Jedes evangelische Abendmahl trägt ökumenischen Charakter

Erklärung des Rates der EKD zum Ökumenischen Kirchentag

Wenige Wochen vor dem ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin und wenige Tage nach der Veröffentlichung einer päpstlichen Enzyklika zur Eucharistie äußert der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei seiner Sitzung in Wülfinghausen seine Hoffnungen für das Treffen vom 28. Mai bis zum 1. Juni in Berlin:

„Ihr sollt ein Segen sein“

Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Ökumenischen Kirchentag

Wülfinghausen, 25. April 2003

Mit großen Erwartungen sieht der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf den Ökumenischen Kirchentag. Noch immer wächst die Zahl der Anmeldungen für dieses große Ereignis vom 28. Mai bis 1. Juni in Berlin.

Zum ersten Mal findet ein Ökumenischer Kirchentag statt. Die ökumenische Zusammengehörigkeit enthält für die christlichen Kirchen die Verpflichtung, dass sie ihrem gemeinsamen Bekenntnis zu Jesus Christus als ihrem Herrn und Heiland den Vorrang vor den unterschiedlichen Ausformungen ihrer Lehre und ihrer Ordnung zuerkennen. Das wird auch in der Unterzeichnung der „Charta Oecumenica“ deutlich werden. Dankbar blicken die Kirchen auf gefundene Übereinstimmungen, wie sie in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zum Ausdruck kommen. Zugleich bildet die Ökumene den Raum, in dem die Verschiedenheit der Kirchen sich so entfalten kann, dass die Kirchen voneinander lernen und ihr gemeinsames Zeugnis sich dadurch reicher entfaltet.

Der Ökumenische Kirchentag wird nach der Überzeugung des Rates der Ort sein, an dem die Kirchen und Christen gemeinsam die befreiende Botschaft des Evangeliums bezeugen und gemeinsam zum christlichen Glauben einladen. Er wird die öffentliche Bedeutung des christlichen Glaubens unterstreichen und zugleich das jeweilige Profil der beteiligten Kirchen deutlicher erkennbar machen. In der Pluralität der Stimmen, die auf ihm laut werden, wird er Grundlinien der christlichen Haltung zu aktuellen Herausforderungen sichtbar machen – vor allem zu Fragen des Friedens und des Umgangs mit dem menschlichen Leben, zum zusammenwachsenden Europa und zum Umgang mit Fremden. Im „Jahr der Bibel“ wird auf dem Kirchentag deutlich werden, dass die Bibel die gemeinsame Grundlage aller Kirchen ist und die biblische Botschaft auch für die Fragen und Herausforderungen von heute ihre Aktualität erweist. Viele Menschen werden in diesen Tagen persönliche Orientierung finden und ihren Glauben mit anderen feiern.

Den Gottesdiensten – vom Beginn vor dem Brandenburger Tor bis zum Abschluss vor dem Reichstag – wird eine herausgehobene Bedeutung zukommen. Nach evangelischem Verständnis haben Predigtgottesdienste den gleichen Rang wie Abendmahlsgottesdienste. Schon deshalb wird es beim Ökumenischen Kirchentag eine ungeteilte ökumenische Gemeinschaft im Gottesdienst geben.

Aber auch evangelische Abendmahlsgottesdienste haben eine ökumenische Dimension. In ihnen ist Jesus Christus unter Brot und Wein in seiner Gemeinde gegenwärtig. So hat es der Rat der EKD in seiner Schrift „Das Abendmahl“ vom Januar dieses Jahres unterstrichen. Jesus Christus ist zugleich die Gabe und der Geber dieses Mahls. Vor allem: Christus selbst ist der Einladende. Diese Einladung Christi ist wichtiger als alle konfessionellen Unterschiede im Amtsverständnis. Um dieser Einsicht willen sind zum evangelischen Abendmahl alle getauften Christen eingeladen, die nach der Ordnung ihrer eigenen Kirche zum Abendmahl zugelassen sind. Gerade für Christen, die in konfessionsverbindenden Ehen zusammenleben, ist das eine dringend gebrauchte und ersehnte Gelegenheit, in der Feier des Abendmahls nicht weiter getrennt zu bleiben. Die evangelische Kirche spricht diese Einladung ohne alle Aufdringlichkeit aus. Sie bedrängt damit die Gewissen derer nicht, die im Gehorsam gegen ihre eigene Kirche von der eucharistischen Gastfreundschaft, die ihnen gewährt wird, keinen Gebrauch machen möchten.

Diese Klarstellungen hält der Rat der EKD für notwendig, nachdem Papst Johannes Paul II am Gründonnerstag eine Enzyklika veröffentlicht hat, in der er eine eindringliche Darstellung der katholischen Lehre von der Eucharistie mit deutlichen Abgrenzungen verbunden hat. Diese in der Sache nicht neuen Abgrenzungen werden in der Enzyklika in schroffer Form vorgebracht; sie belasten die auf den Ökumenischen Kirchentag bezogene Diskussion. Der Rat der EKD erinnert darum an einen schon in seiner Abendmahls-Schrift entfalteten Sachverhalt: Die Heilige Schrift enthält keine Gründe dafür, die Gültigkeit des Abendmahls an ein Weihepriestertum in apostolischer Sukzession zu binden. Im evangelischen Abendmahlsgottesdienst leiten ordinierte Pfarrerinnen und Pfarrer die Feier des Heiligen Abendmahls in einer biblisch klar begründeten und verantworteten Form und stehen darin in Treue zu den Aposteln. Das Abendmahl können alle empfangen, die als getaufte Christen die Teilhabe an der Gegenwart Christi in Brot und Wein begehren. Jeder evangelische Abendmahlsgottesdienst trägt deshalb ökumenischen Charakter.

Die ökumenische Gemeinsamkeit der Kirchen wird sich auch dann verstärken, wenn deutlicher wird, worin bleibende Unterschiede bestehen. In dieser Überzeugung erwartet der Rat der EKD vom Ökumenischen Kirchentag Impulse, die weiter wirken. Deshalb sieht er diesem herausragenden Ereignis mit großen Hoffnungen entgegen und erbittet dafür Gottes Segen.

Wülfinghausen/Hannover, 25. April 2003

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Hinweis:

Der Rat leitet die EKD in allen Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich anderen Organen vorbehalten sind. Insbesondere soll er für die Zusammenarbeit der kirchlichen Werke und Verbände in allen Bereichen sorgen, die evangelische Christenheit in der Öffentlichkeit vertreten und zu Fragen des religiösen und gesellschaftlichen Lebens Stellung nehmen. In der Regel geschieht dies entweder durch kurzfristige, aktuelle Stellungnahmen oder in Form von Denkschriften, Studien, Diskussionsbeiträgen und Grundsatzerklärungen. Dem Rat der EKD gehören für sechs Jahre 15 Mitglieder an. 14 werden gemeinsam von Synode und Kirchenkonferenz gewählt. Der Präses der Synode ist kraft seines Amtes 15. Mitglied des Rats. Im Rat sitzen sowohl Theologen wie auch Vertreter anderer Berufe. Aus der Mitte der gewählten Ratsmitglieder bestimmen Synode und Kirchenkonferenz wiederum gemeinsam den Vorsitzenden des Rates und dessen Stellvertreter. Der Rat tagt etwa einmal monatlich. Geschäftsstelle des Rates ist das Kirchenamt der EKD (http://www.ekd.de/rat ).

Weitere Informationen zum Ökumenischen Kirchentag http://www.oekt.de/