Gemeinsam auf dem Weg der Versöhnung

Wolfgang Huber empfängt serbische Kirchendelegation

Die Kirchen müssten sich für ein gemeinsames Europa einsetzen und dürften dabei auch Südosteuropa nicht aus dem Blick verlieren. Dies erklärte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Dienstag in Berlin gegenüber einer Delegation mit Bischöfen serbischer Kirchen. Zu der Delegation, die in der Woche nach dem dritten Advent – organisiert von der Konrad-Adenauer-Stiftung – Brüssel, Berlin und weitere Städte in Deutschland besucht, gehören unter anderem Erzbischof Hočevar (Belgrad) von der Römisch-Katholischen Kirche in Serbien, Bischof Irinej Bulovič (Bačka, Novi Sad) von der Serbisch-Orthodoxen Kirche und Superintendent Arpad Dolinski, der drei evangelischen Kirchen in Serbien vertrat. Ziel der Reise sei es, so Irinej Bulovič, den begonnenen Dialog mit den Kirchen in Deutschland fortzusetzen und die Partnerschaft zu festigen. Die Zeit vor Weihnachten zeige, so der Ratsvorsitzende, wie Kirchen in Europa gemeinsam mitgestalten könnten: Die „Gewalt der Liebe“, die sich durch das Kind in der Krippe gezeigt habe, weise die Kirchen auf den Weg der Versöhnung und des Friedens.

Wolfgang Huber betonte, dass die Situation in Serbien von der EKD gerade in den letzten fünfzehn Jahren seit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ aufmerksam beobachtet worden sei. Dafür seien die regelmäßigen Dialoge ein wichtiges Zeichen. Voraussetzung dafür sei aber auch ein eigenes Bewusstein für die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Der Ratsvorsitzende wies darauf hin, dass dies auch eine Geschichte der Kriege und der Verbrechen gewesen sei, die in Serbien teilweise auch von Deutschland ausgegangen sind: „Wir wollen uns nicht aus der Geschichte wegstehlen, sondern zu unserer Schuld stehen.“ So sei die EKD 1999 auch der Meinung gewesen, dass das damalige Regime in Serbien an weiteren Menschenrechtsverletzungen gehindert werden müsse, aber die Bombardierung Serbiens habe er und die evangelische Kirche als falsches Mittel angesehen. Huber erinnerte, dass er damals an einem Gottesdienst der serbisch-orthodoxen Kirche in Berlin teilgenommen habe: „Es war einer der schwersten Wege in meiner Amtszeit.“

Wegen dieser gemeinsamen Erfahrung seien die Kirchen in Deutschland und die Kirchen in Serbien auf den Weg der Versöhnung gewiesen. Er versicherte den Kirchenvertretern aus Serbien die Solidarität der EKD bei allen Schritten der Versöhnung: „Frieden in ihrer Region ist uns als Kirche ein Herzensanliegen,“ so der Ratsvorsitzende der EKD. Zum Frieden gehöre es zwingend, auch die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und die Nachbarn in diesen Frieden einzubeziehen.“ In diesem Zusammenhang verwies der Ratsvorsitzende ausdrücklich auf die Situation der Kosovo-Albaner.

Bei dem Aufenthalt in Berlin benannte Bischof Irinej die historischen Hintergründe der Verknüpfung von Ethnie, Nation und Religion in Südosteuropa. Er unterstrich, dass sie zu einer bösen Versuchung geworden sei und auch von Kirchenvertretern missbraucht worden sei. „Der „Ethnophilitismus“ ist Ergebnis einer langen, traurigen Vorgeschichte, man muss viel dagegen tun. Dazu brauchen wir Ihre hilfreiche Hand,“ so der Bischof. In der schwierigen Phase zwischen Kommunismus und noch unsicherer Mitgliedschaft in der Europäischen Union nähme die soziale Spaltung in Serbien zu, dies verstärke das Verhaften in alten Denkmustern.

Ein schmerzliches Thema für die serbisch-orthodoxe Kirche, so der Ratsvorsitzende, sei die Zerstörung ihrer Kirchen und Klöster. Diese „Zerstörungsakte“ zeigten, zu welchen Problemen es führe, wenn Religion und Ethnie zu eng miteinander verknüpft würden. Wie er schon vor einiger Zeit in einem Brief an den Patriarchen der Serbisch-Orthodoxen Kirche, Pawle, geschrieben habe, sei der Schutz dieser Kulturgüter für die evangelische Kirche ein hohes Gut. Auch daran werde deutlich, dass es einen christlichen Versöhnungsauftrag über die Grenzen der eigenen Volkszugehörigkeit hinaus gebe. Deshalb sei es wichtig, dass sowohl auf serbischer als auch auf deutscher Seite die Gespräche ökumenisch geführt würden. Die Charta Oecumenica der Kirchen Europas sei eine wichtige Grundlage dafür, glaubwürdig für den Frieden einzutreten. Dazu müssten alle ihre eigenen Verstrickungen erkennen; „wir müssen uns alle aus diesen Verstrickungen befreien lassen“.

Erzbischof Hočevar betonte, dass die Wahrheit in der Liebe zu suchen sei, deshalb sei es entscheidend, dass die christlichen Kirchen Serbiens eng zusammen arbeiten und gemeinsam die Begegnungen in Brüssel und Berlin erleben könnten. Er hoffe, dass die Kirchen unterschiedlicher Tradition sich immer stärker miteinander verbinden.

Hannover / Berlin, 14. Dezember 2005

Pressestelle der EKD
Christof Vetter