Wissenschaftliche Ausgabe reformierter Bekenntnisschriften vorgestellt

30. Januar 2003

Nach langjähriger Vorbereitungszeit wurde am Donnerstag, den 30. Januar, in Emden der erste Band einer neuen wissenschaftlichen Edition reformierter Bekenntnisschriften vorgestellt. Die im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) von einem Herausgeberkreis um Prof. Heiner Faulenbach und Prof. Eberhard Busch erarbeitete Ausgabe umfasst Quellentexte der reformierten Tradition aus den Jahren 1523 bis 1534. Nachdem eine entsprechende Edition der lutherischen Bekenntnisschriften bereits im Jahr 1930 erschien, liegt nun erstmals eine wissenschaftliche Aufbereitung der reformierten Texte vor.

Die in der Edition enthaltenen Texte spiegeln lebhafte Zeiten und leidenschaftliches Engagement für den christlichen Glauben wider. Wie wichtig die richtige Ausformulierung der eigenen Überzeugung war, zeigt das Beispiel von Huldreich Zwingli. Vier Jahre lang sorgte der junge Stadtpfarrer in Zürich für Unruhe. Seit seiner Amteinsetzung im Jahr 1519 weigerte sich Zwingli beharrlich, den Vorgaben der katholischen Kirche für seine Predigten zu folgen, er wollte selbst entscheiden, welche Bibelstellen er interpretierte. Allein die Bibel sei christliche Autorität, nicht die von Menschen aufgestellten Lehren und Satzungen, so die Überzeugung des Wegbereiters des reformierten Protestantismus. Im Januar 1523 versammelten sich schließlich 600 Geistliche im Rathaus von Zürich, um die aufgeworfenen Fragen zu diskutieren, die bereits für Unruhe in der Bevölkerung sorgten. Noch am Vorabend der Veranstaltung stellte Zwingli einen Text fertig, in dem er in 67 Thesen seine Überzeugung begründete. Der Züricher Rat gab ihm Recht. Später bricht wegen der neuen Bekenntnisse sogar der Krieg mit den benachbarten katholischen Kantonen aus. Zwingli stirbt 1531 in einer Schlacht vor den Toren Zürichs.

Zwinglis Thesen von 1523 sind jetzt in der neuen wissenschaftlichen Edition reformierter Bekenntnisschriften zugänglich. Alle evangelischen Bekenntnisse seien "Zeitzeugnisse, Dokumente einer Zeitgeschichte", sagte der Leiter des Herausgeberkreises, Prof. Heiner Faulenbach, bei der Vorstellung der Edition am Donnerstag in Emden. Besonders in der reformierten Kirche setzten sich Erneuerungen, Bestätigungen und Neuausrichtungen bis in unsere Zeit fort. Über die Geschichte der reformierten Bekenntnisschriften werde damit "der Weg in das aktuelle theologische Profil reformierter Kirchen gewonnen". Die Vielfalt der in der Edition aufgenommenen Texte spiegele das "Ringen um das je neu auszuformulierende Bekenntnis", dessen Ausrichtung von der Zeitgeschichte und den historischen Verhältnissen bedingt sei, so Faulenbach.

Die Bekenntnisschriften seien nicht mit einer "vollständigen Sammlung von Lehrsätzen" zu verwechseln, betonte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock. "Unsere Bekenntnisschriften selbst sind keine heiligen Schriften." Sie seien aber ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Bibelauslegung. "Bekennen ist zuerst Ausdruck der Freude über die gute Nachricht des Evangeliums", so Kock. Das der Einführung der wissenschaftlichen Edition vorangestellte Motto aus dem Markusevangelium sei gut gewählt: es gelte stets aufs Neue Jesus Frage an seine Jünger "Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?" zu beantworten. In zweiter Linie diene ein Bekenntnis auch der Abgrenzung und der Vergewisserung des eigenen Glaubens. Es sorge dafür, dass "die Offenheit der hörenden Kirche nicht zur Beliebigkeit" werde. "Das je aktuelle Bekennen entzieht sich sowohl einer ideologischen Festschreibung als auch einem Aufgehen im Zeitgeist."

Der erste Band der Neuausgabe umfasst 583 Seiten. Neben den Originaltexten sind umfangreiche theologische Erläuterungen enthalten. Gerade das Nebeneinander der verschiedenen Bekenntnisse zeige, dass sie aufeinander bezogen und interpretiert werden müssten, erklärte Kock: "Die systematischen und historischen Einführungen und der wissenschaftliche Apparat dieser Edition bieten dafür die besten Voraussetzungen."

Er wünsche der Neuausgabe viele aufmerksame Leserinnen und Leser, sagte Kock: "Möge die Neuedition Reformierter Bekenntnisschriften als ein Schatz genutzt werden" in der Herausforderung, in der heutigen Zeit auf Jesus Frage zu antworten: "Du bist der Christus."

Hannover, den 30. Januar 2003

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Hinweis: Die Statements von Präses Manfred Kock und Prof. Heiner Faulenbach