„Das weite Herz und die Treue zu Gott“ - Bibelarbeit über 2 Kor 6,11-7,4, Kongress der Auslandspfarrerinnen und – pfarrer der EKD, Berlin

Marlene Crüsemann

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder!

Die heutige Bibelarbeit über 2 Kor 6,11-7,41 steht unter dem Titel „Das weite Herz und die Treue zu Gott“. Im Dialog der Kulturen, im friedlichen Miteinander der Religionen und Konfessionen sind diese beiden Pole, so meine ich, jeweils zum Ausgleich zu bringen: die Treue zum Eigenen und die Weitherzigkeit gegenüber anderen Menschen und ihren Identitäten. Das hört sich einfach an, kann aber sehr kompliziert werden, wenn ich die anderen von meinem Standpunkt überzeugen, sie umwerben und gar missionieren will. Oder noch schlimmer: wenn mich jemand missionieren will!

Genau darum geht es in diesem Bibeltext, er scheint alles andere als eine Aufforderung zum interreligiösen Dialog zu sein, viel eher sein Gegenteil: Paulus verlangt von seiner Gemeinde die Trennung von ihren heimatlichen Göttern und Göttinnen. Wer die neueren Debatten um die Intoleranz, ja Gewalttätigkeit der monotheistischen Religionen verfolgt hat, wie sie etwa durch die Thesen von Jan Assmann ausgelöst worden sind, wird in diesem leidenschaftlichen paulinischen Appell einen weiteren Beweis für die angeblich notorische Intoleranz des Christentums finden können.

Und doch glaube ich, dass in diesem Kleinod von einer Perikope,2 die bisher sämtlichen Predigtreihen entgangen ist, der Schlüssel liegt, mit dem alle Widersprüche auf diesem Gebiet zum Guten ausschlagen können: Treue und Trennung, Verschlossenheit und Großherzigkeit, und die Vermittlung der eigenen Verwurzelung mit dem Fremden.

Das beginnt in den ersten drei Versen mit einer Liebeserklärung, einer leicht eingeschränkten freilich:

2 Kor 6,11 Unser  Mund hat sich euch gegenüber aufgetan, oh ihr in Korinth, unser Herz  ist weit geworden für euch! 12 Ihr habt keinen engen Raum in uns, doch beengt ist eure Liebe tief im Innern. 13 Aber die richtige Gegenseitigkeit geht so – ich rede wie unter Kindern: Werdet auch ihr weitherzig!

Wenn Paulus hier einräumt, dass sich Mund und Herz geöffnet und geweitet hätten für die Angeredeten, gibt er zu, dass vorher das Gegenteil der Fall gewesen sein muss: Er war verschlossen, verärgert, traurig. Hat sich das geändert, weil er geredet hat, weil er im Vorangehenden von sich erzählt hat, soviel wie nie zuvor? Also wird das eigene Herz weit und kann den anderen Menschen wahrnehmen, wenn jemand zuerst so wahrhaftig wie möglich von sich selbst erzählt? Das hatte Paulus gerade getan: Was er ertragen hat um seines Auftrags willen, Hunger, Durst, Schläge, Gefängnis, Verleumdung, Doppeldeutigkeit – dieser letzte Punkt zählt am meisten, denke ich: Er hatte keinen strahlenden Erfolg, erschien vielen zweifelhaft, am Ende. Das spricht er unmittelbar vorher deutlich aus: Wir werden „geehrt und verachtet ... verleumdet oder gelobt. Wir erscheinen wie betrügerische und wie ehrliche Menschen, wie Unbekannte und Erkannte, wie Sterbende, und seht doch: wir leben ... wie Traurige, doch immer voll Freude; wie Arme, die aber viele reich machen; wie Menschen die nichts haben und alles besitzen“ (6,8-10). Er versucht, seine Doppeldeutigkeit ins Positive zu wenden, kämpft aber durch diesen ganzen langen Brief hindurch darum, dass sie ihn erkennen, wie er glaubt, wirklich zu sein, dass er es ehrlich mit ihnen meint. Er kämpft um ihre Liebe.

Hier spielt nun die Rede vom „Herzen“ eine große Rolle. Wie Sie wissen, verbindet sich damit in der hebräischen Anthropologie, in der Paulus zu Hause ist, nicht einfach wie bei uns der Wohnort romantischer Gefühlsseligkeit, sondern das Herz ist der Sitz des Verstandes, der Weisheit, die Zusammenhänge schaffen und durchleuchten kann. Es symbolisiert den lebendigen inneren Menschen, die Mitte allen Begreifens und sich Bewegens in der Welt, im Verhältnis zu allen Erscheinungen des Lebendigen, zu Gott.3 Es ist alles zusammen: abhängig und autonom, halsstarrig, misstrauisch, aber auch glaubend und vertrauend. Es kann in jeder Sekunde Ja sagen und Nein. Niemand kann eine Antwort erzwingen, nicht einmal Gott. Darum wird in manchen biblischen Texten eine große Operation erwogen, wie in Ez 11,19: ein neues pulsierendes wird an die Stelle des versteinerten Herzens gepflanzt.

Auf geniale Weise hat Hannah Arendt diese grundsätzliche Ungewissheit der zahllosen Entscheidungen des menschlichen Herzens in Worte gefasst. Sie notiert in ihrem „Denktagebuch“:

Die Dunkelheit des Herzens besteht in der “Unmöglichkeit, in das menschliche Herz wissend zu blicken, auch in das eigene Herz. Die Unmöglichkeit der wissenden Sicherheit um einen Menschen beruht auf der Fähigkeit der Freiheit. Beides zusammen, die Freiheit und die Dunkelheit des Herzens, macht die Erforschung des Menschen unmöglich und erzeugt als höchste Tugenden im personalen Glaube, Liebe, Hoffnung ... Liebe verschreibt (sich) der Dunkelheit des Herzens, das auch ihr sich nur augenblicksweise erhellt und erleuchtet. Das Aufleuchten der Dunkelheit des Herzens ist der ‚coup de foudre’. Wo immer solches Aufleuchten stattfindet, d.h. wo immer sich das Herz im wahrsten Sinne des Wortes öffnet, ist Liebe. Ohne Hoffnung ist weder Glaube noch Liebe möglich. Die Hoffnung ist die Zuversicht, dass der Glaube auch morgen noch standhalten wird, oder das bebende Abwarten, ob die Herzen sich nicht wieder schliessen.“4

Hannah Arendt stellt von hier aus eine Verbindung zur Gottebenbildlichkeit der Menschen her: Es ist die Dunkelheit des menschlichen Herzens, wir können auch sagen, seine Autonomie, was seine Gottebenbildlichkeit ausmacht. So wie wir nie wissen können, wie ein Mensch, gerade auch ich selbst, sich in einer kommenden Situation entscheiden wird, so können wir auch keine festlegenden Aussagen über das künftige Handeln Gottes in der Welt machen. Wir hoffen auf das umfassende Ja, doch ertragen müssen wir auch ein zeitweiliges Nein. Auf der Erfahrungsebene spiegelt sich hier die Verborgenheit Gottes, die uns in so vielen schrecklichen Geschehnissen der Weltgeschichte und des persönlichen Lebens entgegentritt. Wo bist du Gott? Wo ist jetzt deine Liebe?

Was Paulus betrifft, so steht seine gesamte Existenz unter der Bezeugung des offenen und liebenden Herzens Gottes, das sich in der messianischen Offenbarung Jesu Christi zeigt. Im Wort von der Versöhnung in 2 Kor 5 (18-21) hat er es zuvor wieder ausgesprochen. Doch der Appell „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ klingt hier so, also spräche er zu ihnen zum allerersten Mal, als müsse er immer wieder um sie werben, als stünde alles auf dem Spiel. Und so wird es gewesen sein.

Die Dunkelheit des menschlichen Herzens, das sich auf die Dauer nichts gebieten und sich nicht zwingen lässt, weil es sich  jederzeit verschließen und dauerhaft entfernen kann, organisiert fortwährend Abwendungen, aber eben auch mögliche Neuanfänge. Und das ist dann immer ein großes, ein unausrechenbares Glück. Um einen solchen Neuanfang ringt Paulus mit seiner Bitte um Gegenseitigkeit. Und hier kann er nur bitten, nicht befehlen. Die Frage ist, ob er mit seiner Unterstellung, die KorintherInnen hätten ihre eigene Liebe verschlossen und seien engherzig, den richtigen Ton getroffen hat. Das wissen wir nicht.

Im 2. Brief an die Gemeinde in  Korinth – Sie können die ganzen 13. Kapitel ruhig als eine spannende Einheit lesen, ungeachtet mancher Briefteilungshypothesen in der Wissenschaft, die zuweilen die Inhalte ziemlich verdecken – im gesamten Brief wird auf ergreifende Weise deutlich, wie sehr auch die Gottes- und Christusbeziehung an der Glaubwürdigkeit menschlicher Beziehungen hängt.

Paulus erklärt also, wie es um ihn steht, leistet den Herzensoffenbarungseid und bittet – wenn auch nicht hundertprozentig demütig – um ihre erneute Gegenliebe: Werdet auch ihr weitherzig! Aber, so müssen wir sofort hinzufügen: bitte nur für mich und niemand sonst! Denn unmittelbar danach kommt eine scharfe Wendung in eine andere Richtung. Ist das ein abrupter Wechsel des Themas? Ich lese die Verse 14 – 16a:

14 Geht  aber nicht in ein anderes Gespann mit Menschen, die Gott nicht vertrauen! Welche Übereinstimmung gibt es denn zwischen einem gerechten Zusammenleben (dikaiosyne) und dem Leben ohne Tora (anomia)? Welche Gemeinschaft zwischen Licht und Finsternis? 15 Herrscht ein Gleichklang zwischen Christus, dem Gesalbten, und Beliar, dem Teufel? Was teilen die, die auf Gott vertrauen, mit denen, die es nicht tun? 16 Worin besteht die Verträglichkeit zwischen dem Tempel Gottes und den Götterbildern?

Denn  wir sind der Tempel Gottes, der Lebendigen!

Wie hängen diese schroffen Alternativen zusammen mit dem Liebeswerben? Die harten Gegenüberstellungen von Licht und Finsternis, Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit, Christus und der Teufel? Liegt hier nicht ein Bruch vor? Muss man gar mit einem nachpaulinischen Einschub in den Text rechnen? Doch auf der Beziehungsebene ist das so schwer nicht. Alle, die sich dem Verständnis der menschlichen Seele widmen, professionell oder mit der Hilfe von Fernsehserien, mehr oder weniger guten Romanen und sämtlichen Geschichten, die das Leben schreibt, wissen da sofort Bescheid. Nach großen Geständnissen möchte in der Regel niemand der Möglichkeit ins Auge sehen, dass der umworbene Mensch es seinerseits mit der Weitherzigkeit übertreibt und sich weiter in der Welt umsieht. Den Zusammenhang solcher Ausführungen zu erkennen, dürfte also jeder Bravo-Leserin keinerlei Mühe bereiten.

Wer innige Erklärungen an ein Gegenüber macht, kann ohne weiteres fortfahren: Aber lass dich nicht von jemand anderem einspannen! Wir beide zusammen sind doch das Eigentliche, wir sind der Tempel Gottes! Und nun geht es Paulus und Timotheus, den Absendern des Briefes, inmitten der persönlichen Beziehungen immer um die Gottesbeziehungen aller Beteiligten. Wir sehen, wie in der menschlichen Eifersucht die Rede vom eifersüchtigen Gott aufscheint.

Kann das gut gehen? Es war schon gut gegangen, wieder und wieder müssen es Paulus, seine Gefährtinnen und Gefährten erlebt haben, wie intensiv viele Stadtmenschen der römisch-griechischen Welt von sich aus nach einer einzigen Gottheit verlangen, nach einem größten, wahren, einzigen Gott, einer Orientierung inmitten der ohnehin schon großen Vielfalt der alten Götterwelt, die sich aber ständig ausdehnt und mit modischen Gottheiten besonders aus dem Orient verlockend interessante neue Möglichkeiten der Sinnstiftung anbot. Eine solche neue Gottheit war für sie im Prinzip zunächst auch der biblische Gott. In Korinth hatten sie schon eine Menge davon: Große und kleine Tempel und Statuen auf dem Forum gab es für Apollon, Athene, Tyche, Aphrodite, Poseidon, dazu ein Pantheon, ein Asklepios-Heiligtum, heilige Bezirke für die ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis außerhalb, dazu den großen Tempel für den Gottkaiser in Rom. Die Kaiserfamilien neigten allein schon dazu, aus sich heraus ständig weitere verehrungswürdige Gottheiten nebst den dazugehörigen Gotteshäusern zu produzieren.

Wie seltsam und andersartig der Gott sein musste, den Paulus ihnen nahe brachte, sieht man allein schon daran, dass für diesen keine neuen Tempel zu bauen waren, keine neuen Statuen und Altäre, sondern er schreibt hier: Wir sind der Tempel Gottes, ihr und ich zusammen, unsere Gemeinschaft, Gott ist lebendig, und so sind wir zusammen lebendig. Im ersten Brief hatte er auch geschrieben: Ihr seid der Tempel Gottes, in euch wohnt die Kraft des lebendigen göttlichen Geistes (1 Kor 3,16). Als Kontrastprogramm zu den Götterbildern, zu den magischen Gegenständen, in denen die Kraft der Gottheit wohnen soll, erscheint hier etwas anderes, bewegliches: Gott wird nicht gebannt in künstlichen Objekten, nicht besucht an heiligen Orten, sondern wohnt mitten im menschlichen Leben.

Wie sollen wir uns die Innenseite der antiken, polytheistischen, mit einem alten Wort, der ‚heidnischen’ Religiosität vorstellen? Wie lebten die damaligen Menschen ihre Frömmigkeit? Der französische Historiker Paul Veyne beschreibt das sehr plastisch und glaubwürdig, so dass deutlich wird, wie faszinierend und umstürzend demgegenüber der jüdisch-christliche Glaube gewirkt haben muss (ich zitiere aus einem Artikel des Berliner Kulturhistorikers Thomas Macho)5: Die Götter sind „’mächtige Fremdlinge mit einem eigenen auf sich selbst konzentrierten Leben, unabhängig von den Menschen, die ihrerseits ein eigenständiges Leben führen’. Sie werden von den Menschen geliebt, interessieren sich aber umgekehrt für die Menschen nur in einem eingeschränkten Maße. ‚In erster Linie sind sie an sich selbst interessiert, und ihre Hauptsorge kreist nicht um das Wohl der Menschheit’ ...Wie aber zeigten die Menschen der Antike ihre Liebe zu den Göttern? Durch eine Vielzahl von Praktiken, die sich weder als Rituale, noch als Ausdrucksformen eines Glauben zureichend fassen lassen. ‚Wenn man an Heiligtümern oder Götterbildern vorbeikam, versäumte man es nie, ihnen mit den Fingerspitzen einen Kuß zuzuwerfen.’ ... Die alltäglichen Zeremonien sollten zur Vermeidung möglichen Unglücks beitragen, zur Besänftigung der Ungunst und des Zorns der Götter. Belehrt vom Umgang mit Herrschern und Mächtigen wurde keine Liebe erhofft, kein Mitleid, keine spezifische Unterstützung, sondern allenfalls eine Bevorzugung, ein spontan gewährte Vergünstigung. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit – dass irgendwann die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden – gehörte dagegen nicht zum Kanon religiöser Utopien“.

