„Dessauer Theaterpredigt“ zu Richard Wagners „Parsifal“, St.-Johannis-Kirche, Dessau

Petra Bahr

Nach fünf Stunden kommt die Erlösung. Die Weltwunde ist geschlossen. Die Ritter schmeißen erleichtert die Rüstung fort. Endlich dürfen sie normale Menschen sein. Mit Schlips und Kragen, wie Bankbeamte oder Oberkirchenräte. Oder wie Opernbesucher. Und wir in unseren schicken Kleidern dürfen es auch. Wir dürfen sogar das Brot mit ihnen teilen. Die Körbe reichen in Richtung des Publikums. Wir sind nicht mehr ausgeschlossen. Endlich gehören wir ganz dazu, zu den Erlösten. Mühsam finden wir uns in den Theatersitzen wieder. Mit steifen Knien und schiefem Rücken fallen wir aus einer anderen Welt, die sich nur langsam entfernt. Die Zeit hat uns wieder. Von links hinten schleicht sich ein alltäglicher Gedanke ein. Ein kleiner Ärger macht sich breit über den, der da zu früh applaudiert hat. Hunderte menschlicher Kreaturen entladen ihre Spannung im rhythmischen Klatschen der Hände. Sie haben einen Leib. Die Künstler haben Schweiß auf der Stirn und Glanz auf den Augen. Auch sie sind erlöst. Alles ist gut gegangen. Glückshormone schwirren durch den Raum. Eine überraschende Energie liegt über dem Theater. Von Müdigkeit keine Spur. Mehr Erlösung war nie.

Das ist nicht erst seit gestern Abend so. Schon bei der Uraufführung des Parsifal 1882 in Bayreuth geht es Richard Wagner darum, über dem „wahrtraumhaften Gebilde der Oper die wirkliche Welt des Truges zu vergessen“. So sagt er es selbst. Die wirkliche Welt ist Trug und die Welt auf der Bühne wie ein wahrer Traum. Das ist ein Paradox, das nicht schwer zu verstehen ist. Noch haben wir die Tagesschau im Kopf und den Ärger mit dem Freund, den bösen Brief vom Finanzamt und das Gefühl, wieder einmal alles falsch gemacht zu haben. In uns nagen der Neid und das Schuldbewusstsein und die Sorge. Wir kommen aus einer Welt, in der Babys tot in Rucksäcken an Waldwegen liegen und Menschen auf dem Weg zum Markt von Bomben zerfetzt werden. Wir kommen aus einer Welt, in der es zu viel verlangt scheint, jemanden um Verzeihung zu bitten oder eine Boshaftigkeit zu unterlassen. Von dieser Welt fühlen wir uns betrogen. Als säßen wir im falschen Film. Ein Trugbild, gemessen an dem, was wir uns unter echtem Leben vorstellen. Ja, was eine Weltwunde ist, wissen wir. Und wir spüren sie, an manchen Tagen. Sie pocht, als hätten wir uns selbst an der Welt die Haut blutig gerissen. Wagner hat diesen Wundschmerz erlitten. Deshalb will er mit seiner Oper nicht weniger als „das wahrhafte Abbild der Welt selbst als Erlösung, als weissagende Mahnung ihrer innersten Seele“ verkünden. Wenn man diese Worte aus dem Munde des Komponisten hört, ist man versucht, zu fragen, ob die Theaterpredigt nicht gestern Abend stattgefunden hat.

