"Glaube darf sich nicht nach herrschender Meinung richten"

Kock in seiner Palmsonntagpredigt im Berliner Dom

"Unser Glaube darf sein Fähnlein nicht nach dem Wind der herrschenden Meinung drehen," so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, in seiner Predigt zum Palmsonntag am 13. April im Berliner Dom. Nach christlichem Verständnis lasse sich die Welt nicht in eine gute und eine böse Hälfte einteilen. So dürfe die Welt nicht mit Waffen von etwas Neuem und angeblich Besserem überzeugt werden. Auch wenn in den Wirren der Zeit die Menschen sich nach klaren Herrschaftsverhältnissen sehnten, überlasse Christus nicht den Gewalttätigen das Feld, sondern kniee bei denen, die am Boden liege. Ein Miteinander gelinge nur mit Rücksicht auf den anderen.

Mit einem der ältesten Lobgesänge der Christen für Jesus und Gott habe Paulus im Philipperbrief eine Gesinnung angemahnt, die sensibel gegenüber den Empfindungen, Gefühlen und Verletzungen anderer ist. Mit einer selbstlosen Haltung gelinge auch das Miteinander in der Gegenwart.

Lobgesänge würden Menschen aber auch zur Verehrung der Macht verleiten, so der Ratsvorsitzende. "Immer wieder sehnen sich viele danach, eine Macht zu haben, die in den Wirren der Zeit endlich klärt, wo es lang geht. Klare Herrschaftsverhältnisse möchten die Menschen." Nach den Attentaten vom 11. September 2001 herrsche in den USA große Angst und die Menschen sehnten sich nach einer Regierung, die etwas Starkes tue, um den Leuten diese Angst zu nehmen. Das erkläre die große Zustimmung zum Krieg gegen Saddam Hussein. "Für solche Einteilung der Welt in eine gute und eine böse Hälfte und für solche Erweisung der Macht aber eignet sich dieser Christushymnus nicht," so Kock.

Jesu Gehorsam unterscheide sich fundamental von dem Gehorsam, den Menschen einfordern, um sich andere zu unterwerfen. Denn Jesu Gehorsam lasse nicht dem Starken das Feld: "Der gehorsame Christus geht nicht vor den Mächtigen in die Knie, sondern kniet nieder neben denen, die am Boden liegen." Echte Märtyrer bedienten sich im Gegensatz zu Terroristen, die sich als solche bezeichneten, gerade nicht der Waffen, um die Welt von etwas Neuem zu überzeugen. Sie seien vielmehr bereit, lieber zu sterben, als diese Überzeugung aufzugeben.

An diesem Christus, so Kock, sollte sich christliches Leben und Handeln ausrichten. "Passt euch nicht ein in das Schema dieser Welt, die macht, was machbar ist", appelliert Kock. Hundertausende von Kindern würden täglich sterben. Anstatt wissenschaftliches Können und menschliche Zuwendung für leidende und sterbende Kinder einzusetzen, "heizen eitle Selbstdarsteller den Wettbewerb um das Superwunschkind an". Zu den zahllosen Negativ-Beispielen dieser Welt gehörten auch all die "Lügen der Diplomaten und Geheimdienste, die uns weismachen, zum Krieg im Irak hätte es keine Alternativen gegeben; wenn auch ein frommer Präsident mit seinen Gebeten der Welt das weiszumachen sucht."

Hannover, 11. April 2003

Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

Wortlaut der Predigt