Europäische Kirchen für friedliche Lösung des Irakkonfliktes

Jahrestagung des gemeinsamen Ausschusses von KEK und CCEE

Auf seiner Jahrestagung vom 30. Januar bis 2. Februar in Bukarest hat sich der Gemeinsame Ausschuss der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der katholische Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) ausdrücklich für eine friedliche Lösung des Irakkonfliktes ausgesprochen. In der Abschlusserklärung, die auch von katholischen Bischöfen aus England und Polen unterzeichnet wurde, fordert der Ausschuss die politisch Verantwortlichen auf, alle nur möglichen gewaltfreien Mittel zu nutzen, um einen Ausweg aus der gegenwärtigen Sackgasse zu finden.

Die Gedanken der Ausschussmitglieder seien die ganze Zeit bei der drohenden Gefahr eines bewaffneten Konfliktes mit dem Irak, heißt es in der Abschlusserklärung. "Alle politisch Verantwortlichen in der Welt" seien zum Einsatz für den Frieden verpflichtet. So fordert der Ausschuss die politischen Führungskräfte auf, "entsprechend internationalem Recht und moralischen Normen zu handeln" und die gewaltfreien Mittel zu nutzen, "um wahrhaftige Gerechtigkeit und wirklichen Frieden zu gewährleisten."

Angesichts der "scheinbar endlosen Tragödie des Mittleren Ostens" äußerten die Vertreter der evangelischen, orthodoxen und katholischen Kirchen Europas ihre "Solidarität mit den christlichen Gemeinschaften und allen Opfern der Gewalt in dieser Region".

Der Gemeinsame Ausschuss richtete sein Augenmerk auch auf die künftige Gestaltung der Europäischen Union. Er bekräftigte ausdrücklich die Vorschläge, die die Konferenz Europäischer Kirchen und die Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union (ComECE) dem Verfassungskonvent unter der Leitung von Valerie Giscard D'Estaing gemacht hat. Der Status von Kirchen, Religionsgemeinschaften und nicht-konfessionellen Organisationen solle entsprechend der jeweiligen nationalen Gesetzgebung respektiert  und die Religionsfreiheit sichergestellt werden. Außerdem sei wichtig, "die besondere Identität von Kirchen und Religionsgemeinschaften" anzuerkennen und einen "strukturierten Dialog mit ihnen" zu ermöglichen. Die Mitgliedskirchen der KEK und der CCEE werden gebeten, die Verfassungsgestaltung "aufmerksam zu begleiten" und ihre nationalen Regierungen zur Erfüllung dieser Vorschläge aufzurufen.

Das Treffen, das auf Einladung des Rumänisch-orthodoxen Patriarchats in Bukarest stattfand, sei von großer Herzlichkeit geprägt gewesen, sagt Antje Heider-Rottwilm, Leiterin der Europa-Abteilung im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Der Patriarch hat immer wieder voller Wärme davon gesprochen, wie wesentlich für ihn die ökumenische Gemeinschaft ist." Für die Ausschussmitglieder der KEK war es die letzte Jahrestagung: im Juni 2003 werden sie bei der Vollversammlung im norwegischen Trondheim ihr Mandat beenden.

Hannover, den 7. Februar 2003
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi



Wortlaut der Erklärung:

Abschlusserklärung des Gemeinsamen Ausschusses von KEK und CCEE


1. Der Gemeinsame Ausschuss von KEK und CCEE tagte vom 30.1.bis zum 2.2 .2003 in Bukarest, Rumänien aufgrund der freundlichen Einladung und großzügigen Gastfreundschaft des Rumänisch-orthodoxen Patriarchats, einer Mitgliedskirche der KEK. Der Ausschuss traf zum Gebet mit seiner Seligkeit, Patriarch Teoctist zusammen und feierte gemeinsam mit den christlichen Kirchen in Bukarest einen Gottesdienst. Der Patriarch sprach mit Herzlichkeit über seine ökumenische Freundschaft mit Papst Johannes Paul II. Er dankte der KEK und ihren Mitgliedskirchen für die Unterstützung des rumänischen Volkes angesichts der Herausforderungen durch Armut und Umwälzungen vor und nach den politischen Veränderungen in Rumänien.

2. Bischof Finn Wagle, lutherischer Bischof von Trondheim, Norwegen, erinnerte die Anwesenden an den grundlegenden christlichen Auftrag, alle Menschen zur Fülle des Lebens zu ermächtigen und gab damit die Orientierung für die Arbeit vor.

3. Während der gesamten Sitzung waren die Gedanken der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses bei der drohenden Gefahr eines bewaffneten Konfliktes mit dem Irak. Alle politisch Verantwortlichen in der Welt sind verpflichtet, das weltweite gemeinsame Gut vor jeder Bedrohung des Friedens zu schützen. Im Geiste dessen, was das Evangelium vorgibt, ‚Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen’ (Mt 5,9), und verpflichtet durch die Charta Oecumenica zu einer ‚Friedensordnung auf der Grundlage gewaltfreier Konfliktlösungen’ (§8,3) fordert der Gemeinsame Ausschuss alle politischen Führungskräfte auf, entsprechend internationalem Recht und moralischen Normen zu handeln und alle nur möglichen gewaltfreien Mittel, die zur Verfügung stehen, zu nutzen, um einen Ausweg aus der gegenwärtigen Sackgasse zu finden und wahrhaftige Gerechtigkeit und wirklichen Frieden zu gewährleisten.

4. Ausgehend von ihrem gemeinsamen Erbe setzen sich die christlichen Kirchen fortlaufend mit der scheinbar endlosen Tragödie des Mittleren Ostens auseinander und bekräftigen ihre Solidarität mit den christlichen Gemeinschaften und allen Opfern der Gewalt in dieser Region. Der Gemeinsame Ausschuss schließt sich dem Ruf nach Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung in dem Land, das als erstes die gute Nachricht von dem auferstandenen Herrn gehört hat, an.

5. Die Kirchen Europas erhoffen sich von dem Dialog miteinander eine Erneuerung ihrer Kraft und Hoffnung. So hat der Gemeinsame Ausschuss nach weiteren Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit und Stärkung der koinonia (Gemeinschaft) gesucht. Die Veröffentlichung der Charta Oecumenica hat sich als grundlegender Beitrag dazu erwiesen. Schon jetzt ist die Charta ein integraler Bestandteil der ökumenischen Architektur Europas. Der gemeinsame Ausschuss bittet alle Kirchen, ein Fürbittgebet für alle christlichen Kirchen und Gemeinschaften Europas als regelmäßigen Bestandteil in ihre Gottesdienste einzubeziehen.

6. Artikel 11 der Charta Oecumenica spricht von dem Wunsch, den christlich-islamischen Dialog zu intensivieren. Deshalb empfiehlt der Gemeinsame Ausschuss, dass dieser Dialog im KEK/CCEE-Ausschuss für die Beziehungen mit den Muslimen in Europa gebündelt wird, in dem Christen und Muslime miteinander über ihren Glauben an Gott und ihr gemeinsames Leben in Europa sprechen.

7. Keine Zusammenkunft von Christen in Europa darf die gegenwärtige politische Entwicklung in Europa vernachlässigen. Der gemeinsame Ausschuss tagte in Rumänien, einem der Kandidatenländer für eine erweiterte Europäische Union. Die zukünftige Struktur der Union hat für die Mitgliedsstaaten, für die Kandidatenländer und für ihre Nachbarn tief greifende Konsequenzen

8. Die Kommission ‚Kirche und Gesellschaft’ der KEK und ComECE (Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union) haben intensiv daran gearbeitet, dem Konvent zur Zukunft Europas eine Reihe von Eingaben zu unterbreiten, einschließlich Vorschlägen für die Rechtsordnung der Union. Angesichts dessen, dass der Konvent in die Schlussphase seiner Arbeit kommt, unterstützt der Ausschuss ausdrücklich diese Vorschläge und bittet die Mitgliedskirchen, diesen Prozess aufmerksam zu begleiten und die nationalen Regierungen aufzurufen, sicherzustellen, dass das neue Europa:

a) den Status der Kirchen, Religionsgemeinschaften und nicht-konfessionellen Organisationen gemäß der nationalen Gesetzgebung respektiert (Erklärung 11 des Amsterdamer Vertrages);

b) die besondere Identität von Kirchen und Religionsgemeinschaften anerkennt und Möglichkeiten eines strukturierten Dialoges mit ihnen vorsieht;

c) die Religionsfreiheit in ihren individuellen, kollektiven und korporativen Dimensionen respektiert.

