Erfolgsmodell Deutschland

Wolfgang Huber

Glaube wird vielfältig. Der Islam sucht seinen Platz in der Gesellschaft. Ist das Recht darauf vorbereitet? Ja, sagt der Ethiker und Theologe Wolfgang Huber. Politik und Religion müssen es aber ausschöpfen.

Die christliche Theologie hat für die Verhältnisbestimmung zwischen Staat und Religion einen klaren biblischen Ausgangspunkt in dem sogenannten Zinsgroschenwort Jesu: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Matthäus 22,21). Die in diesen Worten angelegte Unterscheidung zwischen dem Politischen und dem Göttlichen ist maßgeblich dafür, wie das Verhältnis zwischen Staat und Religion in der kulturellen Überlieferung betrachtet und behandelt wurde, die wir mit Heinrich August Winkler als „den Westen“ bezeichnen. Zusammen mit dem Prinzip, dass der einzelnen menschlichen Person von Gott her ein unbedingter Wert zukommt, bildet diese Unterscheidung zwischen den Sphären des Politischen und des Religiösen die fundamentale Voraussetzung für die Ausbildung politischer wie religiöser Freiheit.

Für den Staat bedeutet dies, dass er Religion respektiert, ohne sich mit ihr zu identifizieren, dass er den Glauben achtet, ohne über ihn zu verfügen, dass er Glaubensgemeinschaften Raum gewährt, ohne sie in seine Abhängigkeit oder sich in ihre Abhängigkeit zu bringen. Die Neutralität, zu der er um der Religionsfreiheit willen verpflichtet ist, trägt deshalb, wie das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, den Charakter einer „offenen und übergreifenden, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernden“ Neutralität.

Für religiöse Institutionen bedeutet diese Unterscheidung, dass sie die ihnen anvertraute Botschaft verkündigen, komme sie gelegen oder ungelegen, dass sie für die göttlich verbürgte Würde des Menschen eintreten, auch wenn sie das in Konflikt mit herrschenden Mächten führt, dass sie sich dabei aber nicht staatliche Macht oder Art anmaßen, weil die ihnen anvertraute Wahrheit sich durch das Wort durchsetzt, nicht mit den Mitteln politischen Zwangs.

Die Religionsfreiheit ist nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus theologischer Sicht universal. Deshalb respektieren die christlichen Kirchen das Existenzrecht anderer Religionen, einschließlich ihres Anspruchs auf ein Wirken in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Dies war nicht immer so. Die uns heute selbstverständlich erscheinende Anerkennung der Religionsfreiheit als Menschenrecht ist in den christlichen Kirchen das Ergebnis eines langen historischen und theologischen Entwicklungs- und Lernprozesses.

Die christlichen Kirchen sehen in der Religionsneutralität des Staates eine notwendige Voraussetzung für die Gewährleistung der Religionsfreiheit. Diese hat ihre Bedeutung keineswegs nur darin, dass sie ein Minderheitenrecht ist, sondern stellt auch eine angemessene Antwort auf die heute zu beobachtende Pluralisierung von Religion dar. Die Verbindung zwischen Religionsfreiheit und staatlicher Religionsneutralität bildet auch heute eine tragfähige Grundlage für die Ausgestaltung des Verhältnisses von Staat und Religion.
 
Das Eintreten der christlichen Kirchen für die Religionsfreiheit als Menschenrecht gründet in der christlichen Glaubensgewissheit, um deretwillen der Mitmensch als Nächster geachtet und in seiner abweichenden Glaubensweise respektiert wird. Für Glaubende kommt es darauf an, von der eigenen Religionsfreiheit einen aktiven Gebrauch zu machen, aber ebenso die Religionsfreiheit anderer zu achten. Dazu gehört, dass Menschen sich erkennbar machen, also auch in religiöser Hinsicht „Gesicht zeigen“. Wo Menschen ihr Gesicht stattdessen verhüllen, ist eine offene gesellschaftliche Debatte über das Thema selbst weit dringlicher als die Diskussion über staatliche Verbote.
 
