Kirche mit Hoffnung

3. Der Grund: Kirche ist Mission

3.1 Der unaufgebbare Auftrag

3.1.1. Kirche ist ohne Mission nicht zu denken. Sie würde sonst ihren Auftrag verfehlen, der ihren Dienst begründet. Für Menschen, die in und mit ihrer Gemeinde leben und arbeiten wollen, ist das keine neue Erkenntnis. Sie müssen jedoch auch die Vergeblichkeitserfahrungen missionarischen Einsatzes bewältigen. Das Evangelium ist oft gar nicht gefragt. Das Zeugnis bleibt ohne Resonanz. Auf solche Resonanz aber ist die Kirche angewiesen, nicht nur der Adressaten wegen, denen die Verkündigung gilt, sondern auch um ihrer selbst willen, für ihre eigene Existenz. Erfolglos für die eigene Sache zu werben, ist auf Dauer belastend und demotivierend. Es verleitet dazu, sich auf die Bestandspflege zu beschränken.

Erschwerend kommt hinzu, daß es unter uns kein einheitliches Verständnis gibt, was Mission bedeutet, wie sie sich zur Bekehrung verhält und zur Kirchenmitgliedschaft, welche Rolle die persönliche Glaubwürdigkeit, der eigene Lebensstil, die Frömmigkeit und die Weltverantwortung dabei spielen. Umstritten ist, ob "Mission" heute überhaupt noch ein zutreffender und zumutbarer Begriff für den Auftrag der Kirche ist. Entsprechend verschieden sind auch die Vorstellungen vom Konzept eines missionarischen Gemeindeaufbaus, soweit ihm überhaupt Bedeutung beigemessen wird.

3.1.2. Trotz dieser Unterschiede besteht weitgehende Übereinstimmung darin, daß es mit der Bestandspflege nicht getan ist. So notwendig sie ist, damit allein wird die Kirche ihrer Aufgabe nicht gerecht. Sie lebt nicht nur für ihre Mitglieder. Sie kann darum auch nicht auf Abgrenzung und Rückzug aus der Gesellschaft bedacht sein. Im Gegenteil, ihr muß an Öffnung und Zuwendung gelegen sein. Wie will die Kirche sonst auf Außenstehende zugehen und sie für die ihr aufgetragene Botschaft gewinnen?. Sie tut damit weder Zusätzliches noch Außerordentliches, sondern das Wesentliche: Sie erfüllt eine der Grundfunktionen der Kirche Jesu Christi.

Diese besteht darin, daß die Kirche und ihre Gemeinden durch das sie begründende und von ihnen verkündigte Evangelium teilhaben an der missio (Sendung) Christi. Jesus Christus ist in der Weise Herr, daß er den Menschen in Liebe begegnet und für ihre Erlösung von Sünde und Gottvergesssenheit ans Kreuz gegangen ist. Wer diese Botschaft als tragenden Grund seines Lebens erfahren hat, kann nicht anders, als davon Zeugnis zu geben, für diesen Herrn zu werben und andere einzuladen, sich ebenso auf ihn einzulassen. Das Entscheidende ist dann immer noch von Gott selbst zu tun, damit die Einladung angenommen und das Zeugnis überzeugend wird. Darum bleiben wir angewiesen auf "den Erweis des Geistes und der Kraft" (1. Korinther 2,4). Von Gott aber wissen wir: er "will, daß allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1. Timotheus 2,4).

3.1.3. Was wir den Menschen eigentlich vermitteln wollen, um ihnen die Botschaft des Evangeliums nahezubringen, darüber wird in den Gemeinden und unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jedoch offenbar wenig gesprochen. Muß es deshalb nicht erörtert werden, weil es sich von selbst versteht? Ist das aber wirklich so klar, wie es den Anschein erweckt?

Was Menschen bewegt, darüber reden sie. Sie reden auch über Gott, wenn sie dazu Anlaß haben. Christen sprechen von ihm, weil für sie ohne Gott das Leben nicht zu denken ist. Wo er zur Sprache kommt, "liegt der eigentliche Grund dafür aber in ihm selbst. Er will sich den Menschen mitteilen. Christen gibt es, weil es Gott in Jesus Christus gibt. Wenn sie von sich und ihrem Glauben sprechen, ist das nur insofern wichtig, als dabei von ihm die Rede ist und von seinem Reich, seiner Herrschaft. Die Botschaft von Gottes Reich gilt allen Menschen - in allen Völkern, zu allen Zeiten, an jedem Ort.

