Kirchentag 2011: Partnerschaften mit Gemeinden aus Afrika und Asien: "Partnerschaft zwischen Süd und Nord"

Fidon Mwombeki, Generalsekretär Vereinte Ev. Mission, Wuppertal

Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, Ihnen meine Beobachtungen zum Thema Partnerschaft zwischen Süd und Nord zu erläutern. In der VEM sehen wir uns selbst als große Partnerschaft zwischen Christen aus Deutschland, Afrika und Asien. Zur gleichen Zeit betrachten wir die Partnerschaften zwischen Kirchenkreisen, Institutionen und Kirchen als eine konkrete Manifestation dessen, was wir selbst sind. Deshalb unterstützen wir die Partnerschaftsarbeit auf vielfältige Art und Weise. Auf der Grundlage unserer Erfahrungen möchte ich Ihnen hier folgende Thesen vorstellen.

  1. Das Konzept "Partnerschaft" lässt sich nicht so einfach in die verschiedenen Kulturen übersetzen. Es trägt unterschiedliche Konnotationen. In vielen afrikanischen und asiatischen Kirchen wird Partnerschaft nur mit "Freundschaft" oder sogar mit "Verwandtschaft" übersetzt. In Deutschland wird das Konzept zwar verstanden, aber mit Konnotationen wie Vereinbarung und Vertrag, d. h. mit Begriffen aus dem Geschäftsleben belegt.
  2. Die Kirchen der VEM haben Partnerschaftsrichtlinien entwickelt, sie veranstalten verschiedene Seminare und Konsultationen mit dem Ziel, Unterschiede zu reduzieren, um so ihre Partnerschaft zu verbessern und zu pflegen.
  3. Dennoch - trotz der vielen Versuche, die wir unternommen haben, ist es schwierig, die alten Verständnisse und Erwartungen zu überwinden. Der Norden möchte dem Süden wirklich dabei helfen, spezifische, materielle Probleme oder Schwierigkeiten im Leben der Menschen zu lösen. Man erwartet, an Projekten zu arbeiten, die klar definierbar und lösbar sind. Auf diese Weise sind Finanzfragen -trotz aller Beteuerungen, dass Geld nicht im Zentrum der Partnerschaft stehen sollte - mindestens zu einem der Kernthemen von Partnerschaften geworden.
  4. Zum Beispiel der Brief, mit dem ich gebeten wurde, diesen Input hier vorzubereiten: Hier offenbart die Formulierung der Fragen ein bestimmtes Rollenverständnis. Wir aus dem Süden werden gefragt: "Was ist aus der Sicht des Südens von Partnerschaften mit dem Norden zu erwarten?" Die Menschen aus dem Norden werden gefragt: „Was wollen, was können wir in kirchlichen Partnerschaft leisten?" Der Norden ist also der „Macher" und der Süden der „Empfänger."
  5. Der Süden weiß das. Der Norden befindet sich in einer besseren wirtschaftlichen Lage und ist bereit, zu helfen. Ihre Hilfe ist materiell und dient der Lösung ernsthafter Probleme, die jeder bezeugen kann. Der Unterschied zwischen den Kirchenkreisen im Süden mit und ohne Partnerschaft mit dem Norden ist für jeden klar erkennbar. Deshalb erwartet der Süden die finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung als zumindest einen Teil der Gleichung.
  6. Trotzdem, der Süden hat auch den Norden nach seinen Bedürfnissen gefragt und danach, wie er dem Norden helfen kann. Es war nicht einfach für den Norden zu formulieren, was genau er vom Süden erwartet. Dies ist der eigentliche Grund für das Gefühl und die Äußerung, dass der Süden nur immaterielle Dinge wie "Spiritualität" oder "Mission" anbieten kann, die man niemandem gegenüber deutlich zeigen oder darlegen kann.