Die Religion meldet sich in verstärktem Maß auf der öffentlichen Bühne. Heute geschieht das allerdings so, dass wir die Pluralität von Religionen wahrzunehmen haben. Neuerdings verstärken sich im Blick auf die Integrations- und Demokratiefähigkeit der Religionen die skeptischen Stimmen. Diese Skepsis hat es im Kern mit der Frage zu tun, ob und wie der gegenwärtige Islam sich diesen Aufgaben zu stellen vermag. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat auf die mit der wachsenden Präsenz des Islam in unserem Land verbundenen Herausforderungen in den letzten Jahren mehrfach aufmerksam gemacht.
 
Die Konflikte verstärken sich dadurch, dass religiöse Überzeugungen und religionsbestimmte Verhaltensweisen keineswegs nur das private, sondern auch das öffentliche Leben betreffen. Der moderne Staat erwartet, dass dies in einer Form geschieht, die mit Pluralität vereinbar ist. Das nur möglich, wenn Toleranz als das Komplementärprinzip zur Religionsfreiheit akzeptiert wird.
 
Religiöse Toleranz in einem ernsthaften Sinn meint das Aushalten und Austragen von Differenzen in Anerkennung der Verbindlichkeit von religiösen Überzeugungen. Eine freiheitliche Gesellschaft, in der religiöse Überzeugungen ernst genommen werden, braucht eine wache, selbstbewusste Toleranz, die den Dialog einfordert, um gemeinsam Antworten auf die für alle wichtigen Fragen zu suchen, und bleibend unvereinbare Positionen auf diese gemeinsame Aufgabe bezieht.
 
Im Blick auf das bleibend Unvereinbare erscheint mir allerdings die Definition von Toleranz als unzureichend, die sich in der Charta der Toleranz der Unesco findet: „Toleranz bedeutet Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt, unserer Ausdrucksformen und Gestaltungsweisen unseres Menschseins in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt. Toleranz ist Harmonie über Unterschiede hinweg.“ Dem will ich entgegenhalten: Wo Harmonie herrscht, braucht man keine Toleranz. Als Toleranz lässt sich eher mit Nikolaus Knoepffler eine Einstellung bezeichnen, „wonach eine andere Überzeugung beziehungsweise Praxis zwar für falsch eingeschätzt wird, aber andererseits doch nicht für derart falsch, dass es nicht möglich wäre, diese Überzeugung und Praxis zu dulden“.
 
Zur Toleranz gehört aber auch der Widerspruch gegen Überzeugungen und Haltungen, die die Voraussetzungen der Toleranz aufheben, weil sie es an der Anerkennung der Personen und ihrer Würde fehlen lassen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, fundamentalistische Überlegenheitsbehauptungen oder die Rechtfertigung von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Überzeugungen oder Ziele sind Haltungen, die elementare Bedingungen von Toleranz negieren und deshalb auch ihrerseits keine Toleranz verdienen. Nicht nur von Staats wegen muss klargestellt werden, dass die offene, übergreifende Toleranz nicht die Förderung von religiösen Einstellungen meinen kann, die den Grundlagen einer solchen Toleranz feindlich gegenüberstehen. Sondern auch die Religionsgemeinschaften müssen sich darüber verständigen, dass die Inanspruchnahme von Religionsfreiheit Konsequenzen hat. Sie setzt nämlich das Ja zu den Bedingungen der Freiheit voraus.
 
