Predigt im Festgottesdienst in der Himmelfahrtkirche zu Jerusalem (Markus 16,9-15)

Wolfgang Huber

I.

Liebe Festgemeinde hier in der Himmelfahrtkirche,

Ich kann nur hoffen, dass es mir heute besser ergeht als Maria von Magdala damals. Sie stimmte den Ton der Freude und der Dankbarkeit an; aber es dauerte einige Zeit, bis man ihr glaubte. Auch ich kann gar nicht anders, als den Ton der Freude und der Dankbarkeit anzustimmen; und ich hoffe, Sie stimmen in diesen Ton mit ein. Maria teilt ihre Freude mit; und ich kann gar nicht anders, als an diesem festlichen Tag der großen Freude über die Gemeinschaft Ausdruck zu geben, die wir in der Woche unseres Besuchs hier in Jerusalem erlebt haben und die nun ganz besonders in diesem Gottesdienst Gestalt annimmt.

Verbunden sind wir im Gebet zu Gott, im Hören auf sein Wort, in der Feier des Heiligen Abendmahls. Wir bekräftigen feierlich die Gemeinschaft zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land und der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wir gedenken miteinander der Geschichte, die sich mit der Auguste-Victoria-Stiftung und der Himmelfahrtkirche verbindet. Auf der Grundlage dieser Geschichte kann die Gemeinschaft wachsen zwischen unseren Kirchen wie zwischen den Gemeinden am Ort, zwischen den deutschen Institutionen in Jerusalem und im Heiligen Land, die uns anvertraut sind, und den Christen, die ihrem Leben hier Gestalt geben und die wir in die Zukunft begleiten wollen. Gebe Gott, dass es eine gute Zukunft ist.

Wir schließen uns Maria an, der ersten Zeugin der Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Für sie ist die Begegnung mit dem Auferstandenen der Grund österlicher Freude. Sie trägt sie zu den Jüngern. Sie trägt sie zu uns. Ob wir ihr glauben?

II.

Begleiten wir Maria auf ihrem Weg, so tritt zu dem Ton österlicher Freude die Stimmung ungläubiger Verzagtheit hinzu. Die erste Reaktion der Jünger ist von Hoffnungslosigkeit geprägt. Sie stammt aus der Situation von Menschen, die Leid tragen und darüber weinen. Die dem Tod begegneten, wo sie Leben suchten. Die Zerstörung sahen, als sie aufbrechen wollten.

Da haben wir die ganze Spannweite menschlicher Existenz: Freude, die nicht an sich halten kann, dort; Verzweiflung, die nichts an sich heran kommen lässt, hier. In dieser Spannung leben wir als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu auch heute. Sie gehört zu unserem Glauben. Wir sind selbst Menschen, Die Leid tragen und weinen: Wenn wir durch Yad Vashem gehen und das Grauen erinnern, das dort vergegenwärtigt wird. Wenn wir die Friedlosigkeit sehen, die den Nahen Osten bestimmt und sich in gigantischen Sicherheitsmaßnahmen Ausdruck verschafft. Wenn wir durch die Checkpoints gehen oder die Wege sehen, die unseren Mitchristen versperrt sind. Aber selten ist mir der Osterjubel näher gegangen als eben in dieser Situation. Und von Herzen gern habe ich in diesen Tagen ausgerufen: Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.

Diese Spannung prägt auch den Ort, an dem wir uns versammeln – in der Vielgestaltigkeit der Zeiten, die er gesehen hat, der Aufgaben, die hier wahrgenommen werden, der Hoffnungen wie der Befürchtungen, die hier gehegt werden. Vor allem anderen  ist dieses Gelände, dessen Grundstein vor hundert Jahren gelegt wurde, ein Ort für Pilger: für Menschen auf der Suche nach dem Heil wie nach den Wurzeln ihres Glaubens, für Menschen auf der Suche nach Gesundheit oder beim Abschied vom Leben. Unterwegs zwischen Verzagtheit und Hoffnung, pilgernd im Glauben oder dem Glauben fern, doch umfangen von der Verheißung dessen, der sein Evangelium aller Kreatur anvertraut.

III.

Mit heißem Herzen haben wir teilgenommen an dem Leid, das im Heiligen Land unübersehbar ist. Und doch begegnet uns in diesen Tagen auch der Auferstandene selbst. Unser Unglaube und unseres Herzens Härte behalten nicht das letzte Wort. Wir können ihn wahrnehmen, den Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Jugendliche haben wir in diesen Tagen erlebt, die über die Wahrheit von Träumen sprachen. Menschen sind uns begegnet, die aus der Geschichte lernen wollen. Entschlossene haben uns davon berichtet, wie sie der Selbstbestimmung der Menschen Bahn brechen wollen. Mutige traten uns entgegen, die von ihren Visionen nicht ablassen. Das Bekenntnis wird konkret, dass Gott den Menschen nach seinem Bild schuf – b`tselem.

Der Glaube an den Auferstandenen weckt eine Hoffnung, die über den Horizont bitterer Erfahrungen hinausführt. Er hält sich an die Liebe, die Räume öffnet und Brücken baut. Am Ursprungsort unseres christlichen Glaubens zeigt sich ein Mosaik dieser Hoffnung und dieser Liebe. Wie Touristen und Pilger sich durch die Erhabenheit und Weite des Blicks vom Turm dieser Kirche anrühren lassen, so kann sich der Blick des Glaubens gestärkt wissen durch die Vielzahl der Zeichen von Hoffnung und Liebe, die im weiten Umkreis dieser Kirche zu finden sind.

IV.

Gewiss: Der Zweifel bleibt nahe. Dem Zeugnis der Maria von Magdala wollten die Jünger zunächst so wenig vertrauen wie den beiden, denen sich der Auferstandene unterwegs offenbarte. Aber unser Herr Jesus Christus lässt die Seinen nicht allein. Schritt für Schritt tritt er mitten unter sie.

Gerade ihnen traut er zu, seine Zeugen zu sein. Er ruft auch uns als seine Nachfolgerinnen und Nachfolger in die Verantwortung für sein Wort – auch dort, wo wir in der Gemeinschaft mit Menschen anderen Glaubens leben. Er sendet uns in die Welt. Er macht uns zu Botschafterinnen und Botschaftern des Evangeliums. Unser Zeugnis wird vom Grundton der Freude bestimmt sein. In ihn wollen wir einstimmen. Heute, morgen und in Ewigkeit.

Amen.