Das christliche Erbe Europas ist nicht nur eine Verpflichtung aus der Vergangenheit, sondern auch eine Kraft für den zukünftigen Zusammenhalt Europas und seine Werte.

9. Die KEK ist zur Zeit intensiv mit der Vorbereitung ihrer Vollversammlung in Trondheim im Juni 2003 befasst. Die KEK-Mitglieder im Gemeinsamen Ausschuss werden ihr Mandat dann beenden .Voller Dankbarkeit für all das, was in diesen vergangenen Jahren möglich war, nicht zuletzt die Charta Oecumenica, richtete der Ausschuss auch den Blick auf zukünftige gemeinsame Initiativen. Er beriet, wie zukunftsweisende Begegnungen zwischen kirchenleitenden Personen, Politiker/innen und Meinungsführer/innen in Europa verstärkt werden könnten. Der Ausschuss schlägt vor, auf der Grundlage und im Geiste der Versammlungen von Basel (1989) und Graz (1997) eine dritte Europäische Ökumenische Versammlung im Jahre 2007 einzuberufen und zwar in einem osteuropäischen Land mit orthodoxer Tradition.

10. Die Sitzung endete mit einem Gottesdienst in Gegenwart des Patriarchen und weitere rumänischer Kirchenleiter. Der Patriarch brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass der Dialog im Gemeinsamen Ausschuss von KEK/CCEE in gemeinsamen Erfahrungen verwurzelt ist, im gemeinsamen Gebet gefeiert wird und dazu dient, die Kirchen Europas immer näher zueinander zu bringen.

Bukarest, den 2. Februar 2003


CCEE: Der Rat der europäischen Bischofskonferenzen ist der Zusammenschluss der Bischofskonferenzen Europas. Der Vollversammlung von CCEE gehören die Präsidenten der einzelnen Bischofskonferenzen an. Sie hat derzeit 33 Mitglieder.

KEK: Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) ist eine Gemeinschaft von 126 orthodoxen, protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirchen aus allen Ländern Europas sowie von 43 assoziierten Organisationen. Die EKD ist Mitglied der KEK. Weitere Informationen über die KEK finden Sie unter www.ekd.de/ekd/3221_4280.html

Teilnehmende Mitglieder der Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses:

Von Seiten des CCEE:

Mgr. Amédée Grab OSB, Bischof von Chur, CCEE-Präsident, Schweiz
Mgr. Josip Bozanic, Erzbischof Zagreb, CCEE-Vize-Präsident, Kroatien
Kard. Cormac Murphy-O'Connor, Erzbischof von Westminster, CCEE-Vize-Präsident, England
Kard. Lubomyr Husar, Erzbischof von Lviv, Ukraine
Mgr. Alfons Nossol, Erzbischof von Opole, Polen
Prälat Noël Treanor, ComECE-Generalsekretär, Belgien
Prälat Aldo Giordano, CCEE-Generalsekretär, Schweiz.

Von Seiten der KEK:

Metropolit Jérémie Caligiorgis, KEK- Präsident, Ökumenisches Patriarchat, Frankreich
Metropolit Daniel von Moldawien und Bukovina, Rumänisch-orthodoxe Kirche, Rumänien
Pfrin. OKR Antje Heider-Rottwilm, EKD, Deutschland
Pastorin Gianna Sciclone, Waldenser Kirche, Italien
Rt. Revd. Finn Wagle, Bischof von Nidaros, Kirche von Norwegen, Norwegen
Rev. Dr. Keith Clements, KEK- Generalsekretär, Schweiz.