Evangelische Kirche in Deutschland trauert um den südafrikanischen Theologen Beyers Naudé

Unverzichtbarer Gesprächspartner in Fragen der Überwindung von Rassismus in Südafrika

Der reformierte südafrikanische Theologe und einer der profiliertesten christlichen Kritiker des Apartheidregimes, Dr. Christiaan Frederick Beyers Naudé, verstarb im Alter von 89 Jahren in den frühen Morgenstunden des 7. September in Johannesburg. In einem Brief an die Witwe des Verstorbenen, Ilse Naudé, brachte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, die Anteilnahme der EKD zum Ausdruck. Huber würdigte ihn als unerschrockenen Zeugen des Evangeliums im Kampf gegen Rassismus und Ungerechtigkeit. Bis zu seinem Tode, so Huber, sei Naudé auch für den Rat der EKD ein unverzichtbarer Gesprächspartner in Fragen der Überwindung von Rassismus und Wiedergutmachung in Südafrika gewesen. Tiefen Eindruck habe Naudé auch durch sein mutiges Zeugnis auf zahlreichen Kirchentagen hinterlassen. Besonders hob der Ratsvorsitzende hervor, wie sehr sich der südafrikanische Theologe für die Versöhnung auch innerhalb der durch die Rassentrennung nach wie vor getrennten reformierten Kirchen in Südafrika eingesetzt habe. Der vor wenigen Jahren an Naudé verliehene Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland unterstreiche die Hochschätzung, die dem reformierten Theologen auch in Deutschland weit über kirchliche Kreise hinaus entgegengebracht wird, so Huber.

Der brutale Polizeieinsatz gegen Anti-Apartheiddemonstranten in Sharpeville 1960, bei dem 69 Menschen getötet wurden, war für Naudé ein wichtiger Anstoß für persönliche und berufliche Konsequenzen. Der aus der burisch-reformierten Tradition stammende Theologe bekannte sich nach dem Massaker von Sharpeville öffentlich als Apartheidgegner. Bis zu diesem Zeitpunkt war er in seiner Kirche und der weißen südafrikanischen Gesellschaft zu großem Ansehen gelangt. So war er bis 1963 auch Mitglied in der Geheimorganisation "Afrikaner Broederbond", die sich nachhaltig für den Erhalt der Vorherrschaft der Weißen in Südafrika einsetzte. Weil die Kirchen selbst für den Rassismus mitverantwortlich und in ihn tief verstrickt seien, forderte Naudé bereits im Jahre 1965 eine "Bekennende Kirche in Südafrika". Er rief die Kirchen auf, sich ohne wenn und aber im Kampf gegen die Apartheid zu engagieren.

Naudés Kampf gegen den Rassismus kostete ihn die Aberkennung seines Pastorenamtes und den Verlust aller kirchenleitenden Funktionen: Die südafrikanische Regierung belegte ihn 1977 mit einem mehrjährigen Bann. 1980 trat Naudé aus seiner Kirche aus und wurde Mitglied der schwarzen reformierten Kirche. Vier Jahre später übernahm er von Desmond Tutu das Amt des Generalsekretärs des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC). Bei den verfassungsgebenden Verhandlungen zwischen der Regierung Präsident F.W. de Klerks und dem ANC übernahm Naudé 1992 die Rolle eines Vermittlers auf dem Weg zu den ersten freien Wahlen für die gesamte südafrikanische Bevölkerung.

Auch nach der Unabhängigkeit Südafrikas meldete sich Naudé immer wieder zu gesellschaftlichen Fragen zu Wort. Eine seiner größte Sorge galt in den vergangenen Jahren der zunehmenden Korruption und angesichts der Arbeitslosigkeit und der HIV/AIDS-Epidemie der Zukunft der südafrikanischen Jugend.

Dass er 1990 zum ersten Mal nach 27 Jahren wieder vor einer weißen reformierten Gemeinde predigen durfte, bedeutete viel für ihn. Erneut rief er seine frühere Kirche auf, für ihre "Sünden der Apartheid" um Vergebung zu bitten. ein Jahr später kam sie dieser Aufforderung nach und entschuldigte sich auch persönlich bei Naudé für ihr Verhalten.

Hannover / Berlin, 07. September 2004

Pressestelle der EKD
Christof Vetter