In immer neuen Verheißungen und Bildern wird in der Bibel bezeugt, daß Menschen die Erfüllung ihres Lebens erfahren, wenn bei ihnen Gottes Liebe und sein Wille sich erfüllen. Sie haben also das Entscheidende noch vor sich. Die Botschaft vom Reich Gottes eröffnet Zukunft, und das bestimmt die Gegenwart. Heute schon im Licht von morgen leben - das ist das Angebot des Evangeliums." (4)

3.1.4. Menschen können Gott begegnen, indem andere von ihm reden. Dafür zu sorgen, daß dies geschieht, ist die unaufgebbare Aufgabe der Kirche. Sie ist dazu da, daß Menschen glauben können. Deshalb hat sie auch öffentlich die Gottesfrage wachzuhalten. Dies kann die Kirche sich nicht abnehmen lassen, und dieser Aufgabe wegen ist sie unverzichtbar. Sie ist deshalb missionarische Kirche. Dazu gehört freilich auch, Christen zu ermutigen, über ihren Glauben Auskunft zu geben, sie sprachfähig und gesprächsbereit zu machen. Wie ungewohnt dies ist und wie dringend nötig zugleich, zeigt sich an der nach wie vor verbreiteten Unsicherheit in den Gemeinden. Sie macht verlegen bis zur Sprachlosigkeit, wenn es um elementare Fragen des Glaubens geht. Wenn Christen jedoch ihrer Sache nicht gewiß und von ihrer Aufgabe nicht überzeugt sind, wie soll sich dann die Überzeugungskraft des Glaubens erweisen?

Ob für andere einsichtig und nachvollziehbar ist, was Christen ihr Glaube bedeutet und warum Kirche ihnen wichtig ist, hat deshalb auch mit Ausstrahlung und Anziehungskraft zu tun. Die Kirche und ihre Gemeinden werden attraktiv durch ihre Botschaft, aber nicht durch ständiges Anpassungsverhalten. Mit Martin Luther "dem Volk aufs Maul zu schauen", bedeutet nicht, ihm nach dem Munde zu reden. Eine Kirche, die ständig damit beschäftigt ist, sich der jeweiligen Marktlage anzupassen, würde zur Beliebigkeitskirche verkommen.

Glaubwürdig wird die Kirche, wenn sie deutlich macht, daß sie Mittler, aber nicht Macher dieser Botschaft ist. Die Christen sind oft wenige, aber sie können viel, wenn Gottes Geist unter ihnen wirksam ist. Profil gewinnt die Kirche durch sie, in ihren Gemeinden, indem sie mit ihnen offen ist für die Mitmenschen, aber ohne Opportunismus und ohne Taktieren zu ihrer Sache steht. Was wie ein riskanter Spagat erscheint, gehört zu ihrer Identität.

3.2. Auf der Suche nach Sinn - Konfessionslose und Distanzierte

3.2.1. Kirchliche Arbeit geschieht heute weithin unter den Augen einer nicht-kirchlichen Öffentlichkeit. Christen leben weniger denn je nur unter ihresgleichen. Sie treffen auf Menschen, die christlichem Glauben distanziert, gleichgültig, ablehnend oder verständnislos gegenüberstehen. Daß auch sie ihre eigenen religiösen Interessen und Bedürfnisse haben, ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn sie selber nicht dazu stehen mögen. Diese Bedürfnisse liegen nicht einfach offen zu Tage. Doch sie werden erkennbar in der Suche nach Lebensorientierung, nach Sinnstiftung, nach ganzheitlichem Leben, nach Gemeinschaft.

Christen tun sich oft schwer, auf solche Wünsche einzugehen. Statt sie zu verdächtigen, wären sie aufzunehmen und einzubeziehen in Kommunikation und Dialog. Die biblische Botschaft ist gewiß nicht davon abhängig, ob sie religiöse Bedürfnisse und Erwartungen vorfindet. Sie kann auch ohne solche "Anknüpfungspunkte" zur Sprache kommen. Christen müssen jedoch darauf eingestellt sein, daß ihnen andere Lebenserfahrungen und andere Lebensentwürfe begegnen. Sie werden sich darin einüben müssen, Zugänge zu finden, gleichsam vom anderen Ufer den Brückenschlag zu versuchen. Indem sie die religiösen Fragen und Sehnsüchte anderer Menschen ernst nehmen, können sie dem Evangelium den Weg bahnen. Sie können deutlich machen, was ihnen an ihrem Glauben wichtig ist, inwiefern er anders und doch zugleich zutiefst menschlich ist.

3.2.2. Die Gemeinden werden damit ermutigt, sich mehr als bisher gerade den Menschen zu öffnen, die nicht dazu gehören. Im Osten Deutschlands sind das inzwischen nicht nur die, die die Kirche verlassen haben. Es sind vor allem die, die Zeit ihres Lebens nie dazugehört haben. Als Konfessionslose haben sie die Kirche vermutlich kaum vermißt. Wahrscheinlich haben sie jedoch auch nie zu spüren bekommen, daß die Kirche sie vermißt und daß ihr etwas fehlt, wenn sie keinen Zugang zu den Konfessionslosen findet.

So sind sie geworden, was sie eigentlich gar nicht sein können: "ent-kirchlicht" und "ent-christlicht". Dies ist der kirchliche Sprachgebrauch, der jedoch offensichtlich gar nicht beachtet, daß jemand das positive Gegenteil überhaupt nicht kennen kann, wenn er als Folge des Traditionsabbruchs inzwischen schon in der dritten Generation keine Gelegenheit mehr hat zu erfahren, was Christentum und Kirche überhaupt sind.

3.2.3. Die eigentlich Unbekannten in der Kirche sind die sogenannten Distanzierten. Im Osten wie im Westen Deutschlands bilden sie die Mehrheit der Mitglieder, und doch ist von ihnen wenig bekannt. Sie sprechen kaum über ihre Distanz; dabei spricht diese doch ihre eigene Sprache. Sie gehören der Kirche an und nehmen sie doch wenig in Anspruch. "Sie lassen sich nicht reinziehen in die konkrete Kirche, aber sie gehen auch nicht raus.

. . . Sie sind die Mehrheit. Aber . . . sie haben keine Stimme in der Kirche. . . . Wenn die Kirche von sich spricht, hat sie diese Mehrheit nicht im Blick." (5)

Dabei hätte sie es dringend nötig, auf die vielen Schweigenden in ihrer Mitte zu achten. Mit ihrer distanzierten Mitgliedschaft bringen sie zum Ausdruck, daß sie die Kirche bejahen. Sonst wären sie längst nicht mehr dabei. Aber sie wollen sie nicht, wie sie ist. Die in den Gemeinden ihnen begegnende Kirche bejahen sie offenbar nicht. Ihre Botschaft aber heißt vermutlich auch: "Wir nehmen zwar Eure Angebote nicht in Anspruch, aber wir erwarten von Euch, daß Ihr Kirche so gut wie möglich lebt. Ihr macht das auch für uns. Deshalb lassen wir uns von Euch nicht abkoppeln." (6)

3.2.4. Werden wir die missionarische Herausforderung erkennen, die in der großen Zahl der Distanzierten und in der verbreiteten Konfessionslosigkeit liegt? Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die Christen müßten sich sonst nachsagen lassen, daß sie ihrem Gott nichts mehr zutrauen und ihrem Auftrag selber keine Chance mehr geben. Zeugnis und Dienst der Gemeinden als ein missionarisch ausgerichtetes Konzept zu verstehen, bedeutet jedoch keine Rückkehr zu vergangenen staatskirchlichen Verhältnissen. Es hat also nichts mit Rechristianisierung im Sinne eines erneuten Versuches zur Klerikalisierung gesellschaftlicher Strukturen zu tun. Auch diesem Mißverständnis muß gewehrt werden.

Mission ist freilich auch verflochten mit der schuldbeladenen Geschichte der Kirche. Das darf nicht verschwiegen werden. Menschen sind durch Zwang, unter Verlust ihrer ethnischen Identität oder im Bündnis mit politischer Gewalt zum Christentum genötigt worden. Diese Schuld entbindet die Kirche jedoch nicht von ihrem Auftrag. Sie kann sich ihm allerdings nur stellen im Wissen um diese Last und im Vertrauen auf die Vergebung, aus der gerade angesichts des Versagens die Freiheit zu Zeugnis und Dienst erwächst.

