit sich bringt, nämlich das Evangelium den Menschen nahe zu bringen. Wir müssen jeden Wettbewerbsvorteil ausnützen, die Methoden unserer Zeit nutzen, Konkurrenz nicht scheuen, die Denkweise unserer Zeit berücksichtigen, deutlich sehen, dass viele Menschen nicht bereit sind, gegen ihren Verstand zu glauben. Ihnen müssen wir deutlich sagen: Die Rede von der Auferstehung Jesu ist nichts, was vom Verstand her unmöglich wäre.

Aber wir müssen auch den Einwand ernst nehmen: Wie könnt ihr Christen Ostern feiern, Auferstehung vom Tod, Sieg des Lebens, wenn in diesen Tagen hundertfach der Tod von Menschenhand gesteuert seine Opfer holt: bei der Flutkatastrophe, im Irak, im Sudan, in vielen Ländern Afrikas durch die AIDS-Epidemie.

Liebe Gemeinde, die Auferweckung Jesu vom Tod ist das deutlichste Zeichen, dass Gott den Tod nicht will, keinen Tod und schon gar nicht den, für den wir Menschen verantwortlich sind.

Der Auftrag, die Botschaft von der Auferstehung weiterzutragen, bedeutet: Wir müssen Leben schützen, Leben retten im Sudan, in Afrika und wo immer wir Leben retten können. Der Auftrag, die Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod weiter zu tragen, bedeutet auch, dass wir außerordentlich kritisch sein müssen, wo immer Rechtfertigungen dafür gegeben werden, dass Gewalt angewendet wird.

Liebe Gemeinde, wir sehen:

Das Geheimnis ist groß.
Der Auftrag ist eindeutig.
Unsere Freude ist groß.
Unsere Aufgabe einzigartig.

Bitten wir Gott, dass er uns auch heute immer wieder solche Lebenszeichen Jesu erblicken lässt, damit wir um so getroster und fröhlicher in Wort und Tat weitersagen: Jesus lebt, der Tod hat keine Macht mehr. Darum lasst uns ans Werk gehen und dies allen anderen auch zeigen: Gott ist auf der Seite des Lebens und nicht des Todes, nicht des Leidens, deshalb sind auch wir Christen auf der Seite des Lebens und gegen den Tod, gegen das Töten. Ich denke da vor allem an die letzte Lebensphase, wenn Menschen nicht mehr können, nichts mehr leisten, aber leben. Vor allem da wird es darauf ankommen, dem Sterben seine Zeit zu lassen und nicht aktiv für das Töten einzutreten. Gott ist ein Gott der Lebenden. Dafür stehen wir als Christen.

Deshalb können wir unserem Auftrag nachkommen, gegen das Leid und gegen den Tod zu kämpfen, überall in der Welt, wo der Tod am Werk ist – und können dies fröhlich tun, weil Christus das letzte Wort hat. Gott sei Dank. Amen.