Predigt im Eröffnungsgottesdienst auf den Elbwiesen des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages

Landesbischof Jochen Bohl

Liebe Gemeinde,

Geld regiert die Welt. Das könnte wohl die Lehre aus den Entwicklungen der letzten Jahre sein, aus dem „Geiz ist geil"-Geschrei und der rastlosen Jagd nach dem schnellen Euro; das klingt wie die Bilanz der weltweiten Finanzkrise, der spekulativen Wetten, die einige wenige superreich machten, aber Millionen Menschen des globalen Südens Not und Elend gebracht haben; das ist die bittere Erkenntnis, nachdem die Staaten sich in nie gekannter Weise verschuldeten, um die Finanzindustrie und ihre Renditeziele zu retten. Geld regiert die Welt.
So ist die Lage, in der wir den Rat hören, den Jesus den Seinen gegeben hat: „Häuft nicht auf der Erde Schätze für euch an". Das hört sich an nach einem ganz anderen Umgang mit dem Geld, nach einer alternativen Weltfinanzordnung. Das ist die Aufforderung zur Umkehr, zur 180-Grad-Wende.

Jesus stellt sie nicht einfach in den Raum, er begründet sie: Die Schätze, die man mit Geld kaufen kann, sind vergänglich. „Motten und Rost" vernichten sie... Einbruch und Diebstahl gefährden den Besitz, und das bewirken auch die Schwankungen der Kapitalmärkte - wie gewonnen, so zerronnen; und im Nachhinein erkennt man, wie die Gier, die Maß und Ziel und die Mitmenschen vergessen lässt, sich selbst verschlingt.

Ja, es ist in unseren modernen Zeiten nicht anders als es in der Welt Jesu war. Reichtum ist etwas Faszinierendes, kaum ein anderer Instinkt ist so stark wie der Wunsch zu besitzen. Besitz und Vermögen haben etwas Verführerisches an sich, es umgibt sie ein Versprechen von Sicherheit, von Einfluss auf den Gang der Dinge, von Erfolg und Macht. Es ist schwer, sich dem zu widersetzen und wahrscheinlich ist es so, dass nur wenige Menschen ganz frei sind von der Verführung, die darin liegt... Für die allermeisten hat das Geld eine große Bedeutung, sie sind damit beschäftigt, irdische Schätze zu erwerben und sicher zu verwahren.
Jesus erinnert uns daran, dass am Ende alles, was wir auf Erden erwerben können, vergänglich ist, die Gefahr des Verlustes in sich trägt, nur den trügerischen Schein von Sicherheit gibt und gefährlich werden kann für das Zusammenleben der Menschen.

Ob Geld denn glücklich macht? Oder es wenigstens leichter macht, das Glück zu finden, wie viele hoffen? Aber immer wieder begegnet man Menschen, die wenig oder nichts besitzen, und doch zufrieden und in Freuden leben. Und umgekehrt ist gar nicht selten zu beobachten, dass der Besitz zum Unglücklichsein anleitet. Es kann so kommen, dass er uns besetzt.

Denn er kann die unangenehme Eigenschaft entwickeln, einen Menschen ganz und gar in Beschlag zu nehmen, er kann eine versteckte Macht entfalten, das Denken zu beherrschen. Dann rückt das Haben-wollen in den Mittelpunkt, darüber wird das Herz eng und hart, es kommt zu Konflikten, die Liebe wird gefährdet, Trennungen drohen, die Armen werden ärmer, Streit zerstört die Gemeinschaft.

Das Menschenleben ist immer bedroht von Gefahren, in denen man sich verlieren kann - und nicht die kleinste ist die Faszination des Geldes und der irdischen Besitztümer.

Darum stellt Jesus sich gegen die Dominanz des Geldes, und wir hören seine Aufforderung, uns keine Illusionen über die irdischen Schätze zu machen. Immer wieder lesen wir in den Evangelien, wie überaus kritisch er gegenüber dem Geld eingestellt ist. Es kommt nur ein einziges Mal vor, dass ein Mensch mit hoher, gespannter Erwartung zu Jesus kommt - und enttäuscht, verwirrt und ratlos geht. Der reiche Jüngling (Mk 10,22) hatte gefragt, wie er leben soll, was er tun muss, um das Leben zu gewinnen, das sich unterscheidet, ein Leben in der Wahrheit, die Bestand hat. Aber dafür war sein Herz nicht frei. Es hing an seinem Besitz, und darum verließ er Jesus trauernd, denn er war gefangen von den vielen Gütern, die er besaß. In Wirklichkeit besaßen sie ihn. Nein, Geld macht nicht glücklich; sondern lenkt ab von dem, was im Leben wirklich zählt. Jesu Rat ist:

„Häuft vielmehr im Himmel Schätze für euch an, wo weder Motten noch Rost sie vernichten, wo weder eingebrochen noch gestohlen wird. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein."