Wenn der Staat seine Religionsneutralität nicht, wie in Frankreich, distanzierend-laizistisch, sondern offen, übergreifend und fördernd versteht, ermöglicht er die Wahrnehmung der Religionsfreiheit nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Raum, ohne in sie zu intervenieren. Da eine solche Religionsneutralität des Staates im wohlverstandenen Interesse der Religionen liegt, ist es ebenso in deren eigenem Interesse, dass Vertreter des Staates in der Bekundung ihrer religiösen Überzeugungen einem Mäßigungsgebot unterliegen. Das schließt für Vertreter des Staates – also auch für Lehrerinnen und Lehrer – die Selbstzurücknahme bei religionsbestimmten Handlungen wie dem Tragen eines Kopftuchs ein. Die Art, in welcher in Deutschland der Kopftuchstreit durch alle Instanzen getragen wurde, war in meinen Augen kein Dienst an der Religionsneutralität des Staates und damit auch nicht an der Religionsfreiheit.
 
Der säkulare Charakter des Staates ist auch von den Religionen als Bedingung gleicher Freiheit zu bejahen und zu respektieren. Das führt jedoch nicht zwingend zu der These, dass auch die Gesellschaft säkular ist. Vielmehr ist die Gegenwartsgesellschaft durch eine religiöse Pluralisierung gekennzeichnet, innerhalb deren die säkulare Option eine markante Rolle spielt. Markant ist sie vor allem deshalb, weil in Europa, vor allem auch in Deutschland, die Pluralisierung sich auf den antikirchlichen Charakter der neuzeitlichen europäischen Revolutionen sowie auf den Traditionsabbruch in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts aufgelagert hat.
 
Trotz der zum Teil dramatischen Entkirchlichungsprozesse der vergangenen Jahrzehnte ist es jedoch unzutreffend, wenn von der säkularen Option in der Gesellschaft auf einen säkularen Charakter der Gesellschaft geschlossen und dieser mit dem säkularen Charakter der staatlichen Rechtsordnung parallelisiert wird. Viel eher muss man eine Polarisierung des religiösen Bewusstseins in Rechnung stellen, die sich besonders in der jungen Generation zeigt, wie in diesen Tagen die 16. Shell-Jugendstudie deutlich gezeigt hat: Während – mit einem deutlichen Gefälle zwischen West und Ost – in der deutschgebürtigen jungen Generation nur eine Minderheit Religion als ein wichtiges Thema ansieht, handelt es sich bei der Mehrheit der Jugendlichen muslimischer Herkunft um ein Thema von hoher Bedeutung. Diese Polarisierung ist es vor allem, die dem Thema der Religion auch in unserer Gesellschaft neue Aufmerksamkeit verschafft. Wenn dies nicht zu einer Vorherrschaft fundamentalistischer Positionen und einer Abkehr vom freiheitlichen Geist der Demokratie führen soll, stellen sich den Religionsgesellschaften selbst, aber auch den öffentlichen Schulen große Bildungsaufgaben.
 
Dass es einen guten, in der Schule fest verankerten Religionsunterricht, den islamischen Religionsunterricht eingeschlossen, gibt, liegt im wohlverstandenen Interesse der Religionsgemeinschaften wie des Staates. Dafür ist es dringend zu wünschen, dass auch die Selbstorganisation des Islam sich dahin entwickelt, dass Religionsgemeinschaften ihn öffentlich vertreten und die Verantwortung für die Grundsätze übernehmen, nach denen islamischer Religionsunterricht erteilt wird. Denn es ist meine feste Überzeugung, dass ein ordentlicher Religionsunterricht auch für die Integration des Islam in das schulische Bildungsangebot der richtigere Weg ist als ein staatlich verantworteter Ethikunterricht für alle.
 
Ein Gutachten von Christian Waldhoff für den Deutschen Juristentag 2010 schließt im Unterschied zum Religionsunterricht einen Weltanschauungsunterricht an staatlichen Schulen aus. Soweit er nach Landesrecht zulässig ist, muss er an die strukturellen Voraussetzungen gebunden werden, die für den Religionsunterricht gelten.
 
Auch ist dafür Sorge zu tragen, dass er nicht mit einem staatlichen Ethikunterricht verwechselt wird. Wo verschiedene Unterrichtsangebote im Bereich Religion/Ethik nebeneinanderstehen, kommt es besonders auf deren Verhältnis zueinander an. Zu empfehlen ist die Einrichtung einer Fächergruppe mit projektorientierten Unterrichtsphasen.
 
Doch der Bildungsauftrag der Religionsgemeinschaften reicht weiter. Er ist umso unentbehrlicher, als alle Sozialisationsinstanzen es heute weit schwerer haben als früher; denn sie konkurrieren mit „heimlichen Erziehern“, unter denen die Massenmedien und ganz besonders das Internet eine beherrschende Rolle wahrnehmen. Es hat keinen Sinn, vor dieser Situation zu kapitulieren, sie muss vielmehr aktiv angenommen werden. Die christlichen Kirchen stellen sich deshalb gerade heute ihrem Bildungsauftrag auf neue Weise. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Kirchen in unserem Land zu den größten Trägern von Kindergärten gehören. Es ist kein Zufall, dass sich evangelische wie katholische Schulen einer größeren Nachfrage gegenübersehen, als sie an Schülerinnen und Schülern aufnehmen können.
 
Zu den Religionsgemeinschaften, von denen ein Beitrag zum gesellschaftlichen Ethos erwartet wird, gehören die Gemeinschaften des Islam. Dass der Islam in anderer Form organisiert ist als die christlichen Kirchen, ist zu respektieren; es ist aber kein Grund dafür, das geltende Staatskirchenrecht insgesamt umzustellen. Denn dieses lässt Raum für unterschiedliche Formen der Selbstorganisation von Religion. Die besondere Verfasstheit des Islam rechtfertigt nicht eine generelle Abschwächung der Möglichkeiten korporativer Religionsfreiheit sowie des korporativen Wirkens von Religionsgemeinschaften in der Öffentlichkeit. Wenn islamische Religionsgemeinschaften den Schritt zur Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht gehen wollen, so ist dies ihr gutes Recht.
 
Unabhängig davon ist die Erwartung berechtigt, dass Religionsgemeinschaften sich nicht nur äußerlich der Ordnung eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats fügen, sondern dass sie die Ordnung auch innerlich bejahen, wenn sie von der in ihr umfassend gewährleisteten Religionsfreiheit Gebrauch machen. Es ist deshalb nachzuvollziehen, wenn der Staat bei der konkreten Ausgestaltung seiner „fördernden Neutralität“ die Frage einbezieht, ob eine Religionsgemeinschaft die freiheitliche Ordnung bejaht, die Gleichberechtigung von Mann und Frau respektiert, die schulische Integration von Jungen und Mädchen fördert und so weiter. Doch unabhängig von solchen staatlichen Entscheidungen ist die Klärung der hiermit verbundenen Fragen zugleich ein notwendiges Element des interreligiösen Dialogs.
 
Zur korporativen Religionsfreiheit gehört auch das Recht, Moscheen zu bauen. Ich habe dieses Recht immer wieder bejaht, zugleich aber darauf hingewiesen, dass im Blick auf Zahl, Größe und städtebauliche Dominanz dieser Gebäude ein maßvolles, auf Dialog und Transparenz angelegtes Verhalten zu empfehlen ist. Es wäre gut, wenn eine Verständigung über solche Grundsätze die deutsche Antwort auf den schweizerischen Bürgerentscheid zum Minarettverbot wäre.
 
Eine gute Nachbarschaft zwischen den Religionen erfordert von ihnen selbst eine Kultur des wechselseitigen Respekts und des Streits um die Wahrheit; sie bilden die zwei Seiten aktiver Toleranz. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Islam in der deutschen Gesellschaft ist, wie vom Deutschen Wissenschaftsrat empfohlen, die Etablierung von islamischer Theologie an deutschen Universitäten zu fördern. Sie dient nicht nur der Erfüllung praktischer Ausbildungsbedürfnisse, sondern auch der Entwicklung einer religiösen Diskussionskultur.
 