Im Parsifal imitiert die Oper nicht die Religion. Sie gibt sich auch nicht zufrieden mit dem, was kluge Geister einmal Kunstreligion genannt haben. Ein erhebender Kunstgenuß, der an die Grenze des Absoluten führt und so klammheimlich an die Stelle der Religion getreten ist. Wie das bürgerliche Musiktheater, von dem böse Zungen behaupten, es sei der Gottesdienst für die Kulturprotestanten geworden. Der Parsifal Wagners will mehr. Er will selbst Religion sein. In dieser Oper macht Wagner das Religiöse nicht nur zum Thema, er stellt es selbst dar. Ein „Bühnenweihfestspiel“ will seine späte Oper sein. Ein Mysterienspiel, ein Passionsspektakel. Auf der Bühne vollzieht sich eine Wandlung, und wir sind mitten drin im heiligen Ritual, im Akt einer Bekehrung – in einem Zwischenraum zwischen Kunst und Kirche. Das zentrale Symbol des Bühnenraums ist ein Kruzifix. Für Christinnen und Christen ist dieser Anspruch nicht leicht auszuhalten. Ist dieser Anspruch nicht unverschämt, ja geradezu blasphemisch?

Wagner spielt nicht nur grandios mit den Versatzstücken des Christentums und der abendländischen Erzählungen. Er will selber heilen. Sein Bühnenraum wirkt sakral. Und sein Weltheilmittel ist die Musik. Musik, das kleine Wort wäre noch eine Übertreibung. Ein „Gesamtkunstwerk“ will er schaffen, ein Drama, das den ganzen Menschen überwältigt. Mit Augen und Ohren, mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele. Ein Spektakel, das die ganze Welt zum Erschauern bringt. In der Oper soll sich vollziehen, wovon sie spricht: die Verwandlung der Menschenseele. Sein Anliegen ist unverschämt und hat doch nichts an Faszination verloren. Auch über ein Jahrhundert später nicht. Viele haben den Komponisten deshalb selbst wie einen Heiland gefeiert. Und sie haben ihn für ihre Heilslehren missbraucht. Wagner, dem Hitler, sein glühendster Verehrer, posthum das Anhaltische Theater baute. 1938, als das Weltgebäude sich allmählich in ein Totenhaus verwandelte. Und Wagner hat das Seine dazu beigetragen, dass der grüne Hügel in Bayreuth bis heute wie ein Kultort verehrt wird. Das polarisiert. Wagner nötigt zu Bekenntnissen. Unbeteiligte reiben sich verblüfft die Augen, wenn das Feuilleton die Diskussion um die Nachfolge auf dem grünen Hügel so kommentiert, als gäbe es noch ein Priestergeschlecht – ein reichlich degeneriertes zwar, ein Priestergeschlecht aus verirrten Ehefrauen, schwachen Vätern, widerspenstigen Söhnen und zickigen Töchtern, eines, in dem der oberste Priester das eine Kind verwirft und das andere nach Kräften fördert. Und ein Priestergeschlecht, das ganz am spätmodernen Dilemma teilhat: Nur die Töchter sind stark genug, die Nachfolge des Vaters anzutreten. Und die Töchter, die bei dem Erbfolgestreit im Rampenlicht stehen, gleichen den Frauen Richard Wagners auf verblüffende Weise. Sie sind die Figuren, die wahrhaft faszinieren. Der eine oder die andere mag sie kennen, jene unverbesserlichen Wagnerfans, die sich ungeniert „Jünger“ nennen. Nette und verständige Zeitgenossen, die sich wie exaltierte Teenager benehmen, wenn die Rede auf den großen Komponisten kommt. In dickleibigen Wälzern versuchen kluge Leute seit hundertfünfzig Jahren, dem Geheimnis dieser Kunst auf den Grund zu gehen. Mit Aggression und beißender Kritik, aber auch mit leidenschaftlicher Unterwerfung.

Die Geschichte der Wagneropern und ihrer Freunde verstellt oft den Blick auf die Opernbühne. Wir wissen zu viel. Lassen Sie mich deshalb, liebe Gemeinde, einmal so tun, als gäbe es diese Geschichte nicht. Lassen Sie mich so tun, als hätte ich niemals ein Buch über Wagner gelesen und nie eine Wagneroper gehört. Ich lade sie ein, das gleiche zu tun. Damit kommen wir dem Parsifal schon näher. Nur wer mitleidet, kommt zur Erkenntnis. Nur wer die intellektuelle Distanz aufgibt, nur wer den Sprung des Glaubens wagt, nur wer sich in den Klangraum stürzt, des Herz und Sinn gerät in Bewegung. Das ist ein zentraler Gedanke. Und ein sehr reformatorischer dazu. Mit angelesenem Wissen erreichen wir die Faszination der Oper nicht. Kein Opernführer, kein Musikunterricht und keine Belehrung durch Wikipedia können uns erklären, wie Wagner uns in seinen Bann zieht. Erst wenn wir werden wie Parsifal, erst wenn wir uns wie die Kinder in das Abenteuer des Sehens und Hörens stürzen, erst dann erreicht die Oper ihr Ziel: den Zustand, in dem wir selbst uns in den Raum der Musik ziehen lassen, in der das Zeitgefühl so ausgesetzt ist wie der distanzierte Verstand.

Nun ist jeder Opernbesucher und jede Opernbesucherin auch eine kleine Kritikerin. Und im Parsifal haben die kundigen Christenmenschen seit der Uraufführung 1882 ihre Stunde. Die christlichen Motive wollen nicht erst mühsam erschlossen werden, sie drängen sich geradezu auf. Karfreitag und Heilandsklage, Totenritual und Abendmahl, Fußwaschung, Salbung und Taufe. Maria Magdalena und Judas, die Assoziationen überschlagen sich. Auch die Musik kommt uns bekannt vor: Anspielungen auf die Abendmahlspräfation und auf das Dresdener Amen, liturgische Einstimmigkeit und choralartige Momente. Dazu kommt nun die Geschichte vom Gral und den Rittern der Tafelrunde. Kaum eine Geschichte hat die Botschaft des Christentums so weit in die Popularkultur hinausgetragen wie die Arthussage um das heilige Schwert. Und kaum eine Geschichte hat so viel Häretisches, Blasphemisches und Aberwitziges gebunden.

Fast könnte man sagen, dass alles, was im offiziellen kirchlichen Christentum seit dem 12. Jahrhundert nicht gedacht oder gesagt werden durfte, in diesem Mythos aufgehoben ist. Eine geniale Strategie, die dazu führte, dass die kirchliche Lehre nicht ganz aus den Fugen geriet. Mit musikalischer Finnesse und einer Obsession für starke Bilder wird erzählt. Die wahren Enkel Wagners sitzen auf den grünen Hügeln in Hollywood! Wagner dramatisiert im Parsifal seine Version der Erlösung ohne den Anflug dramatischer Spannung. Die Musik zieht die Zeit bis ins Unendliche. Worte werden dieser Version allerdings kaum gerecht, denn das eigentliche Abenteuer der Erlösung erklingt in der Musik. Die Musik schenkt uns ihr Geheimnis, aber sie erklärt es nicht. Wir müssen uns ihr ausliefern. Und je mehr Übung wir darin haben, desto mehr lässt sich entdecken. Über die Motive, die Bilder und die Erzählfragmente lässt sich viel sagen, aber die eigentliche Predigerin der Wagnerschen Erlösungsbotschaft ist die Musik.

