Predigt im ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Elisabeth in Bonn: 50 Jahre entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche

Nikolaus Schneider

Es gilt das gesprochene Wort.

50 Jahre entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche
„Vertrauen auf die Kraft der Armen“

Predigt über Lukas 9, 10 – 17
 
„Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten.
Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida.
Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach.
Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften.
Aber der Tag fing an, sich zu neigen.
Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste.
Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen.
Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. Denn es waren etwa 5000 Mann;
Er aber sprach zu seinen Jüngern: Lass sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig.
Und sie taten das und ließen alle sich setzen.
Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte,
brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten.
Und sie aßen und wurden alle satt.
Und es wurden aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll.“


Liebe Gemeinde!
Eine Geschichte, die der jüdische Theologe und Philosoph Martin Buber uns überliefert hat, erzählt:

„Rabbi Bunam nämlich sagte zu seinen Schülern: Jeder von euch muss zwei Taschen in seiner Jacke haben, um bei Bedarf in die eine oder in die andere greifen zu können. In der einen Tasche liegt ein Zettel, auf dem steht: ‚Das Universum ist um deinetwillen geschaffen.’ Auf dem Zettel in der anderen Tasche steht: ‚Du bist Staub und Asche.’“

Manchmal scheint es mir, dass viele von uns nur einen dieser beiden Zettel bei sich tragen. Denn unsere Welt leidet daran, dass Menschen eine der beiden  Botschaften verabsolutieren.
Unsere Welt leidet, wenn einzelne Menschen sich in all ihrem Tun und Lassen nur auf sich selbst konzentrieren. Wenn sie sich zum Maß aller Dinge machen – zum „master of the universe“. Wenn Mitmenschlichkeit und solidarisches Teilen für sie nur leere Worthülsen sind.

Aber unsere Welt leidet auch, wenn Menschen ihre Bedeutungslosigkeit und ihre Ohnmacht verabsolutieren. Wenn sie kein Zutrauen haben zu sich selbst und zu anderen Menschen. Wenn sie sich stumm und tatenlos der Armut und dem Unrecht auf dieser Welt ausliefern.

Die Heilige Schrift will uns Menschen die Botschaften beider Zettel in unsere Herzen schreiben:
Zum einen: Wir Menschen können die Differenz zwischen Gott, dem Schöpfer und Herrn des Lebens, und uns Menschen, seinen Geschöpfen, niemals von uns aus überbrücken. Wir Menschen haben mit unserer „Natur“ Teil hat an der Vergänglichkeit alles Geschaffenen. Wir sind Staub und Asche.

Zum anderen aber: Das Gottesgeschenk der „Gottebenbildlichkeit“ ruft und befähigt uns Menschen zu Kreativität und Freiheit, um Verantwortung zu übernehmen für uns und für unsere Mitmenschen, für unsere Welt und für das von Gott geschaffene Universum. Gott will uns die Kraft schenken, Recht und Gerechtigkeit auf unserer Welt erfahrbar zu machen! Darum ist das Universum um unseretwillen geschaffen.

Beide Botschaften der Zettel gehören zusammen – so wie die menschlichen Reaktionen darauf:  Demut und Ehrfurcht vor Gott und Vertrauen auf Gottes Kraft, die in uns wirksam wird.
Jesus Christus hat in diesem Vertrauen gelebt und er hat in diesem Vertrauen Wunder getan.
Und Jesus Christus hat dieses Vertrauen seinen Nachfolgern weitergeschenkt.

Im Auftrag Jesu und im Vertrauen auf die Kraft Gottes waren die zwölf Apostel ohne Jesus von Dorf zu Dorf gezogen. Sie hatten den Menschen im Namen Jesu „das Reich Gottes gepredigt“ und sie hatten viele Menschen von „bösen Geistern“ und Krankheiten geheilt. Jetzt kommen sie zurück und erzählen Jesus „wie große Dinge sie getan hätten.“

Und dann werden sie erneut Zeugen, wie Jesus den Menschen Nahrung für den Leib und für die Seele gibt.

Jesus weiß, dass Menschen nicht nur geistige und geistliche Speise brauchen, sondern dass auch ihr Körper nach Nahrung verlangt. Damals galt und heute gilt: Die Armen, die Hungernden und die Entrechteten dieser Welt dürfen um Gottes willen nicht allein mit frommen Worten „abgespeist“ werden.  Gottes Heilshandeln hat den Körper und die Seele des Menschen im Blick.

Darum hat Jesus Christus damals zu den Menschen nicht nur „vom Reich Gottes gesprochen“. Jesus Christus hat die Menschen das Reich Gottes auch mit ihren körperlichen Sinnen erfahren lassen. Er machte „gesund, die der Heilung bedurften“ und er schenkte ihnen mit dem Speisungswunder leibliche Nahrung im Überfluss: „Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll.“
 
Menschen damals und Menschen heute können sich darauf verlassen, dass sie mit ihrer Seele und mit ihrem Körper auf Gottes Verheißungen trauen können.  Christlicher Glaube ist mehr als eine ästhetisch schöne Sonntagsliturgie.

Manchmal ist es gerade der Glaube der Armen, der uns daran erinnert, dass Gottes Kraft größer ist als die strukturelle Gewalt ungerechter Wirtschaftssysteme. Und dass im Namen Jesu auch vertraute Logik und vorgebliche Sachzwänge außer Kraft gesetzt werden können.

Vertrauen auf Gott war für Jesus Christus und ist bis heute für seine Nachfolger und Nachfolgerinnen auch das Vertrauen auf die Kraft Gottes, die in den Schwachen und Armen wirksam ist.

Menschen, die in der Nachfolge des Gekreuzigten und Auferstandenen leben, lassen sich nicht von dem augenscheinlich Wenigen, das sie haben, entmutigen. Sie sind Staub und Asche, aber sie heben ihre Augen „auf zum Himmel“. Sie danken Gott. Er hat in Jesus Christus sein ewiges Reich untrennbar mit unserer irdischen Wirklichkeit verbunden.  Im Vertrauen auf den Schöpfer, der das Universum zum Wohl aller seine Geschöpfe geschaffen hat, teilen sie Gottes Gaben,  sättigen andere und werden selbst satt – an Leib und Seele!

Dazu helfe Gottes Geist den Menschen dieser Welt, den Reichen und den Armen!

Amen