An diesem Beispiel zeigt sich übrigens von einer weiteren Seite, dass Religion dem säkularen Staat nicht gleichgültig sein kann. Er hat auch das Recht und unter Umständen die Pflicht, Institutionen zu achten, die ihren Ursprung in der jüdisch-christlichen Tradition haben und vom jüdischen und christlichen Glauben her nach wie vor eine spezifische Sinngebung erhalten.
 
Dafür ist die Pflicht des Staates zum Schutz der Sonn- und Feiertage ein deutliches Beispiel. Dessen Aktualität ist im Zusammenhang mit der Liberalisierung der Ladenöffnung wieder ins Bewusstsein getreten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Dezember 2009 die bleibende Bedeutung des Sonntags als eines „Tags der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ (Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung) ausdrücklich bestätigt und dabei die Bedeutung dieses Tages im Zusammenhang der Religionsfreiheit ebenso hervorgehoben wie seine Bedeutung für die Familie, aber ebenso auch für die Demokratie.
 
Gewiss muss der staatliche Schutz für die Institution des Sonntags in einer Form erfolgen, die mit der Religionsneutralität des Staates vereinbar ist. Das ist so lange der Fall, wie der Staat nicht bestimmte religionsbestimmte Handlungen am Sonntag zur Pflicht macht. Aber zu den staatlichen Pflichten gehört es, dafür zu sorgen, dass Interessen von Kommerz und Konsum nicht den Vorrang erhalten vor der Wahrung der Religionsfreiheit, dem Schutz der Familie und der Förderung der Demokratie (deren üblicher Wahltermin bekanntlich der für die allermeisten arbeitsfreie Sonntag ist). Deshalb halte ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage für wegweisend.
 
Insgesamt geht es darum, dass die individuelle wie die korporative Religionsfreiheit mitsamt der religiösen Neutralität des Staates und der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Religion für das Gemeinwesen geachtet werden.
 
Ebenso notwendig ist, dass alle Formen einer religiösen Legitimation von Gewaltanwendung, von Herabsetzung Andersglaubender und anderen Formen von Diskriminierung überwunden werden. Darin liegen wichtige Folgerungen aus den Religionskonflikten unserer Zeit. Vorschläge zu einer grundlegenden Veränderung der verfassungsrechtlichen Rahmenregeln für das Verhältnis von Staat und Religion lenken von diesen Aufgaben dagegen eher ab.
 
Die evangelische Stimme
 
Den hier abgedruckten Text trug Wolfgang Huber an diesem Mittwoch dem Deutschen Juristentag in Berlin vor, der sich unter anderem mit der Notwendigkeit von Reformen des Staatskirchenrechts befasste. Huber ist einer der profiliertesten Repräsentanten der evangelischen Kirche und Vertreter einer Verantwortungsethik unter den Bedingungen der politisch und religiös pluralen Moderne. Er ist Mitglied des Nationalen Ethikrates und Verfasser des erstmals 1996 erschienenen Standardwerks „Gerechtigkeit und Recht - Grundlinien christlicher Rechtsethik“ (Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006). Von 2003 bis 2009 war Huber Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, von 1993 bis 2009 Bischof in Berlin. Nach dem Pfarramt ging er 1968 an die Universität Heidelberg, wechselte 1980 auf eine Professur für Sozialethik an die Universität Marburg und wurde 1984 Professor für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik in Heidelberg. Von 1983 bis 1985 war er Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages und 1989 Lilly Visiting Professor an der Emory University in Atlanta (USA). Rechtsethische Fragen begleiten ihn sein Leben lang. Er ist Enkel des Reichsgerichtspräsidenten Walter Simons und Sohn des im Nationalsozialismus führenden Staatsrechtlers Ernst Rudolf Huber. Wolfgang Huber gilt als einer der renommiertesten Kenner des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet wurde.

aus: Rheinischer Merkur vom 23. September 2010