Wenn diese historische Illustration halbwegs zutreffen sollte, dann muss im Innern dieser religiösen Gefühlswelt die Angst geherrscht haben: Habe ich auch nichts versäumt, um diesen mächtigen Gott nicht negativ auf mich aufmerksam zu machen oder habe ich bei der Spenderin der Fruchtbarkeit zu kurz verweilt, dass dieses Unglück jetzt kommen musste? Wir können uns zahllose Alltagssituationen und Schicksalsschläge vorstellen, in denen sich die Menschen bang befragt haben müssen, welche Gottheit dafür wohl zuständig und was ihr gegenüber falsch gemacht worden sei.

Frömmigkeit als Teil des Versicherungswesens – wir haben im 21. Jahrhundert wohl wenig Grund, uns allzu fern davon zu fühlen angesichts der esoterischen und abergläubischen Vielgötterei, die unter uns fröhlich und kräftig Auferstehung gefeiert hat – hatten wir es doch gerade mit dem äußerst attraktiven, aber zum Glück nicht sehr gefährlichen Fußballgott zu tun. Doch die modernen Götter sind auch die Schicksalsmächte, das Schicksal einer Familie z.B., ein Verhängnis, dem wir scheinbar nie mehr entkommen können, der Käfig vielfältiger Süchte und Betäubungen, zwanghafter Einstellungen und Handlungsweisen, die immer letztlich das mit sich bringen werden, was ein Mensch fürchtet. Und daneben residiert die Habgier als Motor der Wirtschaft und eine höhnische Göttin der Gesundheit und der forcierten Leistung, die zu den Kranken und Armen sagt: Ihr seid selbst schuld an eurer Situation ...

In unserem und auch in anderen seiner Texte sieht es nicht so aus, als ob Paulus die bleibende Realität einer vergötterbaren Welt leugnete, er spricht an anderer Stelle davon (1 Kor 10,18ff), dass bei den Altären der vielen Gottheiten Dämonen lauerten, dunkle, zerstörerische Mächte, die dort auf die schwachen und suchenden Menschen warteten, um sich ihrer zu bemächtigen und zu bedienen, sich von ihrem Leben zu ernähren. Es sagt zwar, dass die Götzen Nichtse sind, billigt aber dem Dienst an ihnen, dem gläubigen Hingegebensein dämonische Kraft zu.

Es ist immer das Vertrauen, das zählt. Worauf gründe ich mein Leben? Traue ich der Verbindung mit dem einen Gott, der mich in die Freiheit führt aus aller magischen Verstrickung? Hier scheint es nur ein Entweder-Oder zu geben. Darum das Gegenüber von Licht und Finsternis, Christus und Teufel, vom Leben in Gerechtigkeit oder dem Dasein ohne die gute Weisung Gottes. Hier gibt es keine fließenden Übergänge, keine Grauzonen, kein Doublebind. Seit der Offenbarung am Sinai gibt es für Israel und seit Christus auch für die glaubenden Völker nur dies eine: Ich bin der Herr, dein Gott – ich, ICH-BIN-DA, dein Gott – und niemand sonst! Aber das können wir nur begreifen, wenn wir weiter sprechen: weil ich dich aus der Versklavung in Ägypten befreit habe (Ex 20,2)6. Wir können hinzufügen, weil ich dich herausrufe aus aller auch selbstgewählten Unterdrückung und Unterwerfung, aus aller Versklavung durch die Furcht vor Unglück und Tod, aus der Fremdbestimmung, die uns unser Leben ängstlich sichern lässt. Um mit Paulus zu sprechen: weil uns umgekehrt von der Liebe Gottes nichts trennen kann: Weder Tod noch Leben, weder himmlische noch staatliche Mächte, weder die gegenwärtige Zeit noch das, was auf uns zukommt, weder Gewalten der Höhe noch Gewalten der Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf ... (Röm 8,38f).

Das ist es überhaupt: Die Welt und alles, was in ihr existiert und lebt, ist Gottes Geschöpf. Nichts und niemand außer Gott selbst hat göttlichen Rang. Darum brauchen wir uns vor nichts und niemand zu fürchten – in keiner Situation unseres Lebens, und auch nicht, wenn wir sterben müssen.

Und so gibt es in 2 Kor 6,16-18 ein umfassendes Versprechen Gottes:

Gott hat ja gesagt:

Ich  werde unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich  werde Gott sein für sie, und sie werden mein Volk sein.

17 Deshalb: Geht  aus ihrer Mitte und trennt euch, spricht kder Ewiges,  und berührt nichts, was die Heiligkeit verletzt. Dann  werde ich euch annehmen 18 und  werde für euch wie ein Vater oder eine Mutter (pater) sein. Und ihr werdet meine Töchter (thygateras) und Söhne  (hyioi) sein, spricht   Kder Ewiges, mächtig über allem.

Die Zuneigung, Zuwendung, die Zusage und das Versprechen Gottes kommen immer zuerst: „Ich werde bei euch wohnen und mit euch gehen. Ich will Gott sein für euch, und ihr sollt mein Volk sein“, erst danach, als zweiter Schritt der Ruf: „Geht aus ihrer Mitte und trennt euch!“

Hier ereignet sich für die Menschen aus der Völkerwelt etwas Revolutionäres. Es ist erstens deshalb revolutionär, weil sie aufgefordert werden, einfach zu gehen: Heraus aus ihrem örtlichen Götterkosmos, aus der Gefangenschaft inmitten der statischen, konkurrierenden Gottheiten ihrer Alltagswelt. Darauf zielt das Trennungsgebot oder die Aufforderung in V.14, kein anderes Gespann zu bilden, wir können auch sagen „lasst euch nicht einspannen“ oder „lasst euch nicht wieder unterjochen“. Dahinter liegt das Bild aus Dtn 22,10 von einem unterschiedlichen Gespann, Esel und Rind, mit dem sich nun mal kein Feld bestellen lässt. Verschiedene Götter ziehen die Menschen in verschiedene Richtungen.

Das Gehen mit dem einen und einzigen Gott hat sozialen Konsequenzen. Zwar meint Paulus nicht, dass die Gemeinden ihre Familien und Angehörigen verlassen sollten. Sie sollen sich bloß nicht wieder von ihnen wieder in die gewohnten Kulte hineinziehen lassen. Auch müssen sie nicht buchstäblich ihr Bündel schnüren und auswandern. Doch alle frühchristlichen Texte lassen durchblicken, dass ein sozialer Exodus vollzogen wird, bei dem sich zahlreiche Lebenskonflikte auftun: z.B. die Frage, können wir überhaupt noch Fleisch essen, da ja das gesamte Fleisch auf dem Markt aus den städtischen Tempeln und ihren Opferfeste stammt?

So finden sie einen neuen, anderen Ort in ihrer religiösen Mehrheitsgesellschaft. Sie bekommen als Taufgeschenk den Status der Diaspora.

Und ich glaube, dass dieser Status durch alle Zeiten hindurch für die christliche Existenz konstitutiv ist, um den einen Gott von allen Mächten zu unterscheiden, die danach drängen, als Gottheit verehrt zu werden, wie immer sie sich zeigen: die auffälligsten waren Kaiser, König, Führer, Vaterland, Volk als Nation. Manchmal sogar die Volkskirche, deren Erhalt zum Beispiel vor genau 75 Jahren im Kirchenkampf eben nicht oberstes Gebot sein konnte, wenn man den sog. Arierparagraphen ablehnte, der den Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus den christlichen Kirche forderte. Es bleibt die Ehre der Gemeinden der Bekennenden Kirche, dass ihr Widerstand gegen den NS-Staat sich gegen diesen Arierparagraphen entzündete, womit auch der Kampf für die Beibehaltung des Alten Testaments verbunden war. Die Gemeinde als Volk Gottes kann nicht hinter der Fahne einer Nation herlaufen, ohne zu vergessen, dass Gott sie aus solchen Prioriäten herausgerufen hat. Es kann auch die Fahne des dauerhaften Erfolgs, des persönlichen Ansehens, der Besitzstandswahrung und -vermehrung sein, die uns anlockt – jeden Tag richtet sich an uns die leise Frage, in wessen Dienst wir stehen.

Das Revolutionäre der Zitate in 2 Kor 6 ist zweitens ihre performative Rede: Es geschieht, was gesagt wird, indem es gesagt wird, und zwar mit den Worten der Schrift, mit Zitaten aus dem Alten Testament. So werden die neuen Gemeinden der griechisch-römischen Welt buchstäblich eingeschrieben in den Weg und die Existenz Israels. Und das ist bis heute unser Weg, wenn wir lernen, dem Gott Israels treu zu bleiben. Nicht an die Stelle Israels, das ist der Irrweg der antijüdischen Enteignung. Sondern an die Seite Israels, in einer eschatologischen Weggemeinschaft als Gottes Zeuginnen und Zeugen in der Welt und für die Welt.
Als Studentin hat mich diese Wahrheit durch Worte in einer Predigt von Lothar Steiger tief berührt:

„Du Heidenkind aus den Urwäldern der Großstädte, aus den unterentwickelten Ländern der Zivilisation und der verlorenen Kriege: Warum bist du traurig und klagst über den Verlust deiner Väter? Ohne Erinnerung bist du längst, bist unwissend über deine natürlichen Urwälder und Vorväter. Dein bisschen Stammbaum fiel mit der Wotanseiche, einer hackte sie um, weil er meinte, du habest andere Väter und bessere Mütter ...

Höre, du Heidenkind ...! Abraham ist dein Vater und Sara deine Mutter. Denn Abraham glaubte und die treue Ehefrau lachte ... Bis in die Urgeschichte reichst du hinauf, hast überall Väter, kennst Abel und Kain, sahst Henoch in den Himmel fahren und Noah die Arche zimmern, zogst mit aus Ur, denn der Glaube zog mit, kamst heil durch das Meer, singst wie ein Alter das Lied der Debora: sangst du es nicht, so warst du nie Sklave ...“.7

Das Großartige an unserem Text aus der Mitte des 2 Kor ist diese dichte Konzentration alttestamentlicher Exodustexte, die den Menschen aus der Völkerwelt, also auch uns, geliehen und damit auch ein Stück weit verliehen werden im Sinne eines Mitgehens mit Israel. Sie sind eine Art Adoptionsurkunde: „Ich werde euch annehmen!“ (6,17). So werden wir mitgenommen in die Wüste des ersten Exodus aus Ägypten, wenn es auch für uns in dem hier zitierten Wort aus Lev 26,11+12 heißt, dass Gott mitten unter uns vormals Fremden wohnt und sagt: „Mein Innerstes verabscheut euch nicht. Ich wandle in eurer Mitte, und ich bin Gott-für-euch, und ihr“ – also „auch ihr“! – „seid mein Volk.“ Gleichzeitig spricht damit die Verheißung des neuen Bundes aus Jer 31,33, wo dieselben Worte stehen inmitten der Vision, dass die Weisung Gottes, die Tora zum Leben, als Kraft des Geistes in die Herzen der Menschen geschrieben ist. Und auch der 2. Exodus der Geschichte Israels, heraus aus der Großmacht Babylon, klingt an durch die zitierte Aufforderung aus Jes 52,11 herauszugehen, sich zu trennen. Über diesem Herausgehen steht Gottes Verheißung und schützender Beistand. Die eingespielten Worte des hebräischen Textes aus Ez 20 erweisen sich gerade im erweiterten Kontext für uns Nichtisraelitinnen und –israeliten wie eine Prophetie unseres Platzes in der Welt, der christlichen Ökumene: „Ich hole euch heraus aus den Völkern und sammle euch ein aus den Ländern, in die ihr zerstreut worden seid“ (V.34). Und das gilt ausdrücklich allen Menschen in den Gemeinden, Frauen und Männern: mit der Zitierung von 2 Sam 7,14 – „Ich werde für ihn Vater sein, und er für mich Sohn“ – zeigt sich Paulus in 2 Kor 6,18 als ein feministischer Übersetzer, sogar als messianischer feministischer Übersetzer, denn er liest den Text, wie er jetzt gemeint sein soll, dass auch alle Frauen durch die Anrede Gottes gewürdigt werden: aus dem Singular wird ein Plural: „ihr werdet sein“ und aus dem „Sohn“ werden die „Töchter“, es stehen explizit die griechischen Wörter „und Töchter“ (kai thygatéras) da!: „Und ihr werdet meine Töchter und Söhne sein“. Eine neuere Übersetzung (‚Bibel in gerechter Sprache’) weitet lediglich das Vaterbild zum Elternbild und verdeutlicht, dass es sich um ein Bild handelt ...

So schreibt Paulus seine Gemeinde als geliebte Kinder Gottes in die Geschichte Israels ein. Was es bedeutet es nun, durch dieses Konzentrat einer biblischen Adoptionsurkunde in den Status eines wandernden, den festen Wohnort verlassenden Volkes versetzt zu werden? Es fällt ja auf, dass es sich vor allem um Exodustexte handelt. Die Entfremdungserfahrung in ihrer ursprünglichen Heimat wird positiv gedeutet und aufgenommen: Sie werden zu Gefährtinnen und Gefährten Israels auf dem Weg in die eigentliche Heimat, das Gelobte Land, nach Jerusalem. Symbolisch zeigt diesen Weg auch das große Spendenprojekt, in das Paulus die Gemeinde in Korinth eingespannt hat: Sie sammeln schon viele Monate für die armen jüdisch-christlichen Geschwister in Jerusalem (2 Kor 8-9). Mit ihnen sollen sie eng verbunden werden in einem Kreislauf des Segens zum Austausch materieller und geistlicher Güter. So sollen ursprünglich Fremde einander die Nächsten werden. Das Signum der Fremdheitserfahrung macht auch aus den christlichen Gemeinden eine Kette der Diasporastützpunkte analog zu den jüdischen Gemeinden der alten griechisch-römischen Welt.

Diese eigene Fremdheitserfahrung macht sensibel für das Leben, die Existenzweise anderer fremder Menschen und ihre Rechte.8 Das gilt es von Israel zu lernen, welches sein Fremdenrecht mit der eigenen Erfahrung in immer neuen Exilen begründet: „Ihr seid selbst Fremde gewesen, ihr kennt die Seele der Fremden!“ oder anders übersetzt: „Ausländer und Ausländerinnen sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie ihnen zumute ist. Denn in Ägypten seid ihr in derselben Lage gewesen.“ (Ex 23,9). Das führt in der Tora zu einer grundsätzlichen Rechtsgleichheit für Fremde und Einheimische: „Einerlei Recht soll unter euch gelten, für den Fremdling wie für den Einheimischen“ oder neu übersetzt: „Ein einziges Recht gelte bei euch für den Fremden wie für die Einheimische“ (Lev 24,22). Und im alttestamentlichen Recht gibt es ja nicht nur das Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18), sondern auch ausdrücklich das Gebot, die Fremden zu lieben, das in der Übersetzung der Revision der Lutherbibel (1984) lautet: „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägypten. Ich bin der HERR, euer Gott“ (Lev 19,33f). Alle Gesetze der Tora für ein gerechtes Wirtschaften, die Israel entwickelt hat, regelmäßiger Schuldenerlass und eine erste Sozialsteuer, bis hin zur gemeinsame Ruhe von der Arbeit am Schabbat gelten so den einheimischen und ausländischen Menschen gleichermaßen. Vor allem aber das aus traditioneller christlicher Sicht Herzstück der Tora, die Zehn Gebote, die um das Gebot „du sollst nicht töten“ als ihrer Mitte versammelt sind9. In Israel kam der Rechtsschutz allen Fremden zu, unabhängig von ihrer Religion. Und so wird Fremdenliebe heute bedeuten: auch die uns fremden Religionen zu achten, vor allem aber die Menschen zu lieben, die sie ausüben, und ihr Leben zu schützen.