Liebe Gemeinde, diese Worte stehen in der Mitte der Bergpredigt, und das ist kein Zufall. Gerade hatte es noch geheißen: „Selig sind, die reinen Herzens sind". Jetzt wird erklärt, was damit gemeint ist, wie man zu Gott findet. Es geht um eine Entscheidung, die für jeden Menschen von zentraler Bedeutung ist. Es geht um mich und um mein Leben. Jesus lädt uns ein, so zu leben, wie es Gott gefällt, und das heißt: Schätze sollen wir bei seinem Vater sammeln. Man muss sich entscheiden - entweder das eine oder das andere. Bedenke, sagt Jesus:.....wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein."

Mein Herz - da denken wir zuerst an unsere Gefühle. Für Jesus aber ist das Herz der Kern der Person, der Ort, an dem die Entscheidungen getroffen werden, die unser Tun und Lassen bestimmen. Im Herzen wirken Gefühl und Verstand zusammen; hier verdichtet sich, was uns zu der Person macht, die wir sind. Das Herz leitet uns zur Erkenntnis der Wahrheit, die uns gut tut, es gibt dem Willen seine Richtung, im Herzen entscheidet sich unser Verhältnis zu Gott. Wessen Herz rein ist, wer auf Gott vertraut und auf die Schätze, die nur er geben kann, der wird selig sein. Diese Schätze haben Bestand und schenken einen unvergänglichen, beständigen Reichtum, der in allen Krisen hält und trägt.

Darum - sammelt Euch Schätze im Himmel! Wer Jesus glaubt, auf ihn vertraut, wird frei von der zwanghaften Bindung an Geld, Besitz, Erfolg, an die gängigen Illusionen von Sicherheit. Der beschreitet den Weg zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Der lässt die Abhängigkeiten hinter sich, in die uns die Jagd nach den irdischen Gütern stürzt.

Der Glaube an Jesus Christus gibt mir Zugang zu dem Schatz, den ich mir nicht verdienen kann, sondern nur empfangen. Das ist der Frieden mit Gott, die Versöhnung von Gott und Mensch. Sie hat Bestand, ist nicht gefährdet durch die Vergänglichkeit des Lebens: Rost und Motten, Einbruch und Diebstahl, das Auf und Ab an den Börsen können ihr nichts anhaben. Auf die Barmherzigkeit Gottes ist Verlass.

Das ist keine blasse Theorie. Wer begonnen hat, Schätze im Himmel zu sammeln, wird entdecken, dass im Herzen eine Veränderung eintritt, die hilft und dem Leben dient. Sie macht unser Leben reich, sie hilft gegen die Enge, die aus der Furcht kommt, den erworbenen Besitz zu verlieren, oder nicht genug zu besitzen, um in Gefahren bestehen zu können. Sie schenkt ein getröstetes Herz angesichts der Ängste, in die das Leben einen Menschen stürzen kann; sie führt zur Erkenntnis der Wahrheit, auf die in einer verwirrenden Welt Verlass ist, sie stärkt die Hoffnung gegen allen Augenschein. Trachten wir nach den Schätzen im Himmel, so finden wir zu Gott. Er macht uns frei, einander im Geist der Liebe zu begegnen. Dann wird es anders, dann stehen wir unserem Nächsten bei, treten an die Seite der Armen und leisten unseren Beitrag, dass Gottes Reich wächst und die Welt verändert wird.

Das andere Leben wird möglich, wenn wir nur den Blick auf das Reich Gottes richten, das kommen wird und jetzt schon unter uns wächst. Jeder Mensch kann Anteil daran bekommen. Denn in das Herz wird die Botschaft vom Himmelreich gesät (Matth 13,19) Es ist ein Gegenmodell, das Jesus uns vorstellt, die Vision eines Lebens in Freiheit; unbelastet von den Zwängen, in die das Streben nach den irdischen Schätzen führt.

Liebe Gemeinde, die Losung des Kirchentags ist aktuell in diesen Zeiten; sie setzt Gott ins Recht. Nicht Geld regiert die Welt; uns nicht, so denken wir nicht, so leben wir nicht, wir sind freie Christenmenschen. Wir vertrauen auf Gott, den Barmherzigen, Schöpfer und Bewahrer allen Lebens, den Vater Jesu Christi. Er schenkt den Christenmenschen ihre Freiheit. Darum: Entscheide dich, verfehle nicht das Ziel, bedenke: „Da wird auch dein Herz sein."

Amen.