Predigt im Zeltgottesdienst, Friedersdorf

Wolfgang Huber

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.


Friedersdorf, den 29. August 2004

Liebe Corinna,

ich heiße Wolfgang Huber. Durch Zufall und ohne Absicht wurde ich Zeuge deines Gesprächs mit deinem Papa. Ich konnte nicht aufstehen und weggehen. Das wäre unhöflich gegenüber Herrn von der Marwitz gewesen, der mich eingeladen hat. Und auch die anderen, die dabei waren, hätten sich vielleicht gewundert. Also blieb ich sitzen und lauschte erst erstaunt und dann voller Spannung deinen Überlegungen und Fragen.

Du möchtest zu gern wissen, woran du einen Christen erkennen kannst. Weil ich nicht ganz sicher bin, ob das Gespräch mit deinem Papa und die Beratung mit deiner Freundin Kerstin alle Fragen geklärt haben, möchte ich Dir einige Gedanken dazu schreiben. Ich hoffe, Du hast ein bisschen Geduld für diesen Brief.

Also: wie wird man ein guter Christ? Dein Papa sagt, das geschieht einfach aus Tradition. Man werde da irgendwie hineingeboren. Du sagst, dass aus einer Maus, die in einer Keksbüchse geboren wurde, noch lange kein Keks wird; das finde ich sehr überzeugend.

Der Weg eines Christenmenschen beginnt mit der Taufe. Wir Christen berufen uns auf Jesus Christus, auf Gottes Sohn. Er hat schon seine Jünger beauftragt, in die Welt hinauszuziehen und alle, die auf Gott vertrauen wollen, zu taufen. Daran halten wir uns bis heute. Mit der Taufe beginnt für uns das Leben neu, wie schon für Jesus an Ostern ein neues Leben begonnen hat. Bei der Taufe wird der Täufling dreimal mit Wasser begossen; in manchen Kirchen wird er sogar ganz in Wasser getaucht. Das erinnert daran, dass Jesus gekreuzigt wurde und in das Todesreich hinab gestiegen ist. Die Taufe beendet das alte Leben und lässt das neue beginnen. So wie Gott Jesus Christus an Ostern von den Toten auferweckt hat, so werden wir aus dem gefährlichen Wasser gezogen. Deshalb werden wir bei der Taufe vom Pfarrer oder von der Pfarrerin gesegnet. Wir sollen unter Gottes Schutz bleiben. Dann spricht die ganze Gemeinde das Glaubensbekenntnis. Damit sagen sich die Christen gemeinsam, woran sie glauben. Sie setzen ihr Vertrauen nicht nur auf sich selbst; sie vertrauen auf Gott.

Dein Papa ist davon überzeugt, dass Christen eigentlich nicht unbedingt an Gott glauben müssen. Ich weiß auch, dass die Menschen von Gott sehr unterschiedliche Vorstellungen haben. Aber gar nicht an Gott zu glauben, ist nicht so einfach, wie dein Vater sich das vielleicht denkt. Die Leerstelle, die da bleibt, wird leicht von anderem gefüllt: von der Sehnsucht nach Geld, von Fernsehen oder Computerspielen beispielsweise. Wir Menschen sind sehr erfinderisch darin, unser Herz an etwas zu hängen, was wir damit zu unserem Gott machen.

Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass das Vertrauen zu Gott sehr wichtig ist. Das ist ein lebenswichtiger Schutz gegen solche falschen Götter. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ – so hat das ein alter Psalm ausgedrückt. Christen haben ihn wieder und wieder gebetet. Mit meiner Mutter habe ich ihn gesprochen, kurz bevor sie starb.

Mir hilft es, dass ich auf Gott vertraue. Der Sinn unseres Lebens hängt nicht nur an dem, was wir sehen können. Es hängt nicht alles von unseren Leistungen ab. Die schönsten Ereignisse erleben wir wie ein großes Geschenk. Er ist nicht unser Verdienst, dass wir geboren werden. Wir werden nicht einmal gefragt. Plötzlich wird unsere Nabelschnur durchtrennt, wir atmen, fangen an zu schreien und sind da. Was für ein Geschenk ist unser Leben!

Oder, liebe Corinna, wenn du daran denkst, wie glücklich es uns macht, dass andere Menschen uns lieben. Auch dies ist immer ein Geschenk und kann von niemandem erzwungen werden.

Dein Vater hat eine wichtige Bemerkung gemacht. Ihm fiel auf, dass viele Christen ihre Mitmenschen nicht vergessen. Sie bemühen sich darum, nicht nur an den eigenen Vorteil zu denken. Die anderen, denen wir begegnen, sind ebenso von Gott geliebte Menschen wie wir. Aus diesem Grund spielen das Mitgefühl und die Barmherzigkeit für Christen eine wichtige Rolle. In christlichen Familien und Gemeinden kannst du immer wieder beobachten, dass sie Menschen aufnehmen, die in Not sind. In jedem Gottesdienst wird Geld gesammelt, um anderen helfen zu können. Der Wunsch, anderen zu helfen, entsteht, weil Menschen, die an Gott glauben, wissen, dass sie selbst reich beschenkt sind. Da liegt es doch nahe, dass wir auch anderen gern beistehen.

