Ansprache im Gottesdienst zur Einführung von Konsistorialpräsident Ulrich Stelemann am Sonntag Judika in St. Marien zu Berlin

Wolfgang Huber

Am 1. März hat Ulrich Seelemann, der neue Präsident des Konsistoriums, seinen Dienst angetreten. Zuversichtlich ging er ans Werk; mit Neugier und Spannung wurde er willkommen geheißen. Sein erster Tag im neuen Amt war bereits der Aufgabe gewidmet, die Veränderungen zu beraten, die angesichts knapper werdender Haushaltsmittel unumgänglich sind. So ist es weiter gegangen, den gestrigen Tag eingeschlossen. Eine Schonfrist war nicht vorgesehen.

Das Ringen um die inneren wie äußeren Rahmenbedingungen, unter denen unsere Kirche ihren Auftrag auszuführen hat, prägen den Dienst des neuen Konsistorialpräsidenten vom ersten Tag an. Und alle, die ihm in diesen ersten Tagen begegneten, hatten gleich das Gefühl: Er ist, was sein Name sagt – ein Mann mit Seele.

Heute, am Sonntag Judika, halten wir inne vor Gott und bitten um seinen Segen für den Weg und den Dienst unseres Konsistorialpräsidenten. Seine Frau und seine Familie schließen wir in unsere Bitte um Gottes Geleit ein. Sie haben, lieber Bruder Seelemann, ein Wort aus dem Neuen Testament gewählt, unter das Sie sich und Ihren Dienst stellen wollen. Im dritten Kapitel des Briefs an die christliche Gemeinde in Kolossä heißt es:

Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn. [Kol. 3,17]

Das ist ein guter Dreiklang: Alles, was ihr tut; der Name des Herrn Jesus und die Dankbarkeit.

Alles, was ihr tut: An Aufgaben ist kein Mangel. Eine Dienstleistungsbehörde ist zu führen, ein Kollegium zu leiten. Gemeinden und Kirchenkreise hoffen auf Beratung; Strukturfragen sind zu klären; der Beitrag unserer Kirche im Kreis aller Gliedkirchen der EKD ist zu gestalten. All das geschieht unter den Bedingungen menschlichen Handelns, das vorläufig, fehlbar, verbesserungsbedürftig ist. Unsere Kirche ist wie jede Kirche eine irdisch-geschichtliche Existenzform Jesu Christi; sie steht mitten in der alles andere als erlösten Welt. Aber sie will Antwort geben auf das erlösende Wort Gottes, das ihr ebenso gilt wie der Welt um sie her. Dass wir auf dieses Wort hören, dass wir es weitergeben und es Gestalt werden lassen, ist unsere gemeinsame Verantwortung.

Deshalb handeln wir nicht im eigenen Namen. Wir berufen uns auf den Namen des Herrn Jesus. Wir verweisen auf den Namen dessen, dem wir das erlösende Wort verdanken: Kehrt um und glaubt an das Evangelium. Wir sind Kirche Jesu Christi. Auch in der rechtlichen Gestalt, auch im Umgang mit äußeren Rahmenbedingungen kann und soll das deutlich werden.

Wir berufen uns auf ihn, weil in ihm Gott Mensch geworden ist. Auf diese Menschwerdung Gottes hat Martin Luther sich mit der kühnen Aussage berufen, dass Gott den Menschen durch den Menschen retten will; er ist darauf aus, dass das Heil dem Menschen durch den Menschen begegnet. Darin liegt der Auftrag der Kirche. Kein Mensch – davon war Luther überzeugt – soll sich anmaßen, er bedürfe zu seinem Heil nicht anderer Menschen, weil er unmittelbar zu Gott sei. Das Wort Gottes begegnet uns nicht anders als in menschlichen Worten. Und das Recht Gottes, nämlich, dass er dass Heil der Menschen will, begegnet uns nicht anders  als im menschlichen Recht, in von Menschen zu verantwortender Rechtsgestaltung.

Und dankt Gott, dem Vater, durch ihn. Die Dankbarkeit ist der dritte Ton im Dreiklang dieses Tages. Es war der Heidelberger Katechismus, die reformierte Bekenntnisschrift unserer Kirche, der das ganze Handeln des Menschen und damit auch das Handeln der Kirche unter die Überschrift der Dankbarkeit stellte. Heute begegnet uns die biblische Wurzel für diesen Gedanken. All unsere Worte und Werke, die wir in Jesu Namen sagen oder tun, sind Ausdruck unserer Dankbarkeit gegenüber Gott dem Vater. Alles, was wir in unserer Kirche sagen oder tun, bleibt bruchstückhaft, offen nach vorn. Niemals in der menschlichen Geschichte werden wir etwas so zustande bringen, dass nichts mehr zu hoffen bliebe. Dass das für unsere heutige Situation gilt, ist mit Händen zu greifen – in Staat und Gesellschaft wie in der Kirche. Aber jede Generation steht vor der Aufgabe, sich um das ihr mögliche Maß des Gelingens zu bemühen. Und wir dürfen uns am Gelingen freuen. Auch daran sollte man in einer Zeit erinnern, in der wir im Jammern oft so viel größere Fertigkeiten entwickeln als im Danken. Unsere Worte und Werke sollen den Dank an Gott zum Ausdruck bringen für das, was uns anvertraut ist. Es ist gut, dass wir daran gerade heute erinnert werden.

Ich kann mir für einen Juristen keine schönere Aufgabe denken, als an der Gestaltung der Kirche Jesu Christi mitzuwirken. Ich kann mir keinen reizvolleren Ort denken als unsere Region mit ihren vielschichtigen Herausforderungen. Unsere Kirche reicht von der Westprignitz über die Mitte Berlins bis nach Görlitz. Zur Landeskirche gehören Gebiete, in denen Strukturwandel, Arbeitslosigkeit und fehlende Kinder bedrängende Fragen nach der Zukunft aufwerfen. Hier in Berlin-Mitte ist ein Kirchenkreis über den für manche schon unerkennbar gewordenen Mauerstreifen hinweg zusammengewachsen. Und in Görlitz ist zu ahnen, wie stark der europäische Verbund unsere Zukunft prägen wird.

Was wir als Kirche unter diesen vielfältigen Bedingungen tun, wird dadurch zusammengehalten, dass wir unsere Worte und unsere Werke jeden Tag neu auf Christus hin ausrichten. Ein Konsistorialpräsident, der das Konsistorium unter diesem Grundsatz führen möchte, kann das Kollegium und die Kirchenleitung immer an seiner Seite wissen. Miteinander sind wir in dieser bewegten Zeit durch die Zuwendung Gottes gehalten und getragen. Seine Zusage gilt unverbrüchlich für jede und für jeden unter uns. Und deshalb gehen wir fröhlich ans Werk.

Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.


Amen