Predigt im Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Posaunentags in Leipzig (Matthäus 17, 1-9)

Wolfgang Huber

I.

„Hier ist gut sein!“

Liebe Bläserinnen und Bläser, liebe Schwestern und Brüder – sehr gerne rufe ich Euch dieses Wort des Petrus zu: „Hier ist gut sein!“ Ich bin sehr froh, dass Ihr alle da seid. Eure Instrumente strahlen im Glanz der Sonne. Ihr mächtiger Klang erfüllt dieses Rund. Das ist einfach wunderbar. „Hier ist gut sein!“

Hätte Petrus das genauso gesagt, wenn ein vieltausendfacher Bläserton den Auftritt Jesu auf dem Berg der Verklärung begleitet hätte? Hätte auch er einen „Ohren-Blick“ innegehalten und den Klang genossen? Wahrscheinlich hätte er, eine Führungsfigur unter den Jüngern, sich hingestellt und den Chor der Bläser so dirigiert, dass „Trompeten und Posaunen jauchzen vor dem Herrn, dem König“, wie es in einem Psalm heißt. Oder er hätte wie der Prophet Gottes Strafgericht heraufziehen hören, wenn „Gott, der Herr, die Posaune blasen“ wird.

II.

Wie ein Fanfarenstoß klingt die Erzählung von der Verklärung Jesu. Sie strahlt. Sie vergewissert. Sie tröstet. Sie weckt Zuversicht. Ich erlebe diese Erzählung wie den Beginn eines neuen Tages, wie den Auftakt einer festlichen Musik.

Drei Jünger wählt Jesus aus dem Kreis der Zwölf aus: Das Trio Petrus, Jakobus und Johannes. Er führt sie auf einen Berg. Berge sind im Leben Jesu stets für herausragende Ereignisse bestimmt. Auf einem „sehr hohen Berg“ widersteht Jesus der Versuchung des Teufels, die „Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit“ zu erwerben. Seinen ersten großen öffentlichen Auftritt gestaltet Jesus mit einer Predigt auf dem Berg, der Bergpredigt. Auf dem Berg „Golgatha“ wird er schließlich gekreuzigt.

Soweit aber ist es noch nicht. Jetzt geht es nicht darum, dass Jesus sich noch im Sterben zu seinem Vater bekennt. Jetzt geht es um das Bekenntnis des himmlischen Vaters zu seinem Sohn auf Erden. Jesus wird in Gottes Licht getaucht; er wird hineingenommen in Gottes Herrlichkeit. Das Freudenlicht erscheint von der Höhe, es gewinnt die Menschen in der Tiefe, sie tragen seinen Schein weiter von Herz zu Herz.

Das Jüngertrio, das Jesus begleitet, spielt dazu keinen Tusch. Die Jünger sehen Mose und Elia erscheinen. Die beiden sind Vertreter der Himmelswelt. Sie treten auf wie zwei Zeugen der Verwandlung. Sie stellen sich neben Jesus.

Petrus kombiniert: Wenn diese beiden prominenten Glaubensvertreter neben Jesus erscheinen, kann das nur bedeuten, dass das Ende der Zeiten hereinbricht. Wenn Promis kommen, ist schließlich etwas Besonderes los. Insbesondere das Erscheinen des Propheten Elia galt damals als Zeichen des bevorstehenden Weltgerichts.

Die kühnsten Hoffnungen werden übertroffen, das Ziel der Nachfolge wird erreicht. „Herr, hier ist es gut sein.“ Petrus beginnt, einen Platz zum Schlafen einzurichten, vermeintlich direkt an der Pforte zu Gottes Reich.

III.

Das Engagement des Petrus beeindruckt mich. Ein Mensch, erfüllt von der Erwartung des Kommenden – ungeduldig, zupackend, ja: auch ein wenig auf Sensationen aus. Wir alle können uns leicht in Petrus hineinversetzen. Denn das sind wir auch: ungeduldig, zupackend, ja: auch ein wenig auf Sensationen aus.

Ungeduldig – wann wird es schon wieder die Gelegenheit geben, zu einem Posaunentag zu kommen? Wer den letzten versäumt hatte, musste auf diesen über fünfzig Jahre warten!

Zupackend – wer ein Instrument besitzt, hat es gegriffen und eingepackt. Wer lässt sich diese Gemeinschaft entgehen, versammelt um das vielstimmige und machtvolle Lob Gottes?