  7. Spiritualität - ist es das, was der Norden vom Süden wirklich will? Ist das etwas, was man dem anderen messbar geben kann? Hat der Norden nicht seine eigene Spiritualität? Teilt er seine Spiritualität nicht mit dem Süden? Der Süden ist bereit, sich selbst und das, was er hat, in die Partnerschaft einzubringen. Spiritualität und Mission werden gegenseitig geteilt.
  8. Die fassbarste Art und Weise, seine christliche Spiritualität auszudrücken, erfolgt durch Gottesdienste und Gebete (in Kirchen, zu Hause, in Kleingruppen). Es stimmt, dass der Süden dem Norden hier eine große Erweckung wünscht. Die Säkularisierung, die der Norden als Teil seiner Kultur begreift, scheint nicht überall auf der Welt zu funktionieren. Stattdessen breitet sich religiöser Eifer und sogar Extremismus in der gesamten Welt aus. Nur noch Europa hält an der unglücklichen Position fest, dass spirituelle Dinge Privatsache sind. Andere wollen ihren Glauben und ihre Spiritualität mit ihren Mitmenschen teilen. Ich habe einige Versuche in Deutschland gesehen, mit denen man die spirituelle Erweckung initiieren möchte, z. B. das EKD-Programm Glaubenskurs, die Kampagne der EKiR und VEM mit dem Titel „BetenOS" usw. In dieser Hinsicht kann Partnerschaft dazu beitragen, Erfahrungen auszutauschen. Aber spirituelle Erweckung ist letztlich Gottes Werk.
  9. Trotzdem will der Süden eine Partnerschaft mit dem Norden, die über Finanzen und Projekte hinaus geht. Wir sehen eine wachsende Zahl von Partnerschaftsgruppen, die ökonomisch unabhängiger werden und die nicht wollen, dass ihre deutschen Partner die Reisekosten ihres Deutschland-Besuchs bezahlen. Einige Gemeinden in Kenia schicken sogar materielle Hilfe an Bedürftige in Berlin. In solchen Fällen weiß der Norden oft nicht, wie er darauf reagieren soll, denn die traditionellen Rollen werden vertauscht, der Norden verliert seine traditionelle Rolle als finanzieller Förderer.
  10. In dem drei Kontinente umfassenden Partnerschafts-Setting der VEM beobachten wir ein wachsendes Interesse an Partnerschaften innerhalb Asiens und innerhalb Afrikas, aber auch zwischen Afrika und Asien. Diese Partnerschaften basieren überhaupt nicht auf Projekten und Finanzen. Sie sind spirituelle Freundschaften. Afrikaner und Asiaten haben normalerweise eine Vielzahl an Freunden und gehen mit ihnen generös um. Dies wird durch eine wachsende Anzahl an Besuchen sichtbar. Die Leute besuchen ihre Freunde gerne und tauschen sich über Alltagsdinge aus. Besuche zwischen Partnern aus dem Ostkongo und aus Tansania mit Kiswahili als verbindendes Sprachelement oder Besuche zwischen Hongkong und Dar es Salaam zeigen, dass die Menschen zusammen kommen wollen, als Partner, als Brüder und Schwestern in Jesus Christus, um sich auszutauschen und um am Leben des anderen teilzuhaben. Auf diese Weise bereichern sie sich gegenseitig.
  11. Diese Art von Partnerschaft kennt keinen Vertrag. Es gibt kein Ablaufdatum für Partnerschaft. Sie wächst, gedeiht - und vergeht vielleicht - wie das Leben selbst. Aus diesem Grund ist es für die Partner aus dem Süden bis heute schwer nachzuvollziehen, warum eine Partnerschaft eine Unterschrift auf einem Vertragspapier erfordert - was für den Norden sehr wichtig ist. Selbst wenn der Partner aus dem Süden diese Papiere nach langen Debatten und Verzögerungen unterzeichnet - gelesen oder ernst genommen werden sie von ihm nicht. Wie sollte man eine Freundschaft oder "Verwandtschaft" auf Papier besiegeln?