3.2.5. Die Kirche ist auf ihrem Weg durch die Zeit eine Gemeinschaft von Lernenden, auch mit Außenstehenden. Sie rechnet auch mit denen "am Rande" (den Distanzierten) und mit denen "draußen" (den Konfessionslosen). Auch Gott läßt sich nicht nur innerhalb der Kirche finden. Es gilt, die Chancen "draußen" und die Barrieren "drinnen" zu entdecken. Das erfordert Achtsamkeit, Lernbereitschaft und die Fähigkeit zur Kommunikation. Glauben ist ein kommunikatives Geschehen. Nur wenn das erfahrbar wird, läßt sich auch Glauben vermitteln.

Eine offene, einladende und gewinnende Kirche wird darum gebraucht. Gewinnend auch in dem Sinne, daß Menschen sich neu zu ihr hingezogen fühlen, sie interessant und attraktiv finden und dazugehören möchten. Zu einer missionarischen Kirche gehört auch, daß sie neue Mitglieder gewinnen will. Mitgliederwerbung und Bestandssicherung der Kirche sind gewiß nicht dasselbe wie das Zeugnis des Evangeliums. Damit hier keine Verwechselung geschieht, bedarf es deutlicher Unterscheidung, ohne die sachgemäße Verbindung zu leugnen. Wenn die Kirche ihrem missionarischen Auftrag gerecht werden will, muß sie jedenfalls auch auf sich selber achten.

Nach dem Neuen Testament ist die Teilhabe am Leib Christi nicht gleichzusetzen mit der Mitgliedschaft in einer bestimmten kirchlichen Organisation. Christus kann zu den Seinen auch solche zählen, die keiner Kirche beigetreten sind (Matthäus 25, 31 ff; Johannes 10,16). In der Gemeinde müssen deshalb auch die Ungetauften willkommen sein ebenso wie die, die nur Kirche bei Gelegenheit suchen. Sie kommen, ohne sich zu binden, weil sie nicht wissen, wie lange sie bleiben wollen. Auch sie haben ein Recht, dabei zu sein, ernst genommen zu werden und auch mitarbeiten zu können.

3.3. Offene und gewinnende Kirche werden: vorrangige Aufgaben

3.3.1. Missionarische Arbeit hat es schwerer, wo sie infolge des Minorisierungsprozesses an christliche Überlieferung, an kirchliche Tradition oder an religiöse Biografien nicht mehr anknüpfen kann, ihr aber gleichwohl an einer offenen und einladenden Kirche liegt. Darum sehen wir folgende Aufgaben als vorrangig an:

Es besteht ein enormer Bedarf an einer neu zu gestaltenden "Sprachlehre des Glaubens", die zu ungezwungener, dialogisch angelegter Kommunikation ermutigt und dazu hilft, das Evangelium den Menschen von heute in einer Sprache nahezubringen, die ihnen verständlich ist. Dies ist nicht nur eine Frage des Vokabulars. Zur Verständlichkeit gehört auch, die biblische Botschaft in ihrer Relevanz für die Gegenwart erfahrbar zu machen, so daß sie zur Orientierung und zur Ermutigung wird, mit ihr das Leben zu bestehen. Die Kirche hat hier eine elementare Bildungsaufgabe, die umso dringender wird, je mehr die Zugehörigkeit zur Kirche an Selbstverständlichkeit verliert.

Das gilt auch im Blick auf die Familien. Sie sind natürliche Erinnerungs- und Erzählgemeinschaften und insofern ein entscheidender Ort für die Weitergabe des Glaubens. Dazu brauchen sie die Begleitung und Unterstützung der Gemeinde, damit die Familien Stätten christlicher Kommunikation und kirchlicher Partizipation bleiben.

3.3.2. Trotz der großen finanziellen Belastungen ist die Erhaltung der Kirchengebäude eine bleibende Aufgabe. Sie sind die Orte der Sammlung und Sendung der Gemeinde und damit auch Anknüpfungs- und Konzentrationspunkte für die missionarische Arbeit. Was die christliche Gemeinde durch die Jahrhunderte hindurch für das Leben der Menschen, für ihre Beheimatung und ihre Verwurzelung am Ort und in der Region bedeutet hat, dafür stehen auch die Kirchen. Über einen langen Zeitraum war Identitätsstiftung ohne sie gar nicht zu denken. Sie ist selbst in einer weithin unkirchlich gewordenen Bevölkerung bis heute mit den Kirchen verbunden.