Mit ihr ist Richard Wagner angetreten, die Welt zu erlösen. Er hat einen unbarmherzigen Blick auf die Zeit, die auch nach über hundert Jahren noch der unseren gleicht. Geld regiert die Welt, der Nutzen ist unser Gott und die Maximierung des Gewinns das Kriterium fürs höchste Gut. Der Mensch zählt nur so viel, wie er nutzt. Beflissen erstickt er seine Sehnsucht nach Sinn in Arbeit. Völlig erschöpft sucht er dann Entspannung in der Zerstreuung, die dem ermatteten Geist am Fragen hindert bis noch der letzte Schmerz an der Welt betäubt ist. Zum Leben fehlt jede innere Kraft. Richard Wagner widert seine Zeit an. Hochaktuell ist seine Diagnose, im Kaufen läge die eigentliche Diesseitsreligion und im „ruchlosen“ Optimismus die Sünde zum Tode. Diese Welt ist für Wagner nur eine schäbige Kulisse des wirklichen Lebens, das unwiederbringlich verloren scheint. Aber diese Welt erschüttert ihn auch. Und sie treibt seine unbändige Schaffenskraft an. Der Komponist schreibt seine Noten gegen seine eigene Weltverachtung. Er sucht Erlösung. Wagner will aber nicht nur die Welt erlösen. Er will auch die Religion retten. Oder zumindest das, was er ihren Kern nennt. Nicht nur die Welt ist Lug und Trug. Auch die Kirche hat ihren Anspruch verloren, den Geist der Religion glaubwürdig zu vertreten. Ein ungeheuerlicher, ein faszinierender Gedanke. Wagner hat sich darüber auch schriftlich ausgelassen. Zwischen abstrusen, rassistischen und antisemitischen Versatzstücken finden sich immer wieder Gedanken, die seinen unverschämten Anspruch nachvollziehbar machen. Das Christentum sei künstlich geworden, sagt Wagner mit dem Chor der Kirchenkritiker seiner Zeit. Nur leblose Dogmen und eine verzweifelte Moral aus Regeln und Verboten seien noch übrig. Aber das Herz der Christen bleibe kalt. Diese künstliche Kirche findet in der Ritterrunde ihr Bild. Uniformiert und besessen vom Leben aus dem Gesetz verpassen die Auserwählten gerade das, was sie so verzweifelt suchen. Die Erlösung. Ihre Abwendung von der Welt, ihre hochnäsige Art, sich als etwas Besseres zu fühlen, wird ihnen zum Fallstrick. Sie sind verführbar und selbstgerecht. Unerlöst. Die aufgeklärte Kritik am äußerlichen Christentum mag man wegwischen. Ja, oft ist die Kritik an der Kirche oberflächlich, banal und von himmelschreiender Unkenntnis. Doch die Frage, ob unser Herz von der Botschaft der Erlösung noch berührt sei, ist die Kernfrage, die auch die Reformatoren an die Kirche hatten. Sie gilt bis heute. Wir können sie uns auch durch Wagner stellen lassen. Richard Wagner kann sich hier mit den Propheten in einer Reihe wissen. Nicht das äußerliche Gesetz, der innere Sinn, die Beteiligung mit Haut und Haaren, das kennzeichnet den wahren Glauben. Das Ergriffensein durch die Liebe Gottes hat Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher immer wieder mit der Überwältigung durch Musik verglichen.

Wir wären vielleicht gerne wie Parsifal, doch Hand aufs Herz, liebe Gemeinde, gleichen wir nicht dann und wann den Rittern an der Tafelrunde, die nach  Mahlfeier und Friedensgruß noch nicht aus der Kirche raus sind, wenn die Klage über den Werteverfall in der Welt beginnt? Die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche hat Richard Wagner auf seine Weise ins Bild gesetzt. Deshalb muss Parsifal nicht nur die Welt überwinden. Er muss bei der Kirche anfangen. Ein durchaus biblischer Gedanke. Und er rettet die Kirche vor den Verstellungen ihrer eigenen Botschaft durch einen armen Tor. Ein geistig armer Tor, möchte man wohl mit den Worten der Bergpredigt hinzufügen. Parsifals Wandlung vom schusseligen Schlacks in Freischützmontur und dem Verstand eines großen Kindes ereignet sich in dem Moment, als er die Sehnsucht nach Erlösung als seine eigene Sehnsucht begreift. Körperlich fährt die Erkenntnis in ihn. Sie schüttelt ihn. „Die Wunde sah ich bluten. Nun blutet sie mir selbst. Hier – hier!“ Das ist der Moment der Bekehrung. Die Weltwunde hat sich in sein Fleisch gebrannt. Nun kann er der Welt widerstehen. Er geht ihrem Trug nicht mehr auf den Leim. So kann er den Erlöser erlösen. Ein aufregender Gedanke. Ein gewagter Gedanke. Es muss kein Mittler mehr her, der das Heil verwaltet. Die Erlösung ist vom Erlöser erlöst. Sie braucht kein heiliges Amt mehr und kein heiliges Schwert. Sie verbreitet sich nun unvermittelt, indem sie die Herzen ergreift. Ein schönes Ende. Klingsors Reich zerbricht. Fasst wähnt man sich auf einem evangelischen Kirchentag. Und endlich blühen die Blumen. Das Leben bricht sich Bahn. „In der Welt habt ihr Angst, doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ So ruft Parsifal uns seine Botschaft zu, die der entängstigenden Botschaft des christlichen Glaubens nahe zu kommen sucht.

