EKD und Deutsche Bischofskonferenz zum Verfahren um das Kloster Mor Gabriel

„Eine Lösung, die rechtsstaatlichen Standards entspricht“

Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beobachten mit großer Sorge die zunehmende Bedrängnis der syrisch-orthodoxen Kirche in der Türkischen Republik.

Mit Bestürzung haben wir das kürzlich ergangene Urteil des Kassationsgerichtshofes in Ankara gegen das mehr als 1600 Jahre alte Kloster Mor Gabriel aufgenommen. Damit hat das Gericht ein vorheriges Urteil, das die Eigentumsrechte des Klosters bestätigte, annulliert und dem Staat große Teile des klösterlichen Grundbesitzes übertragen.

Das im Jahr 397 gegründete Mor Gabriel ist das wichtigste syrische Kloster in der Tur Abdin-Region im Südosten der Türkei. Die Klosterschule ist von großer Bedeutung für die syrische Sprache und Kultur und für die kirchliche Ausbildung. Etwa zwei Drittel aller in der weltweit verstreuten Diaspora tätigen Geistlichen und Religionslehrer der syrisch-orthodoxen Kirche sind ehemalige Klosterschüler von Mor Gabriel.

Nach unserer Auffassung ignoriert der Kassationsgerichtshof in seiner jüngsten Entscheidung, dass das Kloster seinen Grundbesitz durch gültige Urkunden legitimieren kann, die noch von der Vorinstanz als Eigentumsnachweise anerkannt worden waren.

Unsere wachsende Besorgnis gründet auch darin, dass schon die lokale Forstbehörde, noch vor dem türkischen Schatzamt, das Kloster in eine kritische Lage gebracht hatte, indem sie Teile des Klosterbesitzes zu Waldgebieten erklärt hatte, die als solche angeblich in Staatseigentum stehen. Als Folge der Entscheidungen der türkischen Behörden droht nun, dass die Mauern abgerissen werden, die vom Kloster zum Schutz vor Übergriffen, Landraub und Abweidung errichtet wurden. Darüber hinaus sehen wir aufgrund des bisherigen Verfahrens die Gefahr, dass die haltlosen Anschuldigungen gegen das Kirchenoberhaupt Erzbischof Mor Timotheos Samuel Aktas und den Vorsitzenden der Klosterstiftung Kuryakos Ergün, sie hätten sich türkisches Staatseigentum angeeignet, auch noch strafrechtliche Konsequenzen haben könnten.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich das Ziel des Klosters, gegen dieses jüngste Urteil Einspruch zu erheben. Wir erwarten von der türkischen Regierung eine Lösung, die den rechtsstaatlichen Standards entspricht, die von allen Kandidaten für einen Beitritt zur Europäischen Union erfüllt werden müssen. Wir bitten die Bundesregierung, bei der türkischen Regierung vermehrte Anstrengungen anzumahnen, dass die Religionsfreiheit in der Türkei auch für Kirchen und Christen gewährleistet wird und die Grundlagen ihrer Existenz vom Staat nicht weiter zerstört werden.

Bonn und Hannover, 09. Februar 2011

Der Vorsitzende des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland
Präses Nikolaus Schneider


Der Vorsitzende
der Deutschen Bischofskonferenz
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch