Grußwort des Präses der Synode der EKD, beim Empfang zum 25 jährigen Bestehen von „Zeichen der Hoffnung – Znaki Nadziei e.V.“

Jürgen Schmude

Frankfurt / Main

Für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und seinen Vorsitzenden, Präses Manfred Kock, sowie für die EKD-Synode grüße ich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Jubiläumsveranstaltung und ganz besonders diejenigen, die die Arbeit des Vereins „Zeichen der Hoffnung“ aufgebaut und über 25 Jahre getragen haben. Was dabei für Versöhnung und Frieden zwischen den Völkern Deutschlands und Polens geleistet worden ist, verdient herzliche Gratulation und großen Dank. Auf dem über Jahrzehnte hin oft mühsam verfolgten Weg, aus beiden Völkern friedliche und befreundete Nachbarn in einem einheitlichen Europa zu machen, hat „Zeichen der Hoffnung“ notwendige und in ihrer Qualität unverzichtbare Beiträge geleistet.

Die Ausgangslage in der Mitte des 20. Jahrhunderts war geprägt von einer deutschen Politik, die wie es in einer Erklärung polnischer und deutscher Katholiken zu diesem 1. September vor 13 Jahren heißt, von den primitivsten Kategorien der Menschenverachtung bestimmt war und in vermessener Weise die Zugehörigkeit zum eigenen Volk mit „Gut“ und die zum anderen Volk mit „Böse“ gleich setzte. Sie warf damit, ähnlich wie gegenüber den Juden, schier unüberbrückbare Gräben zwischen Polen und Deutschen auf und bewirkte eine tiefgehende Vergiftung der Beziehungen zwischen unseren Völkern. Die Saat des Hasses ist tausendfältig aufgegangen und diente der Rechtfertigung von Terror und Mord in unvorstellbaren Ausmaßen.“

Das haben wir erlebt, mit dieser Wirklichkeit hatten wir fertig zu werden. Als Kind habe ich vor dem Kriegsende eine Zeit lang im Warthegau gelebt und danach fast drei Jahre unter russischer und polnischer Herrschaft in der Stettiner Region. Angst hat damals meine Empfindungen beherrscht und Not. Später begriff ich, dass ich noch glücklich drangewesen war. Solche drei Jahre als Pole unter der deutschen Siegermacht zu leben, hätte weit schlimmer enden können. Zu überleben war Grund zur Freude und Erleichterung. Es ließ uns die Chance, aus dem Erlebten zu lernen und dem Verhängnis nicht länger freien Lauf zu lassen. Es musste Schluss sein mit den alten Feindschaften, Schluss mit der fatalistischen Erwartung, es habe immer Kriege gegeben und werde sie – auch bei uns – weiterhin geben. Das durfte nicht die Zukunft unseres Volkes sein. Unseren Kindern durften keine offenen Fragen und streitigen Rechtspositionen im deutsch-polnischen Verhältnis vererbt werden, die ersichtlich den Keim zum erneuten Streit in sich trugen. Das hätte ihnen die Straße zum Krieg ans Haus gelegt.

Die Wende zum Guten zu erreichen war schwer. Zeitweise ging das nicht ohne heftigste Auseinandersetzungen, ohne Verratsgeschrei und Hass. Aber es ist gelungen. Das Ergebnis wurde in unserem Volk breit akzeptiert und dankenswerter Weise auch in Polen. Der Warschauer Vertrag der Regierung des Bundeskanzlers Willy Brandt, die zahlreichen seither geschlossenen deutsch-polnischen Verträge und Vereinbarungen und dazwischen die völkerrechtlich verbindliche Klarstellung der Grenzen zwischen beiden Ländern, das alles hat Verbesserungen mit sich gebracht, von denen man früher kaum zu träumen gewagt hätte.

Die Politik allein hätte das nicht geschafft. Die Einsicht und das Engagement vieler Menschen in beiden Völkern stützten die verständigungsbereiten Politiker und machten – gegen alle früheren Festlegungen und Beschwörungen – neue Ansätze möglich. Christen und Kirchen in beiden Völkern haben daran überragenden Anteil, der inzwischen mehrfach auch von den politischen Kräften gewürdigt worden ist, die diese Bemühungen früher ablehnten. Die Ostdenkschrift der EKD traf 1965 in Deutschland auf Empörung und Feindseligkeit, aber auch auf die Dankbarkeit der vielen, die einen solchen Durchbruch von der Fest- und Fortschreibung alter Rechtspositionen zu einer neuen Versöhnung ersehnt hatten. Diese Haltung, durch den kirchlichen Zuspruch ermutigt und argumentativ gestärkt, hat sich durchgesetzt.