Was hier gewachsen ist, darf nicht ohne äußerste Not preisgegeben werden. Das erfordert freilich auch die Bereitschaft, in Ostdeutschland bislang ungewohnte Wege zu gehen, um Mittel für die Erhaltung der Kirchengebäude auch bei Außenstehenden einzuwerben. Ihnen ist in der Regel nicht gleichgültig, was aus der Kirche am Ort wird. Das besagen die Erfahrungen, die seit Jahren im Westen Deutschlands gemacht werden und aus denen zu lernen sich lohnt.

3.3.3. Die den Gemeinden geläufige Denkrichtung geht zumeist von innen nach außen. Dies führt häufig zu einer Binnenorientierung, die zu einem "Kommunikationsghetto" wird. Um dies aufzubrechen, ist ein Perspektivenwechsel nötig, bei dem sich der Blick auch von außen nach innen richtet. Wie stellt sich die Gemeinde von außen gesehen dar? Wie nehmen andere sie wahr? Wodurch fällt sie ihnen auf?

Die Gemeinde braucht nicht nur die Konzentration nach innen, sondern auch die Öffnung nach außen. Oft muß sie überhaupt erst einmal erkennbar werden für Menschen, die sonst keinen Zugang zu ihr haben. Die reguläre Gemeindearbeit wird dafür vermutlich weniger geeignet sein als besondere Veranstaltungen, mit denen die Gemeinde zur Begegnung mit ihr und dem ihr anvertrauten Evangelium einlädt und auch öffentlich auf sich aufmerksam macht.

Nicht weniger wichtig sind die persönlichen Begegnungen. Als Kontaktzonen der Kommunikation wird ihre Bedeutung in der Regel nicht so sehr in der Sach-, sondern in der Beziehungsebene liegen. Biografische Anknüpfungspunkte, die Schwellensituationen des Lebens, das Bedürfnis nach Orientierung und Vergewisserung, vielleicht auch der Wunsch, durch Riten welcher Art auch immer gehalten zu werden, sind dann wichtiger als theologische Belehrungen. Gerade angesichts der Vielzahl der Konfessionslosen ist deutlich: Mission ist vorrangig Beziehungsarbeit. Die Menschen haben die Kirche zwar in Scharen verlassen, aber gewonnen werden können sie nur als Einzelne. Darum sind die persönlichen Begegnungen von unschätzbarem Wert.

Wo Gemeinden bereit sind, sich zu öffnen, sich auf Außenwahrnehmungen einzulassen und auf das Interesse der Außenstehenden zu sehen, da werden sie auch damit rechnen müssen, daß diese ihre Einsichten und Lebenserfahrungen wie ihre Erwartungen an die Kirche mitbringen. Sie werden darin nicht ohne weiteres konform gehen mit dem, was in der Kirche Brauch ist. Von den Gemeinden erfordert das Lernbereitschaft und den Respekt vor der Überzeugung anderer wie auch die Fähigkeit zur Kommunikation und zum Dialog. Daran wird sich zeigen, ob "Kirche für andere" auch zur "Kirche mit anderen" fähig ist oder ob sie ihre Grenzen an ihrer eigenen Selbstgenügsamkeit hat.

3.3.4. Der missionarischen Aufgabe wissen sich heute zahlreiche Gruppen in und auch neben den Kirchen verpflichtet. Dabei spielen die bereits erwähnten und oft schwer zu vereinigenden Unterschiede im Missionsverständnis eine prägende Rolle. Die Arbeit wird dadurch nicht gerade einfacher und durch die Vielfalt der Aktionsformen auch nicht unbedingt überzeugender. Dennoch bleibt es eine gemeinsame Aufgabe. Sie gebietet, andere in ihren Bemühungen zu achten und nicht einfach zu übergehen. Vielmehr ist zu prüfen, wieweit andere missionarisch aktive Gruppen als Kooperationspartner in Betracht kommen und eigene Planungen mit ihnen abgestimmt werden sollten. Bleiben sie unbeachtet, werden sie zur Konkurrenz, oft gegen ihren eigenen Willen.

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