Hier setzt mein Unbehagen am Parzifal ein. Letztlich erlöst sich unser tumber Held nämlich selbst. Er ist nie Subjekt der Erlösung. Er ist ihr Medium. Ein gnädig Auserwählter, aber keiner, der selbst der Erlösung bedarf. Nicht mal der Gnade bedarf er in der Inszenierung von gestern. Das Schwert, das wie ein Wunder über seinem Kopf schweben soll, anstatt ihn zu verletzen, fasst unser Held mit beherztem Tatendrang. Vielleicht bleibt Parsifal deshalb so steif, so zwanghaft perfekt, wie das Abziehbild eines Helden. Und das Kreuz, unter dem sich das Drama der Erlösung abspielt, ist genau genommen überflüssig. Erhaben anzusehen, wie es sich hebt und senkt, das zentrale Symbol auf der Bühne und doch - Kulisse. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. Diesen Satz könnte Parsifal nicht singen. Das ist der Trug Wagners. Das ist seine ästhetisch überwältigende, aber theologisch doch fragwürdige Anmaßung seiner neuen Religion.

Ich gebe zu, dass mich die Kundry deshalb immer schon mehr fasziniert. Wagner hat in ihr alle Klischees vereinigt. Und ewig lockt das Weib, das leibverfallene, sexualisierte Wesen, dessen Liebe Zerstörung wirkt. Eva, die Schlange, Maria Magdalena. Auch böse Klischees hat Wagner in dieser Figur versteckt. Der ewige Jude sei in der Kundry versinnbildlicht, hat er behauptet. Kundry, die den leidenden Christus verlacht, weil sie nicht glauben kann, dass in diesem schwachen, gefolterten Menschen Gottes Erlösung naht. Kundry, die das Unheil des Menschen verkörpert. Kundry, der Wagner trotzdem - oder vielleicht auch deswegen - die aufregendste Musik auf den Leib geschrieben hat. Sie ist mir nahe. In ihrer Zerrissenheit. In ihrer Lust. In ihrer unbändigen Sehnsucht nach Erlösung. Im letzten Bild der gestrigen Inszenierung steht sie am Rand, als könne sie immer noch nicht recht glauben, welche Befreiung ihr geschehen ist. Im roten Ledermini. So sehen doch keine Erlösten aus, mag man denken. Sie ist die Sünderin, der ich mich ähnlich fühle. Ihre Ursünde ist die eigentliche Ursünde des Menschen. Sich selbst erlösen zu wollen – und noch in der Qual der Liebe zerstörerisch zu wirken. Sie ist nicht gut. Stolz und verletzt, ist sie deshalb auch als Erlöste noch zögernd. Beobachtend. Am Rand. Als könne sie ihr Glück nicht fassen, als sie der mitleidende Blick trifft – und aus dem hektischen Lachen ein erlöstes Weinen wird. Wagner hat im Parsifal seinen Anspruch befestigt, in der Oper eine neue Religion gründen zu wollen, die den Kern auch des Christentums rettet. Doch der Parsifal ist kein christliches Kunstwerk. Wagners Rettungsversuch des Christentums wäre vielleicht gelungen, wenn er Kundry eine ganze Oper gewidmet hätte.