Dies alles liegt auf dem Weg, den Paulus seinen griechischen Gemeinden eröffnet, wenn sie sich aufmachen sollen, als das Volk Gottes sich von den alten Gottheiten loszusagen, um mit dem lebendigen Gott Israels zu gehen.

Am Ende unseres Textes hat er sich somit zu einer doppelten Beziehungsbereinigung durchgearbeitet: Er hat die Gottesbeziehung seiner Gemeinde definiert und seine eigene mit diesen von ihm geliebten Menschen. Er kann jetzt ihre Vorwürfe, das, was sich zwischen ihnen aufgestaut hatte, verstehen: Er beute sie aus und hätte sich selbst durch die große Spendensammlung für die armen Geschwister in Jerusalem bereichern wollen. Doch nun will er seinerseits niemanden mehr verurteilen. Mit der Erinnerung an die Verheißungen Gottes, dass nun alle gemeinsam als sein Volk leben und gehen können, glaubt er auch, endlich ihr Herz erreicht zu haben:

7,1 Das sind die Verheißungen, die wir haben, Geliebte. Wir wollen also alle Flecken von Körper und Gemüt abwaschen und in Heiligkeit leben, in Ehrfurcht vor Gott. 2 Gebt uns Raum! Wir haben niemandem Unrecht getan, niemanden vernichtet, uns an niemandem bereichert! 3 Ich spreche nicht, um zu verurteilen. Denn ich  habe schon vorhin gesagt, dass ihr in unseren Herzen seid, um gemeinsam zu sterben und gemeinsam zu leben. 4 Groß ist mein Zutrauen zu euch, groß ist mein Lob für euch! Ich bin erfüllt mit Trost, ich fließe über vor Freude in all unserer Bedrängnis.

Für unser heutiges Thema des Miteinanders der Kulturen möchte ich zusammenfassend festhalten:

- Die soziale Gestalt der Diasporaexistenz der ersten Christinnen und Christen aus den Völkern bleibt für die Kirche konstitutiv und theologisch bedeutsam.

- Sie geht einher mit einer grundsätzlichen und geschichtlich stets möglichen Fremdheitserfahrung gegenüber der ursprünglichen heimatlichen Umgebung.

- Diese Erfahrung bedeutet ein wiederholtes und wiederholbares Erleben des Exodus, und es verknüpft auch auf diese Weise die Kirche mit Israel als Volk des Exodus.

- So bleibt die Kirche aufmerksam für Stimme und Auftrag des einen Gottes, der sie herausruft aus den „gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbaren Dienst an seinen Geschöpfen“, wie es in der 2. These der Barmer Theologischen Erklärung heißt.

- Sie teilt Israels Kenntnis der Seele der Fremden also auch aus eigener Erfahrung.

- Sie teilt mit Israel das Gebot, die anderen Fremden zu lieben und ihr Leben zu schützen.

- So tragen Christinnen und Christen ihren Teil zu einem friedlichen Miteinander der Kulturen bei.

- Für alle Kulturen und Religionen aber ist es bleibend wichtig, mit einer Weitherzigkeit für das Leben der Anderen die Aufmerksamkeit für die jeweils eigenen Traditionen der Gewaltlosigkeit zu verbinden, ihnen treu zu bleiben.

Was uns Christinnen und Christen betrifft, so hören wir von dieser Gewaltlosigkeit aus der Tora und den 10 Geboten, deren Mitte das Tötungsverbot ist. Wir hören davon durch die Stimme Jesu.

Im sogenannten Heilandsruf von Mt 11,28-30 finden sich wie in 2 Kor 6 auch die Stichworte „Herz“ und zygos, der griechische Begriff für „Gespann“ oder „Joch“ oder „Last“.

Jesus hat erkannt und ist überwältigt von der Tatsache, dass einfache und arme Menschen ihn und seine Botschaft verstehen, und beginnt jetzt, besonders diese zu anzusprechen: Kommt doch alle zu mir! Er verspricht, ihnen eine völlig andere Art der Belastung zuzumuten, als die bisher gewohnte. Und hier ist mit der traditionell als „sanftes Joch“ übersetzten Redewendung ein Gegenentwurf zu der Belastung und Ausbeutung gemeint, mit denen die politisch und mit imperialer Gewalt Herrschenden die Völker bedrücken. Das hat die sozialgeschichtliche Exegese seit langem gezeigt.10

