Predigt zur Appold-Ausstellung Ton - Wort- Farbe, Kirchenamt der EKD, Hannover

Tom O. Brok

Liebe Hausgemeinde,
wie ergeht es Ihnen mit der Ausstellung "Ton Wort Farbe"? Seit 7 Tagen hängen die 53 Variationen zum Gottesdienst unter uns. Und egal, ob Sie morgens aus der Tiefgarage oder durch den Haupteingang den Weg zur Zeituhr nehmen, Sie werden begrüßt von dem Titelbild der Ausstellung. Wir haben es vor Augen! Uwe Appold malt auf der Grundfarbe des Glaubens, dem Blau, drei Quadrate. Sie sind fast gleich, aber doch unterscheidbar in Form und gold-gelb-weißer Farbe. Sie tragen je einen aufgebrachten Kreis, das Symbol des Himmels. Es ist das "Ehre sei dem Vater", mit dem auch wir das Psalmgebet gerade beschlossen haben.



Wer das Haus morgens durch den Haupteingang betritt, kommt zur Rechten an einer Gruppe von Bildern vorbei, die in recht plakativen Formen das Abendmahl und den Schlussteil unseres Gottesdienstes beschreiben. Mir fiel in den letzten Tagen immer das Bild zum Vaterunser auf. Den Tag mit diesem Gebet zu beginnen - das ist ein guter Start. Ein Bild auf fast blauen, etwas violettem Hintergrund. Die Farbe des Glaubens kennen wir bereits. Ein goldenes Quadrat auf diesem blauen Grund. Dieses Quadrat findet sich bei allen Bildern Appolds wieder, die das Beten zum Thema haben. Auf dem Quadrat in gleicher Farbe ist ein dicker Kreis aufgebracht. Im schnellen Vorbeigehen war mein erster Gedanke: das Vaterunser als Rettungsring. Aber weit gefehlt: Wer einmal stehen
bleibt, kann lesen: "Mit dem Beten ist es wie mit dem Schwimmen, man lernt es erst, in dem man es tut."

Sie haben vermutlich alle eine kleine 7-tägige Geschichte mit den Bildern. Und sei es nur, dass man sich vorgenommen hat, einmal vor ihnen stehen zu bleiben. Aber denken Sie dran: Zeit vergeht schnell und der 30. Januar kommt bald.

Liebe Hausgemeinde, die Farbe Gelb macht sich in der Welt zur Zeit ganz schön rar. Vielleicht war es dies, das meine Intuition beeinflusste, als ich eines Nachmittags durch die Ausstellung streifte, um ein Bild für die Andacht auszusuchen. Es gibt dieser Tage nur wenige Momente, an denen sich ein gelber-heller Sonnenstrahl durch das Dickicht der Wolken zwängt. Gestern war so ein Tag. Aber das Helle oder das Gelbe hat sich eher zurückgezogen; es scheint auf andere Zeiten zu warten, in denen es wieder wärmer wird. In der Epiphaniaszeit besingen wir eben noch nicht die güldne Sonne, sondern den hellen Morgenstern, der am noch dunklen Himmel das Angekommensein des Lichts verkündet. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir: Nach Weihnachten könnte es ruhig ein wenig schneller gehen - mit dem Frühling, mit dem Licht, mit der Wärme, mit der Sonne. Das Licht ist doch angekommen. Wer nun nicht gerade in den Skiurlaub fährt und sich im gleißenden Licht des Gletschers einen prächtigen Sonnenbrand holt, der bleibt unter den dunklen oder sehr wechselhaften Wolken Norddeutschlands. Das Helle, das Gelbe macht sich im Moment ganz schön rar. Da machen wir uns halt helle Gedanken.

Uwe Appold, Designer, Bildhauer, Maler. Wo wir Protestanten es doch nicht so sehr mit den Farben haben, bringt er die Farben in die Kirche. Er hat sein Atelier im Museumsdorf Unewatt in Schleswig-Holstein. Geboren aber in Wilhelmshaven. Echt Norddeutsch. Er arbeitet viel für Kirchengemeinden, fertigt liturgisches Gerät. Und ist bekannt als ein Mann für die großen Flächen. Ein großformatiger Zyklus zur Apokalypse mit 39 Bildern. Elia in 24 Bildern. "Sieben Kreuze zu den letzten Worten". Seine Werke hängen oft in Kirchen, er tritt in den Dialog mit dem Raum. Er scheut brisante Themen nicht und verhüllte bei uns in Wilhelmshaven die Gedenktafeln an die Kriegsopfer mit großen Bettlaken aus Feldlazaretten. Das war Diskussionsstoff für eine Gemeinde, in der um die Gestaltung einer Garnisonkirche gerungen wird. Und nun 53 Variationen zum evangelischen Gottesdienst.

Diese Reihe beschreibt nicht nur die einzelnen liturgischen Elemente. Sie bezieht auch den Kirchenraum mit ein. Der Chor, die Kanzel und der Opferstock am Ausgang sind ebenso zu finden, wie das Kyrie, das Glaubensbekenntnis oder der Segen. Der Zyklus buchstabiert unseren Gottesdienst einmal durch. In Ton, in Wort und in Farbe. Er buchstabiert ihn einmal durch anhand von Chorälen. Mit dem Anspruch, so schreibt es der KDA Nordelbien im Vorwort, so erkläre sich der Gottesdienst aus sich selbst heraus. Fragezeichen!

Der Zyklus ist eine Gemeinschaftsproduktion. Am Anfang war das Wort. Prof. Schwarzwäller schrieb die Texte zu den einzelnen Stationen und wählte einen Choralvers aus. Uwe Appold ließ sich anregen von dem Text und der Musik. Nicht einfach, indem er die Motive direkt malte. Er wandte das Phänomen der "Synästhesie" an, ich will es gleich übersetzen: Synästhesie, die Mitempfindung. Es gibt Menschen, die Tasten mit den Fingern und es stellt sich ein Geruch ein oder hier: Menschen hören Töne und sehen dabei Farben: farbiges Hören. Appold erzählte mir am Telefon, dass er durch dieses Phänomen der Mitempfindung zu Farbkombinationen kam, die er zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Stehen wir vor seinen Bildern, können wir fast nicht anders, als den Prozess des Schaffens umzudrehen. Wir lesen vermutlich zunächst die Überschrift, dann die Farben und vielleicht auch noch den Text. Wir sind durch das Gelb vermutlich schon so voreingenommen, dass es zu keiner Mitempfindung kommen wird. Aber lassen Sie uns die Strophe singen, die Appold vorgegeben war. Der Liturg spricht beim Gruß: "Der Herr sei mit euch" Die Gemeinde antwortet: "und mit deinem Geiste." Gott ist gegenwärtig, Lied 165,1.



Liebe Hausgemeinde,
ein paar Verstehenshilfen zu Formen und Farben seiner abstrakten Malerei möchte ich geben. Uwe Appold malte alle 53 Bilder auf quadratischem Grund. Das Quadrat beschreibt die vier Himmelsrichtungen. Es ist das Symbol der Erde. Der quadratische Untergrund trägt die Farbe weiß, die Christus-Farbe. Der Grund allen Gottesdienstes. Von oben rechts bricht sich das Gelbe des Lichts seine Bahn. Das Licht reicht aber nicht bis zum unteren Bildrand. Der liturgische Gruß ist recht kurz und gelb ist eine schnelle Farbe. Über allem ist ein Rechteck angebracht. Es weist leicht über das Quadrat hinaus. Es erinnert an Formen aus dem Titelbild. Appold spielt hier auf Golgatha an. Aber das Kreuz ist ganz erfüllt von der gold-gelben Farbe des Lichts. Ein kleiner Strich unten rechts erinnert in der Farbe rot an das Leiden Christi. Doch konnte Appold  diese Anspielung anscheinend nicht ohne das Orange stehen lassen. Orange eine Farbe der Freude und des Festes. Ob Gold-gelb oder weiß. Es sind die beiden Farben, die dem Licht am nächsten sind und die dem Bild den Grundton geben. Für mich ist es ein ausgesprochenes Osterbild. Von Ostern her feiern wird Gottesdienst.

Was für ein Raum füllendes Geschehen der Gruß zwischen dem Liturgen und der Gemeinde im Gottesdienst ist, muss ich nicht mehr sagen. Man sieht es. Gott ist der Gastgeber und wir sind eingeladen. In seiner Gegenwart zu seinem Lob zu singen, sein Wort zu hören und in Gemeinschaft seine Gemeinschaft zu feiern. Wenn sich der Liturg das erste Mal zur Gemeinde wendet, spricht er oder sie den Gruß. Oft am Beginn des Gottesdienstes. Er hat seinen Ort im Abendmahl. Wir kennen ihn auch in der Form des Friedensgrußes. Biblisch ist er reichlich belegt. Gerade in den Briefen des Neuen Testaments. Der Gruß ist nicht eine herkömmliche Begrüßung. Er ist eine ganz persönliche Fürbitte. Er ist eine Segnung. Ein Dialog. Schwarzenwäller schreibt in seinem Text: "Da grüßt, wer für uns Liturgie und Verkündigung ausführt mit dem Wunsch, somit möge nun Gott auch bei uns sein. Wir [die Gemeinde] geben den Wunsch in abgewandelter Form zurück: Der Herr sei mit euch und mit deinem Geiste." Der Gruß verheißt Gottes Gegenwart. Der Segen schließt mit der Verheißung seines Friedens. Gruß und Segen - beide gehören zusammen. Beide haben bei Appold dieselben Farben.

Mit dem Kreis rechts hat Appold ein Himmelssymbol auf das Quadrat der Erde aufgebracht. Das Geschehen umspannt alle Dimensionen. Der Kreis ist violett, violett bildet im Farbkreis den größten Kontrast zum Gelb. Mir scheint, umfassender kann man das Geschehen nicht darstellen. Wer will entdeckt noch mehr. Entdeckt vor allem Christusbezüge, die sich durch alle Bilder hindurchziehen.

Entstanden ist vielleicht so eine Art Reiseführer durch unseren Gottesdienst. Ein Reiseführer, der kirchliches Leben an ungewöhnlichen Orten sichtbar machen will. Stellen wir uns den Zyklus mit seinen teils abstrakten teils plakativen Bildern nicht im Kirchenamt vor, sondern in einer Bank, in einem Einkaufszentrum, in einem Krankenhaus ...

Wir wissen, wie es bei vielen Menschen um die Kenntnisse der Formensprache des Glaubens und der Kirche bestellt ist. Hier Zugänge zu eröffnen ist eine große Aufgabe. Manchmal kann es nicht einfach genug sein. Manchmal "reicht" es, ein Geheimnis zu transportieren. Wünschen wir diesem Reiseführer in Ton, Wort und Farbe Glück! Wünschen wir unseren Gottesdiensten, dass spürbar wird, dass wir in der Gegenwart des Auferstandenen feiern. Und hoffen wir, dass nicht zu viele das Reiseziel Gottesdienst als zu exotisch empfinden.

Liebe Hausgemeinde,
Der liturgische Gruß ist keine herkömmliche Begrüßung. Aber von ihm fällt ein Licht auf unsere Grüße. Nehmen Sie ihn und das helle Licht-Bild von Uwe Appold doch einfach mit in diese Woche. Unser "Guten Morgen" oder "Moin moin" bekommt vielleicht so einen neuen Klang. Auch wenn sich das Gelbe und das Helle noch ganz schön rar machen. Christus sprich: Ich bin der Licht der Welt. Unser Alltag steht unter der Verheißung und Zusage von seiner Gegenwart und seines Friedens. Wir leben von Ostern her. Von Ostern her fällt helles und warmes Licht in unser Leben. Wenn Sie heute jemanden begrüßen, dann haben Sie es doch einfach im Hinterkopf - dieses kurze, aber grundlegende Geschehen unseres Gottesdienstes, bei dem sich Liturg und Gemeinde gegenseitig grüßen: "Der Herr sei mit euch" - [Gemeinde antwortet vielleicht spontan:] "und mit deinem Geiste." Amen