Ja: auch ein wenig auf Sensationen aus! Denn das gibt es wohl kein zweites Mal: Nicht nur in einem Trio aufzutreten wie die Jünger, auch nicht in einem kleinen Bläserchor, sondern in einem Ensemble, das aus mehr als neunzehntausend Stimmen besteht. Wenn das keine Sensation ist! Und eine Ermutigung dazu!

Wir lassen uns das nicht austreiben, die Ungeduld auf Gott, das Zupacken aus Glauben, die Lust an der Sensation, dass Christus unter uns wirkt. Wir beteiligen uns nicht an der platten Rede, dass man Gott nicht sehen kann. Wir bestreiten die Meinung, die Zeit des Glaubens sei vorbei. Wir widersprechen der Behauptung, inmitten der vielen Religionen unserer Zeit hätte das Bekenntnis zu Christus seinen Ort verloren. Nein, unser klares christliches Bekenntnis wird gebraucht. Denn ohne Bekenntnis gibt es auch keine Toleranz gegenüber anderen. Die Zeit des Glaubens ist nicht vorbei. Sondern sie kommt; ohne Glauben aber fehlt uns der Lebenskompass. Wir vertrauen nicht auf ein Leben ohne Gott; sondern wir verlassen uns auf Gott wie auf das Licht jedes neuen Tages. Wir sind bereit für das Kommen Gottes.

Der fromme württembergische Pfarrer Matthäus Hahn entwickelte eine besondere Leidenschaft dazu, Uhren zu bauen. Eine dieser Uhren blieb – es war wohl im Jahr 1836 – stehen; sie war nicht mehr zu gebrauchen. Das war aber kein Konstruktionsfehler, es war Absicht. Denn für dieses Jahr erwartete Matthäus Hahn die Wiederkunft Christi, da sollte die Zeit stehen bleiben. Wenn der Herr Christus da ist, braucht man keine Uhr mehr; denn da steht die Zeit still. Die Uhrzeiger machen Halt vor Gottes Ewigkeit.

Eine solche Gewissheit brauchen wir auch heute. Wir werden das Jahr, an dem Christus wiederkommt, nicht noch einmal festlegen. Denn Tag und Stunde seiner Wiederkehr kann niemand berechnen. Aber wir nehmen uns Zeit dafür, dass Gott und Welt, Gott und Mensch zusammenkommen. Der Himmel öffnet sich. Gott bekennt sich zu Jesus, weil er Gottes Liebe verkörpert. „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“ So viele Menschen warten heute auf diese klare Stimme: auf die Stimme der Barmherzigkeit, die in den letzten Winkel von Leid und Traurigkeit reicht, auf die Stimme der Liebe, die meinem Leben Sinn und Bedeutung verleiht, auf die Stimme des Gebots, die eine klare Orientierung gibt. Viele Menschen warten darauf. Und wir können den Menschen die Ohren für diese Stimme öffnen – auch durch den klaren Klang der Musik. „Ohren-Blick“!

Wer Gottes Kommen im Blick hat, sieht die neuen Möglichkeiten der Zukunft. So wie Jesus verwandelt wurde, so kann alles in Gottes Licht getaucht werden. In der Person Jesu – in seiner Verklärung – begegnet uns allen die große Verheißung.

Unsere Zukunft ist nicht ein einziges Schwarz in Schwarz. Auch wenn uns jetzt manches als undurchsichtig erscheint: unsere Zukunft ist in Gottes Licht getaucht. Auf Gottes Nähe vertrauen wir wie auf das Licht des anbrechenden Tages. Das gibt uns die innere Kraft, um auch Schwierigkeiten entgegenzutreten, Enttäuschungen zu überwinden, neu auf andere Menschen zuzugehen.

Auf einem Berg vollzog sich die Verwandlung. Dort, wo die herausragenden Ereignisse stattfinden. Gottes Licht findet aber überall hin. Auch in dieses Stadion. Auch in unser Herz – in deins und meins. Denn Gottes Barmherzigkeit hat kein Ende; sie ist alle Tag neu. Deshalb gehen wir der Zukunft entgegen: ungeduldig, zupackend, ja: auch auf Sensationen aus. Denn Gottes Liebe ist die große Sensation unseres Lebens.

Amen.