Alles hat seine Zeit

Kirchen wehren sich gegen verfrühte Adventsstimmung

„Alles hat seine Zeit“ betonen zur Zeit eine Reihe von Landeskirchen und deren Leitende Geistliche. Sie weisen darauf hin, dass die Wochen im November zum Ende des Kirchenjahres gehören und mit Totensonntag, Buß- und Bettag ihr eigenes Thema haben und nicht schon mit Adventsmusik und Adventsangeboten überfrachtet werden sollten. Schon seit einigen Jahren führt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers die Aktion „Advent ist im Dezember“ durch, der sich vor zwei Jahren die Landeskirchen in Bayern, Württemberg und Baden angeschlossen haben. In diesem Jahr wird sich ich die Landeskirche in Schaumburg-Lippe an der Aktion beteiligen. In der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg wird zusammen mit der dortigen katholischen Diözese zum ersten Mal eine Aktion „Rettet den Advent“ gestartet. Außerdem gibt es in einigen Kirchengemeinden und Kirchenbezirke vergleichbare Aktionen.

Die Zeit im November habe eine deutlich andere Prägung als die Adventszeit, erläuterte der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, vor der bis zum Wochenende tagenden Synode der Landeskirche. Der Sog kommerzieller Interessen und die Freude an „Weihnachtsmärkten“ drohen diesen Unterschied zu verdrängen, warnt er zusammen mit anderen Bischöfen und Leitenden Geistlichen. Ziel der Aktion in Berlin-Brandenburg sei es, ein kritisches Bewusstsein zu wecken und dazu zu ermutigen, der voradventlichen Vermarktung zu widerstehen und sich die Vorfreude und die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest für die Adventszeit zu bewahren: „Dazu, dass der Advent Advent bleibt, gehört beides: dass wir die Vorfreude auf Weihnachten dort lassen, wohin sie gehört, und dass wir die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest nicht ersticken lassen im Klingeln der Kassen. Denn Geschenke, die wir zu Weihnachten vorbereiten, sind Zeichen der Freude, sie sind nicht der Grund der Freude. Der Grund der Freude besteht darin, dass Gott Mensch wird und dass die Zusage seines Friedens uns Menschen erreicht.“

Die Landesbischöfin von Hannover und Mitglied des Rates der EKD, Margot Käßmann, freut sich, dass die in ihrer Landeskirche gestartete Aktion weitergeht und immer größere Kreise zieht: „Wir setzen uns für die christliche Adventskultur ein und sind nicht gegen Geschenke, Lebkuchen und Weihnachtsmärkte! Im Gegenteil, wir freuen uns auf den Advent - zur rechten Zeit." Sie verbindet mit der Aktion die Hoffnung, dass der Advent wieder die Zeit wird, in der wir uns auf Weihnachten vorbereiten. Advent heiße übersetzt Ankunft, erklärt die Landesbischöfin. In der Adventszeit werde die Geburt des Gotteskindes vorbereitet. Wer schon im Sommer die Adventszeit herauf beschwöre, beschädige langfristig nicht nur die Kirchenjahresrhythmen, sondern zerstöre auch die heilsamen Rhythmen unseres Lebens. Wenn alles gleichzeitig und immer ist, gibt es keine Vorfreude, kein Warten können, keine Zeit der Trauer und keine Zeit der Freude mehr, dann sei alles gleichgültig.

Der bayrische Landesbischof und Mitglied des Rates der EKD, Johannes Friedrich, will die Menschen mit dieser Aktion ermuntern, die Adventszeit bewusst zu gestalten: „Es gibt viele wunderschöne Traditionen dieser Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten. Wenn bei uns zuhause an den Adventswochenenden musiziert wird, wenn der Adventskranz seinen Tannenduft verbreitet und die ersten Kerzen leuchten, dann spüre ich richtig, wie sich meine Stimmung verändert, wie sich die Vorfreude auf Weihnachten einstellt. Weihnachten ohne die Zeit der Einstimmung auf dieses wunderbare Fest wäre für mich undenkbar."

„Wenn die Lieder von der Weihnacht schon zu lang in den Ohren klingen, können wir die Botschaft des Christfestes nicht mehr aufnehmen, weil wir längst taub sind von den Wochen davor, erklärt der badische Landesbischof Ulrich Fischer. Feste gewinnen seines Erachtens an Bedeutung, wenn sie richtig vorbereitet werden. Das Geheimnis von Weihnachten könnten die Menschen deshalb besser verstehen lernen, wenn sie den Mut haben, den Advent bewusst zu gestalten. Sein Nachbarbischof Gerhard Maier aus der Evangelischen Landeskirche in Württemberg erinnert noch einmal an die besondere Bedeutung der Zeit im November: „Wir gedenken im November an Buß- und Bettag und Ewigkeitssonntag unseren Toten. Da ist es unpassend, dass während wir in den Kirchen die Kerzen für die Toten anzünden, vor der Kirche schon die Weihnachtsartikel verkauft werden." Er erhoffe sich von der Kampagne, die in Baden Württemberg von den beiden Landeskirchen und den beiden katholischen Diözesen gemeinsam durchgeführt wird, dass eine Bewusstseinsänderung beginnt. Ein erstes Echo auf „Alles hat seine Zeit. Advent ist im Dezember“ sei schon zu spüren: „Die Menschen werden nachdenklicher und sind dankbar, dass wir als Kirche zu diesem Thema Stellung beziehen."  Dabei will auch er nicht auf die besonderen Freuden der Vorweihnachtszeit verzichten: "Alles hat seine Zeit, auch Geschenke bekommen und Geschenke machen. Das soll uns auch nicht madig gemacht werden. Wir wollen jedoch dazu ermutigen, den Advent dabei bewusst zu erleben, damit schenken und beschenkt werden wieder etwas Besonderes werden." Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe beteiligt sich erstmalig an dieser Aktion. Landesbischof Johannes Johannesdotter versteht „die Kampagne als einen deutlichen und behutsamen Beitrag zur Wertediskussion in unserer Gesellschaft“. Er ist sich sicher: „Gleichzeitig sprechen wir damit vielen Gemeindegliedern aus dem Herzen, die sich einer zunehmenden Vermarktung religiösen Brauchtums ausgeliefert sehen."

Hannover, 13. November 2003
Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Hinweis:
Über die einzelnen Aktionen in den Landeskirchen und Kirchengemeinden können Sie jeweils in den Pressestellen der Landeskirchen näheres erfahren. Außerdem bietet im Internet eine Homepage zum Thema wichtige Informationen:

www.advent-ist-im-dezember.de