Predigt im Festgottesdienst anlässlich der Einweihung des Kirchen- und Gemeindezentrums „Die Arche“ in Fichtenwalde

Wolfgang Huber

Genesis 8,20-22

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Es gibt bestimmte Orte, an die ich mich genau erinnere, obwohl ich nur einmal dort war. Aber dort habe ich einen Regenbogen gesehen, vielleicht sogar einen doppelten. Das hat sich mir eingeprägt und es bleibt für immer verbunden mit diesem besonderen Ort – einer Straße, einem weiten Feld, einem See. Wann immer ich einen Regenbogen sehe, weiß ich gewiss: Dunkelheit und Regen behalten nicht das letzte Wort. Das Licht setzt sich durch – in allen Farben, zu denen es fähig ist. Wir stehen unter einer Verheißung; auf sie können wir uns verlassen. Wenn ein Regenbogen am Himmel steht, durchströmt uns ein Glücksgefühl. Seit Noahs Zeiten ist der Regenbogen das Zeichen dafür, dass Gott mit uns im Bunde steht. Am Ende der großen Flut, die die ganze Erde unter sich begrub, wird der Regenbogen zum Zeichen dafür, dass Gott seinen Bund mit den Menschen nicht aufgekündigt hat.

Aus dem Zusammenhang der Geschichte um Sintflut, Arche und Regenbogen stammt der Predigttext für unseren Gottesdienst. Nachdem die Brunnen der Tiefe wieder verstopft wurden und sich die Fenster des Himmels schlossen, gab das Wasser die Erde frei. Die in der Arche versammelte Notgemeinschaft konnte das rettende Schiff verlassen. Im 1. Mose 8,20-22 heißt es:

Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Der Regenbogen ist ein Zeichen unsagbaren Glücks. Er erinnert an die Zusage Gottes, dass Wohlwollen und Segen auf unserem Leben ruhen.

Diese wunderbare Kostbarkeit ist umgeben von einigen Dornen, die zwar beachtet, aber dennoch nicht mit den Rosenblüten verwechselt werden dürfen.

Der erste kantige und spitze Stachel lautet: Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.  Mit solchen Formulierungen tun sich manche von uns schwer, weil sie ein kleines zartes Kind vor Augen haben, das doch keiner Menschenseele etwas zuleide tun kann. Dennoch formuliert die Bibel: Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.  Ausgesprochen auf dem Boden der ehemaligen DDR, erhält die biblische Aussage vom menschlichen Dichten und Trachten einen anderen Klang. Die entwickelte sozialistische Gesellschaft galt als Modell dafür, dass der Weg in den Kommunismus nicht mehr weit sei. Der neue Mensch würde im Kommunismus mit den anderen guten Menschen alles teilen, so die Utopie, die sich verkehrte in einen Unrechtsstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger entmündigte.

Der Apostel Paulus hat lange nach dem Entstehen der Geschichte von der Sintflut die Dramatik des menschlichen Lebens auf vergleichbare Weise in Worte gefasst: Denn das Gute, dass ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Im Anschluss an unsere biblische Überlieferung gehört es geradezu zu den Markenzeichen von Christen, dass sie sich nicht für eine bessere Sorte von Menschen halten, dass sie allerdings besser um die Bedrohung des menschlichen Lebens durch die Macht der Sünde wissen und diese Bedrohung nicht leichtsinnig wegwischen.

Der zweite Dorn des Predigttextes sticht ebenfalls: Von Gott wird gesagt, dass er den lieblichen Geruch der ihm dargebrachten Opfer in der Nase spürte und auf diese Weise seinen Zorn besänftigen ließ. Innerlich rebellieren viele dagegen, dass Gott so dargestellt wird. Der von Martin Luther stammende Hinweis, dass die Schrift sich selbst interpretiert, mag hier weiterhelfen. Denn die Bibel selbst erhebt Widerspruch. Beim Propheten  Hosea heißt es von Gott mit großer Klarheit: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Unsere Opfer oder unsere schönen Gottesdienste sind Zeichen dafür, dass wir uns an Gottes Güte freuen; sie sind keine Mittel, um diese Güte herbeizuführen.

Der Regenbogen scheint auf Blüten und Dornen, auf Unkraut und Weizen und über Groß und Klein. Wenn ich einen Regenbogen sehe, erfüllt mich das mit Zuversicht. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Gott steht für unsere Zukunft ein. Darauf vertraue ich. Aus dieser Zusage erwächst zugleich unsere Verantwortung dafür, dass wir mit Entschlossenheit das tun, was in unseren Möglichkeiten steht, um unsere Schöpfung zu bewahren.

Unser festliches Beisammensein am heutigen Tag gleicht einem Augenblick der Freude über das bunte Lichtband Gottes in den Wolken. Heute halten wir unter freiem Himmel inne vor Gott, ehe wir in das neue Gemeindehaus einziehen werden. Sie haben in Fichtenwalde Mut zur Zukunft bewiesen. Ihr Gottvertrauen und Ihre Fähigkeit zusammenzustehen haben sich bewährt. Ihre Kirchengemeinde möchte Räume eröffnen, die von Jung und Alt genutzt werden können. Sie wollen zeigen, dass ein Miteinander im Geist des Evangeliums möglich ist.  Ich vermute, dass den Wetterforschern auf dem Potsdamer Telegrafenberg bald eine starke Häufung von Regenbögen über Fichtenwalde auffallen wird.

Sie haben nicht gefragt: Was tut meine Kirche, was tut mein Land für mich und meine Kinder? Sie haben die Frage umgedreht und gemeinsam überlegt, was Sie für Jung und Alt und damit zugleich für unser Gemeinwesen  tun können.

Heute wünsche ich Ihrer Kirchengemeinde, den Einwohnern Fichtenwaldes und allen Gäste, dass das neue Gemeindehaus wahrgenommen wird als ein Haus mit offenen Fenstern zum Himmel und einer offenen Tür zur Welt. In diesem Haus wird es Raum dafür geben, dass Sinn entdeckt und Leben gedeutet, Erinnerung geschult und Hoffnung gestärkt werden. Hier wird fröhlich gefeiert, manchmal auch tief in die Nacht. In dem neuen Gemeindehaus werden sich Zeit und Raum finden für wichtige Gespräche oder auch für kurze, aber wesentliche Begegnungen zwischen Tür und Angel.

Wir wissen: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der dich beschützt und der dir hilft zu leben. Wir freuen uns, dass Fichtenwalde heute ein Stück Zuversicht und Zukunft gewonnen hat. Wie einst Noah an der Arche werkelte, so haben sie in Ihrer Gemeinde gemeinsam das Gemeindehaus geplant und den Bau begleitet und nun fertig gestellt.

Deutlich nehmen wir heute wahr, wohin es führen kann, wenn Menschen moralisch und religiös wurzellos werden. Wir haben vor Augen, was geschieht, wenn Menschen sich im Privaten einigeln und die Mitte des Ortes als leeren Fleck denen überlassen, die danach greifen. Sie haben sich entschieden, einen anderen Weg gehen: einen Weg, auf dem Menschen ihre Wurzeln finden und auf die Zukunft vorbereitet werden.

Wo das gemeinsame Leben und Lernen vernachlässigt werden, wird an der Zerstörung der Welt gearbeitet. Aber der Zerstörung widerstehen Menschen, die Grund unter den Füßen und die Mitmenschen im Blick haben. In der Hinwendung zu Jesus Christus lässt sich in immer neuen Facetten entdecken, wie das Vertrauen auf den unsichtbaren Gott und die Hinwendung zu den sichtbaren Mitmenschen untrennbar miteinander verbunden sind. Das neue Gemeindehaus wird insbesondere in diesem Sinne ein Haus des Lernens sein. Ein Gemeindehaus ist ein Haus des Entdeckens, des Sammelns von Erfahrungen, des Fragens, der Muße, des Probierens, des Zeit Lassens und Zeit Habens, des gemeinsamen Gestaltens.

Im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde Fichtenwalde werden nun Menschen ein- und ausgehen. Menschlichkeit aber kann sich nur dort ausbilden, wo Menschen als solche wert geachtet und nicht nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, wozu sie nütze sind. Der Verantwortung für ein ausreichend weit gespanntes Verständnis von Gemeindearbeit kann und will sich die evangelische Kirche nicht entziehen. Und wir wollen dabei um unserer selbst willen auf die bunten Farben des Regenbogens achten. So wichtig es ist, dass wir dafür in unseren Gemeinden eintreten in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in Christenlehre und Konfirmandenarbeit, so wichtig ist es auch, dass wir in unseren Kirchengemeinden dafür sorgen, dass das Miteinander der Generationen bei Gottesdiensten, Festen und Gemeindeseminaren Raum hat.

Der Regenbogen ist eine eindrucksvolle optische Naturerscheinung in Form eines kreisbogenförmigen, intensiv farbigen Lichtbandes, das von feinverteilten sonnenbeschienenen Regentropfen gebildet wird. Dieses Lichtband enthält alle Spektralfarben und wird hervorgerufen durch wellenlängenabhängige Brechung sowie durch die Richtungscharakteristik bei der inneren Reflexion des Sonnenlichtes an den annähernd kugelförmigen Wassertropfen.

So kann man es in dem Internetnachschlagewerk „Wikipedia“ lesen. Klug ist das gesagt; aber das Geheimnis des Regenbogens löst eine solche Erklärung nicht auf. Wenn ein Regenbogen am Himmel steht, durchströmt uns ein Glücksgefühl. Wir spüren das Besondere eines solchen Augenblicks und halten inne. Am Ende des Regenbogens, so heißt es, soll ein Schatz verborgen sein. Wer weiß, welche Entdeckungen sich ereignen und welche Schätze bald gehoben werden, wenn Sie das Gemeindehaus offen halten und dafür sorgen, dass Menschen sich unter dem Dach dieses Hauses begegnen können. Gott hat seinen farbigen Lichtbogen in die Wolken gesetzt, um uns daran zu erinnern, dass wir uns bei ihm geborgen wissen dürfen. Der Regenbogen ist Gottes Zeichen dafür, dass er mit uns im Bunde steht.

Amen.