Statement anlässlich des "Religious Leaders Meeting" 2013 im Europäischen Parlament in Brüssel

Nikolaus Schneider

Sehr geehrte Herren Präsidenten,
sehr geehrte Damen und Herren Kommissare,
Eminenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es wichtig, den Menschen den Wert und die Werte des vereinten Europas deutlich zu machen. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass dieses Jahr zum „Europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger“ ausgerufen wurde.

In diesem europäischen Themenjahr wird deutlich, dass Europa keine abstrakte Größe ist, sondern es ist „unser“ Europa, das von Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet werden muss. An dieser Gestaltungsaufgabe beteiligen sich auch die Kirchen in Europa. Im Herbst letzten Jahres hat der Rat der EKD ein Wort zum europäischen Zusammenhalt veröffentlicht. Dieses Wort wollen wir in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bischofskonferenz und gemeinsam mit unseren europäischen ökumenischen Partnern fortschreiben und nächstes Frühjahr in Brüssel diskutieren.

Die Kirchen wollen sich in einem Dialog der Kulturen und Religionen zum Wohle Europas engagieren. Sie wollen einer der "Marktplätze" sein – wie es der deutsche Bundespräsident Gauck in seiner Europarede angeregt hat -,  auf denen Begegnung und Austausch möglich sind und eine neue Vision des gemeinsamen Projekts Europa gelebt wird.

Anfang des Monats fand in Hamburg der Deutsche Evangelische Kirchentag statt, zu dem wir auch unsere Partnerkirchen aus ganz Europa eingeladen hatten. Auf vielen Foren, in vielen Gesprächsrunden, ja selbst in Bibelarbeiten ging es auch um europäische Fragen und um aktuelle Probleme in der EU. Uns als Christinnen und Christen ist daran gelegen, auch in Krisen für Europa als Chance zu werben. Dazu gehört nicht nur, Strukturen und Entscheidungsprozesse zu überdenken, sondern auch darüber zu reflektieren, was Europa im Innersten ausmacht. Denn das Projekt Europa muss Bürgerinnen und Bürger einleuchten, wenn sie sich engagieren und für die gemeinsame Sache begeistern sollen.

2014 haben die Menschen in ganz Europa wieder die Möglichkeit, ihre Vertreter im Europäischen Parlament zu wählen. Wir ermutigen alle Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich dazu, dieses Wahlrecht wahrzunehmen und so den Lebensraum, der uns gemeinsam prägt, aktiv mit zu gestalten.

Mein Dank und Respekt gilt allen Reformschritten, die im Zuge der Bewältigung wirtschaftlicher und politischer Krisen die soziale Dimension im Blick hatten. Beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs im Juni wird es nun auch darum gehen, diese Dimension durch konkrete Maßnahmen erfahrbar werden zu lassen. Dieser Schritt ist unseres Erachtens überfällig. Kirchen treten dafür besonders ein, weil Gottes Wort sie in die Verantwortung ruft, Freiheit in sozialer Gerechtigkeit zu gestalten. Um des inneren Friedens und des Zusammenhalts in unseren Gesellschaften willen brauchen Bürgerinnen und Bürger in Europa jetzt das konkrete Signal: Europa tut etwas für Euch, wenn ihr unter der Wirtschaftskrise leidet! Nur wenn wirtschaftliche Freiheit mit sozialer Verantwortung in Europa verbunden ist, werden die Bürgerinnen und Bürger wieder zunehmend hinter dem europäischen Projekt stehen.

Ganz besonders wichtig ist uns Kirchen dabei die Jugend. Nicht nur in Südeuropa ist ein großer Teil der jungen Menschen ohne Arbeit und ohne berufliche Perspektive. Martin Luther schon hatte erkannt: ‚Wie der Vogel zum Fliegen, so ist der Mensch zur Arbeit geboren.‘  Deshalb verlieren Menschen ohne sinnvolle Arbeit ihr Selbstwertgefühl und werden in ihrer Würde beschädigt. Und damit wird auch ihre Fähigkeit beeinträchtigt, ein Gemeinwesen demokratisch zu gestalten. Die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ergibt sich gerade daraus, welche Perspektiven ihre Jugend hat. Es darf nicht sein, dass eine ganze Generation als „verloren“ gilt. Für die Jugendlichen braucht es kurzfristig wirksame Hilfe, aber auch langfristig wirksame Struktur-Reformen. Deshalb begrüße ich die Idee einer „Jobgarantie“ der Europäischen Kommission.

Gerade wegen dieser Ziele wollen wir als Evangelische Kirche in Deutschland im „Europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger“ die Erkenntnis vertiefen und verstärken: Europa geht uns alle an!