Es war nur konsequent, dass angesichts derart gewichtiger Anstöße aus den Kirchen, auch aus der katholischen Kirche und – im Rahmen des Möglichen – aus den Kirchen in der DDR, kirchliche Begegnungen Partnerschaften und Hilfsaktionen aufblühten und sich vermehrten.

Helmut Hild, Kirchenpräsident von Hessen-Nassau war in seiner Landeskirche und in der EKD von Anfang an eine lebendige Säule dieser Versöhnungsarbeit. Dem Verein „Zeichen der Hoffnung“ war er über lange Jahre als Kuratoriumsvorsitzender verbunden. Von Christen gegründet und getragen, hat „Zeichen der Hoffnung“ sich einer Gruppe von Menschen in Polen angenommen, die mehr als alle anderen Grund hatten, den Deutschen mit Angst und Misstrauen zu begegnen. Den vielen Ermordeten konnte man nicht mehr helfen. Den überlebenden KZ-Häftlingen in ihrer von schrecklichen Erinnerungen leidvoll geprägten und oft genug von materieller Bedürftigkeit eingeengten Situation sehr wohl. Natürlich, die ganz große Hilfe, wie sie durch die Entschädigungsleistungen und schließlich auch durch die Zwangsarbeiter-Stiftung gewährt worden ist und wird, konnte eine so kleine Gruppe nicht leisten. Immerhin hat sie sich schon früh nachdrücklich für die Entschädigung der KZ-Überlebenden und ehemaligen Zwangsarbeiter eingesetzt. Es waren solche und andere in unserer Kirche deutlich gewordenen Einsichten, die es der EKD und dem Diakonischen Werk nahegelegt und ermöglicht haben, einen großen Betrag in die Stiftung einzuzahlen.

Auch das war mindestens so sehr Zeichen wie materielle Hilfe. Die Bemühungen um die Ermittlung von Zwangsarbeitern aus kirchlichen Einrichtungen und deren Einzelentschädigung mussten sich ja anschließen. Aber auf Zeichen, glaubhaft in der wirksamen Hilfe für einzelne Menschen, kommt es an. Sie sind unverzichtbar, sie sind fruchtbar und haben manchmal gewaltige Bewegungen zur Folge.

„Zeichen der Hoffnung“ ist in diesem Sinne die 25 Jahre hindurch seinem im Vereinsnamen angekündigten Programm treu geblieben. Mit wachsender Leistungskraft und großem Ideenreichtum wurden immer weitere Hilfsmöglichkeiten erschlossen: in Einzelzuwendungen, in Einladungen an die Betroffenen in der Wohnungs- und Altenheimhilfe und sogar in der Übertragung des Modells „Essen auf Rädern“ nach Krakau. Zeichen für die deutsche Öffentlichkeit, zumal die kirchliche, kamen hinzu: in der ständigen Präsenz bei den Kirchentagen, manchmal gemeinsam mit dem Polnischen Ökumenischen Rat, in Ausstellungen und Konzerten, in Vortragsveranstaltungen und Tagungen.

Betrachtet man auf dem Hintergrund der alten Erfahrungen das heutige Verhältnis zwischen beiden Ländern und Völkern, dann wird beglückend klar, über wie vieles wir längst hinaus sind, wie viel Unglaubliches wir erreicht haben. Aus ist es mit der Feindschaft, Verbündete sind wir und der polnische Staatspräsident hält die Festansprache beim Rekrutengelöbnis in Berlin. Einladend offen und durchlässig ist die Grenze, zahllos sind die Begegnungen, die Partnerschaften, die Gemeinschaftsprojekte und die ganz persönlichen Hilfsaktionen deutscher Vertriebener für die heute in der alten Heimat ansässigen Menschen.

Der Euphorie dürfen wir nicht das Feld überlassen. Ungefährdet sind Versöhnung und Freundschaft nicht, und die immer noch offenen Fragen wie die immer noch vorhandenen Ängste haben es in sich. Man brauche, sagte der Staatspräsident Aleksander Kwasniewski dem EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Kock vor zwei Jahren, „kompetente Vertreter der deutsch-polnischen Versöhnung“. Ja, man braucht heute und noch für eine lange Zukunft den Verein „Zeichen der Hoffnung – Znaki Nadziei“ und die in ihm so wirkungsvoll aktiven Menschen.