Jochen Bohl: Umbruch in China fordert Kirche heraus

Stellvertretender Ratsvorsitzender traf Delegation des Christenrates

Auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Delegation des Chinesischen Christenrates unter der Leitung seines Präsidenten Pfarrer Feng Gao, am gestrigen Mittwoch kirchliche und diakonische Einrichtungen in Düsseldorf besucht. Dort traf sie mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der EKD, dem sächsischen Landesbischof Jochen Bohl, zusammen.

In Düsseldorf besuchte die siebenköpfige Delegation das Krankenhaus und Pflegeeinrichtungen der Kaiserswerther Diakonie, wo vor 175 Jahren die weltweite Diakonissenbewegung ihren Anfang genommen hat sowie das Zentrum der Diakonie an der neu errichteten Versöhnungskirche im Stadtteil Flingern.

In einer Begegnung der Delegation mit Vertreterinnen und Vertretern kirchlicher Werke erinnerte Bohl daran, dass es die großen gesellschaftlichen Umbrüche im 19. Jahrhundert waren, die zur Entstehung der institutionellen Diakonie in Deutschland geführt haben. Durch Industrialisierung und Urbanisierung seien einerseits Wohlstand, andererseits aber auch viele soziale Nöte entstanden, die gläubige Christen zur tätigen Nächstenliebe bewegt hätten. Ganz ähnlich sei heute die wirtschaftliche Umbruchsituation in China die Ursache vieler Probleme, die für die Kirche eine Herausforderung darstellen.

„Es ist seit eh und je und auch heute noch unsere Erfahrung, dass die christliche Gemeinde immer neue Aufgaben und Felder der tätigen Hilfe entdeckt“, sagte der Landesbischof und betonte, dass diese Erfahrung von den Christen aller Länder geteilt werde.

Als besonders große Herausforderung für die Kirchen in den Städten und auf dem Land nannte der Diakonie-Beauftragte des Chinesischen Christenrates, Paul Wang die Situation der Wanderarbeiter, die ihre Familien auf dem Land zurückließen, um in den großen Städten Lohn und Arbeit zu finden. China sei außerdem wegen der staatlich verordneten Ein-Kind-Politik eine sehr schnell alternde Gesellschaft. Die Kirche sei herausgefordert, sich in der Pflege alter Menschen zu bewähren. Das Hauptproblem der Kirche sei es, „ihre eigenen Kapazitäten an ausgebildeten Kräften zu erhöhen“.

Nach den Worten von Pfarrer Baoping Kann, dem Generalsekretär des Christenrates, müsse die Kirche als winzige Minderheit vor allem durch ihre Sozialarbeit sichtbar sein. An vielen Stellen werde der soziale Beitrag der Kirche vom Staat nicht nur begrüßt, sondern auch finanziell unterstützt. Noch nie seien die Freiräume der Kirchen für diakonische Aktivitäten so groß gewesen wie heute. Insbesondere bei der Katstrophenhilfe etwa in Erdbebengebieten oder nach Überschwemmungen sei die Hilfsbereitschaft der Christen von der Regierung öffentlich gelobt worden. Vom Besuch in Deutschland erhoffe man sich Anregungen für innovative Wege in der Diakonie und Unterstützung bei der Ausbildung professioneller Pflegekräfte.

Unter dem Dach des Chinesischen Christenrates sind in der Volksrepublik China etwa 20 Millionen evangelische Christen organisiert, die zu staatlich registrierten Kirchengemeinden gehören. Daneben gibt es zahlreiche evangelische Gemeinden, die zur so genannten Hauskirchenbewegung gehören und deren Mitgliederzahl ebenfalls auf etwa 20 Millionen geschätzt wird.

Hannover, 09. Dezember 2010

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick.