Institutionelle Abgrenzung der Kirchen verliert an Bedeutung

Huber beim Jubiläum „300 Jahre lutherischer Gottesdienst in Genf“

Das vierfache „allein“ des reformatorischen Aufbruchs – allein Christus, allein die Heilige Schrift, allein aus Gnade, allein durch den Glauben – sei auch heute noch aktuell, erklärte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Samstag, 8. September in Genf. Anlässlich des Jubiläums „300 Jahre lutherischer Gottesdienst in Genf“ erinnerte er an die kommenden Jubiläen: das Calvin-Jahr 2009 und das Reformationsjahr 2017. Von dem reformatorischen Konsens könne allerdings nicht gesprochen werden, ohne auch von der reformatorischen Vielfalt zu sprechen. Der jahrhundertlange reformatorische Dissens im Abendmahlsverständnis, der auch vor 300 Jahre dazu geführt habe, dass im reformierten Genf der lutherischer Gottesdienst eingeführt wurde, konnte erst durch die Erfahrungen der Bekennenden Kirche während des Nationalsozialismus angegangen werden. Dies habe den Weg geebnet, dass die evangelischen Kirchen Europas, ihnen folgend aber auch einige lateinamerikanische evangelische Kirchen in der Leuenberger Konkordie von 1973 förmlich feststellten, dass eine ausreichende Basis für den Vollzug der Kirchengemeinschaft gegeben sei.

Doch unterschiedliche reformierte und lutherische Tradition hätten weiterhin einen guten Sinn und würden unentbehrliche Farben in das gemeinsame Zeugnis der evangelischen Kirchen einbringen, erläutert Huber. Dies seien keine kontradiktorische Gegensätze, sondern einander ergänzende Perspektiven, erklärte der Ratsvorsitzende: „die Konzentration auf das Wort einerseits und der Sinn für die gestaltete Liturgie andererseits, die Hochschätzung der mündigen Gemeinde einerseits; die Wertschätzung des Amts – auch des Bischofsamts – andererseits; die Verkündigung der voraussetzungslosen Gnade einerseits, das Achten auf den Zusammenhang von Zuspruch und Anspruch andererseits“.

Für die ökumenische Gemeinschaft mit den nicht-reformatorischen Kirchen sieht der Ratsvorsitzende die Grundlage in der Taufe. „Sie ist in der Tat das ökumenische Grundsakrament. Sie verleiht die Zugehörigkeit zum Leib Christi, der umfassender ist als jede einzelne Kirche. Sie verpflichtet auf die Zusammengehörigkeit aller, die auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft sind. Es könnte für die Gemeinschaft der Kirchen hilfreich sein, stärker auf die ökumenische Bedeutung der Taufe zu achten und dadurch auch einen neuen Zugang zur ökumenischen Bedeutung des Abendmahls zu gewinnen.“

Wolfgang Huber erinnerte an die eben zu Ende gegangene 3. Europäische Ökumenische Versammlung in Hermannstadt/Sibiu: „Die Tage in Hermannstadt waren bestimmt von der umfassenden Verheißung der Gnade Gottes, die in Jesus Christus in unsere Welt gekommen ist: ‚Das Licht Christi scheint auf alle.’ Diese Perspektive bestimmt auch die Weise, in der wir als Kirchen ökumenisch angemessen miteinander umgehen. Der entscheidende Maßstab besteht darin, ob wir die Gaben, die uns jeweils anvertraut sind, in den Dienst der Gnade Gottes stellen. Der entscheidende Maßstab besteht darin, ob wir durch die Art und Weise, in der wir mit unseren Unterschieden umgehen, das Licht Christi verdunkeln, das eines ist und für alle gilt. Wenn wir daran Maß nehmen, rücken manche Fragen, die uns immer wieder so nachhaltig beschäftigen, ins zweite Glied. Und andere Fragen gewinnen an Bedeutung. Die institutionelle Abgrenzung der Kirchen voneinander verliert an Bedeutung. Und ihr Zeugnis in Wort und Tat zieht die Aufmerksamkeit auf sich.“ Huber machte dabei deutlich, im Gespräch zwischen den christlichen Kirchen seien drei Aspekte aufzunehmen: die Ökumene der Spiritualität, die Ökumene des wechselseitigen Respekts, die Ökumene des gemeinsamen Handelns.

Hannover/Genf, 7. September
Pressestelle der EKD

Christof Vetter


Hinweis:
Informationen über die „Lutheraner im Herzen der Calvinstadt“ sind nachzulesen unter: http://www.ekd.de/aktuell/54787.html

Der Vortrag im Wortlaut