So ein Herrscher ist dieser nicht, sondern dessen Gegenentwurf. Er regiert nicht durch behauptete oder durchgeführte Machtausübung, sondern durch etwas viel Gewaltigeres, schwer zu Begreifendes, eher in paradoxen Bildern zu Beschreibendes. Mit der prophetischen Tradition von Jes 42, die auf das Volk Israel und in Mt 12,17-21 auf Jesus bezogen wird: Dies ist das Recht, das alle Welt lernen soll, ein schon geknicktes Rohr nicht zu zerbrechen, einen nur noch glimmenden Docht nicht auszulöschen. Mit leiser Stimme und ohne große Propaganda wirkt dieser Ruf. Er wird nicht aufhören, bis dieses Recht auf Erden gilt. Und deshalb kann der schöne Ausdruck in Mt 11,29 tapeinos tê kardia  mit: „von Herzen demütig“ übersetzt werden. Aber da tapeinos und sein hebr. Äquivalent dal gerade die politische Dimension von Unterdrückung bezeichnen, ist daneben eine andere Wiedergabe möglich, die aus einer Verneinung heraus deutlich macht, dass es um die Preisgabe jeglicher Form von Dominanz und Herrschaftsausübung geht: „mein Herz ist nicht auf Herrschaft aus“11. Das Rettende erscheint im fehlenden Willen zur Macht. In den privatesten wie in den weltumspannenden Beziehungen ist dies der Ursprung der Befreiung.

Mt 11,28-30:

28„So kommt doch alle zu mir, die ihr euch abmüht und belastet seid: Ich will euch ausruhen lassen. 29Nehmt meine Last auf euch und lernt von mir: Ich brauche keine Gewalt, und mein Herz ist nicht auf Herrschaft aus. So werdet ihr für euer Leben Ruhe finden. 30Denn meine Weisungen unterdrücken nicht, und meine Last ist leicht.“

Durch ihn, durch Jesus Christus, durch das Wort, das menschliches Leben wurde, wissen wir Heidenkinder etwas vom Herzen Gottes, das niemanden zwingt und für alle schlägt.

1 Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache, hg. v. U. Bail, F. Crüsemann, M. Crüsemann, E. Domay, J. Ebach, C. Janssen, H. Köhler, H. Kuhlmann, M. Leutzsch, L. Schottroff, Gütersloh 3. Aufl. 2007; die Übersetzung des 2 Kor ist von mir. Alle weiteren Bibelzitate in diesem Vortrag sind ebenfalls in der Regel nach der ‚Bibel in gerechter Sprache’.

2 Zur exegetischen Grundlegung s. meinen Aufsatz: Das weite Herz und die Gemeinschaft der Heiligen. 2 Kor 6,11-7,4 im sozialgeschichtlichen Kontext, in: F. Crüsemann, M. Crüsemann, C. Janssen, R. Kessler, B. Wehn (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel, Festschrift für Luise Schottroff zum 70. Geburtstag, Gütersloh 2004, 351-375.

3 Vgl. Silvia Schroer/Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 1998, 45-60.

4 Hannah Arendt, Denktagebuch, hg. v.  Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann, München u. Zürich 2002, 1. Bd. 1950-1973, VI/3, S.125f.

5 Thomas Macho, Europa hat keine Wurzeln, nicht einmal christliche, Literaturen 7/8 2008, 24-29, Zitate 26-28; Sammelrezension von: Paul Veyne, Als unsere Welt christlich wurde. Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht, München 2008; ders., Die griechisch-römische Religion. Kult, Frömmigkeit und Moral, Stuttgart 2008; ders., Glaubten die Griechen an ihre Mythen? Ein Versuch über die konstitutive Einbildungskraft, Frankfurt/M. 1987

6 Übersetzung aus der Lutherrevision 1984 und der Bibel in gerechter Sprache zusammengestellt.

7 Lothar Steiger, Erzählter Glaube, Gütersloh 1978, 121.123f.

8 Zum Folgenden Frank Crüsemann, Gott als Fremder, unveröff. MS 2008, sowie F.C., Gott und die Fremden. Eine biblische Erinnerung, in: ders., Maßstab Tora. Israels Weisung für christliche Ethik, Gütersloh 2. Aufl. 2004, 244-252.

9 Frank Crüsemann, Struktur und Systematik des Dekalogs. Eine These,  in: Berührungspunkte. Studien zur Sozial- und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt, Festschrift für Rainer Albertz zum 65. Geburtstag,, hg. v. I. Kottsieper, R. Schmitt, J. Wöhrle, AOAT 350, Münster 2008, 119-131.

10 Luise Schottroff, Das geschundene Volk und die Arbeit in der Ernte Gottes nach dem Matthäusevangelium, in: dies./Willy Schottroff (Hg.), Mitarbeiter der Schöpfung. Bibel und Arbeitswelt, München 1983, 149-206, 161f; Gerd Theißen, Wer sind die Mühseligen und Beladenen in Mt 11,28-30? Befreiungstheologische Motive im Heilandsruf Jesu, in: Dem Tod nicht glauben, FS Luise Schottroff, a.a.O. 49-66.

11 So in meiner Übersetzung von Mt 11,28-30 für das Vorgängerprojekt der ‚Bibel in gerechter Sprache’: Erhard Domay/Hanne Köhler (Hg.), der gottesdienst. Liturgische Texte in gerechter Sprache, Bd.4: Die Lesungen, Gütersloh 2001, 576. Luise Schottroff hat diese Lösung in ihrer Übersetzung des Matthäus-Evangeliums für die ‚Bibel in gerechter Sprache’ übernommen.