Deine Freundin Kerstin ist der Meinung, dass Christen jeden Sonntag in die Kirche gehen müssen. Dein Papa sagt dagegen, in die Kirche zu gehen sei nicht nötig. Das sei nur etwas für die, die es nötig haben. Aber Hand aufs Herz: wer braucht das eigentlich nicht? Ehrlich gesagt: auch Deinem Papa würde es nichts schaden. „Du sollst den Feiertag heiligen“ – heißt eines der zehn Gebote. Oder anders: Ohne Sonntag gibt es nur Werktage.

Die zehn Gebote, in denen sich dieser Hinweis findet, sind nicht einfach wie staatliche Gesetze, die uns zu irgendetwas zwingen. Es handelt sich vielmehr um zehn Wegweisungen, in denen Gott uns eine gute Richtung für unser Leben zeigt. Gott stellt unsere Füße auf weiten Raum. Er möchte, dass unser Leben gelingt. Mit großem Wohlwollen begleitet er unseren Weg. Noch einmal kommt mir der alte Psalm in den Sinn: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.“

Eines der Gebote empfiehlt uns, dass wir den Feiertag heiligen. Auch für deinen Vater ist das eine gute Empfehlung: ein Tag für Gott – und für uns. Das schützt davor, dass wir immer nur arbeiten und nie aus unseren Angelegenheiten herauskommen. Dein Papa liest wahrscheinlich am Sonntag lieber ganz lange in einer dicken Zeitung. Dabei ist es so schön, wenn man mit anderen zusammen singt und auf die Botschaft der Bibel hört. Übrigens kann man in einer Kirchengemeinde auch viele Menschen treffen, die sich genau die gleichen Fragen stellen wie du. Menschen, die zusammen die gleichen Fragen stellen, schöpfen auch Mut, zusammen etwas zu tun. Sie lassen den Kopf nicht hängen und suchen nach Wegen, wie es besser werden kann. Auch das braucht man – gerade heutzutage. Beispielsweise finden viele, die nötigen Reformen in unserem Land müssten besser werden, als das bisher aussieht. Ich finde das übrigens auch.

Ich kenne Leute, die sagen: Das brauche ich nicht. Ich habe meinen Glauben; und beten kann ich überall. Aber eigentlich ist es nicht möglich, das Vertrauen zu Gott für sich allein zu behalten. Das ist wie mit einer schönen Obsttorte. Hast du schon einmal eine Torte ganz allein aufgegessen? Hoffentlich nicht. Wenn du deine Obsttorte nur für dich haben willst, schmeckt sie gar nicht. Allein kannst du sie gar nicht sofort aufessen; vielleicht verschimmelt sie sogar. Das ist dann sehr traurig. Wenn du sie dagegen mit anderen gemeinsam verspeist, macht das Spaß. Und die, mit denen du den Kuchen geteilt hast, die laden dich dann zu ihrem Geburtstag ein und bieten dir ihre Lieblingstorte an.

Vielleicht kannst du deine Familie einmal dafür begeistern, dass ihr zusammen zur Kirche geht. Dein Papa und deine Mama treffen dann vielleicht andere Erwachsene, mit denen sie gern reden. Sie sind dann sicher auch einverstanden, wenn du in den Konfirmandenunterricht gehst. Dort kannst du den Pfarrer alles fragen, was dich interessiert. Na ja, vielleicht nicht alles gleich beim ersten Mal; sonst ist er ein wenig überanstrengt.

Ich hoffe, dass du nicht so schnell mit dem Fragen aufhörst. Manche Erwachsene würden auch gern viele Fragen stellen, aber sie trauen sich nicht. Liebe Corinna, du bist ein wunderbares Mädchen. Bitte grüße auch deinen Papa und deine Freundin Kerstin von mir.

Gottes Segen wünsche ich Dir
Dein Wolfgang Huber


Liebe Gemeinde,
Ihnen allen möchte ich noch ein paar Gedanken sagen, die ich Corinna nicht aufgeschrieben habe.

Christ sein im Wandel der Zeiten
 
[frei entwickelt mit aktuellen Bezügen….]


1. Weitergabe des Evangeliums

· Kinder sind unsere Zukunft
· Visitation der Kinder- und Jugendarbeit
· Religionsunterricht
· Evangelische Schulen


2. Politische Verantwortung

· Die Wahlen am 19. September
· Mut zu Reformen und kritische Begleitung


3. Verantwortung für die Kultur des Helfens

· Diakonisches Handeln
· Beistand für die Schwachen


Schlusssatz: Woran erkennt man einen Christen?
Ein Christenmensch verbeugt sich vor Gott, sonst vor niemandem auf der Welt, es sei denn für andere.
Amen