Huber: Laudatio für die Preisträger von "Fantasie des Glaubens"

Förderpreis der AMD für missionarische Ideen

Bischof Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

„Fantasie des Glaubens“ heißt das Thema dieser Preisverleihung. Der Ort, an dem wir sie durchführen, regt selbst zu einer Fantasiereise an! Der Wal erinnert an die Geschichte des Propheten Jona. Er soll der Stadt Ninive Gottes Strafe verkünden. Doch er entzieht sich dem Auftrag durch die Flucht auf ein Schiff, das dann prompt in Seenot gerät. Jona gerät ab vom üblichen Weg: Da die Seeleute den schweren Sturm mit seiner Anwesenheit an Bord verbinden, werfen sie ihn kurzerhand ins Meer. „Aber Gott ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen.“ (Jona 2,1). Abseits jeglicher Wege kommen Gott und Jona einander näher. Der Ruf der Angst Jonas im Bauch des Fisches wird zu einem Gebet des Vertrauens. „Der ganze Fisch war voll Gesang“ dichtet Klaus Peter Hertzsch.

Der Glaube findet auch abseits bekannter Wege zu Gottes Lob. Dieser Ort hier gibt der „Fantasie des Glaubens“ der Preisträger angemessenen Raum. Die heutigen Preisträger kennen die traditionelle Arbeit in den Kirchengemeinden und Verbänden und haben sie auf vielfältige Weise neu gestaltet.

Ein Heimspiel gewissermaßen hat „Die Plinke“ aus Hannover-Linden, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht nur für die Betreuung bei Hausaufgaben oder eine warme Mahlzeit für Kinder und Jugendliche bereithalten, sondern sich auch auf unbekannte Wege, auf die Lebensgeschichten ihrer Gäste einlassen.

Ganz äußerlich abseits bekannter Wege führte eine Konfirmandengruppe mehr als 2.000 Menschen aus dem Wohratal in Hessen. Sie gestaltete in einem Maisfeld ein Labyrinth, in dem sie Fragen stellte: zum Glauben, zum Gewissen, zur Bedeutung von Jesus Christus, zum Leben in Gemeinschaft. Kinder, Jugendliche, Erwachsene – sie alle sind Euren Gedankengängen gefolgt!

Den ersten Preis erhält die Evangelische Jugend Eisleben für das Projekt „180°“, das sozusagen institutionell andere Wege ausprobiert. Die Mitarbeitenden haben die Konfirmandenarbeit in ihrer Region neu gestaltet. Für sechs Kirchengemeinden aus Eisleben und Umgebung entwickelten sie ein Gesamtkonzept missionarischer Jugendarbeit, in dem die Konfirmanden- mit der Jugendarbeit vernetzt ist, Jugendliche in die Konfirmandenarbeit mit einbezogen werden und dort in der Begegnung mit Konfirmanden über ihren Glauben Rede und Antwort stehen können.

Der eine der beiden Sonderpreise führt das Glaubensgespräch konsequent in die Sprache der Bits und Bytes hinein, nämlich auf www.gott.net. Der zweite Sonderpreis geht ganz ähnlich wie Jona den Weg in einen Wal hinein und führt uns an diesen Ort zurück: Der Landesverein für Innere Mission erhält ihn für den Expowahl und die ungewöhnliche Art der Gottesdienste hier an diesem Ort.

Fantasievolle Christen sind Menschen, die das Neue nicht scheuen. So wie es auch die Kirchentagsfrage beinhaltet: Wenn dein Kind dich morgen fragt ... Sie nimmt die Zukunft in den Blick, offen, ohne gleich eine Antwort zu geben. Das Fragen steht im Mittelpunkt dieses Kirchentages. Nur wer auf Fragen hört, kann antworten. Was fragt Gott uns? Für welche Fragen unserer Mitmenschen öffnen wir uns? Antwort und Verantwortung gehören nicht von ungefähr zusammen. Die Antwort des Glaubens, die Gott von uns erwartet, und die Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen sind zwei Seiten einer Medaille.

Das Buch Jona führt uns vor, wie beides zusammengehört. Als Jona vor Gott nicht mehr flieht, sondern ihm antwortet, da wird er bereit, auch für seine Mitmenschen, für die Bürger der Stadt Ninive, die ihm von Gott zugedachte Verantwortung zu übernehmen.

Mein Wunsch ist, dass dieser Kirchentag einen Schub für die Glaubenscourage entfaltet, die unsere Kirche und unsere Gesellschaft brauchen. So richtig es ist, dass Glaube immer persönlich ist, so wichtig ist, dass er nicht einfach privat bleibt. Der Glaube gehört in die Öffentlichkeit, weil das Evangelium öffentlich ist. Deshalb müssen wir immer wieder nach neuen Wegen suchen, um ihm ein Forum zu eröffnen. Dazu unternehmen die Projekte, die wir heute auszeichnen, beispielhafte Schritte. Ich wünsche den Preisträgern und uns allen, dass wir nicht aufhören, uns einzumischen und dem Standpunkt des christlichen Glaubens Stimme zu geben. „Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive, wie der Herr gesagt hatte“ (Jona 3,3).

Dass das Jonabuch nicht schiedlich-friedlich endet, sollte dem nicht entgegenstehen. Jona entdeckt, dass Gottes Wege wirklich „unerforschlich“ sind. Den Pfadfindern des Glaubensgesprächs, die heute diese Auszeichnung erhalten, wünsche ich, dass durch sie viele Menschen erreicht und in ihrem Glauben ermutigt werden. Herzlichen Glückwunsch!

Hannover, 26. Mai 2005
Pressestelle der EKD
Christof Vetter