Ansprache zur Einführung von Stephan Dorgerloh als Beauftragtem des Rates der EKD in Wittenberg, Schlosskirche zu Wittenberg

Wolfgang Huber

Es liegt noch nicht lange zurück, da wurde die Schlosskirche in Wittenberg nach dem Kölner Dom und dem Brandenburger Tor als der drittwichtigste Ort in Deutschland ausgewählt. Diesen herausragenden Ruf verdankt diese Kirche weder ihrer Lage neben einem festungsähnlich ausgebauten Schloss noch der Bedeutung der Stadt Wittenberg zur Bauzeit der Kirche zwischen 1490 und 1510. Hätte es seinerzeit schon Fernsehen gegeben, könnten wir nicht einmal sicher sein, ob der 31. Oktober 1517 live übertragen worden wäre, der Tag, von dem überliefert ist, dass an ihm Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche geschlagen hat. Aber im Rückblick hat sich die überragende Bedeutung dieses Tages im allgemeinen Bewusstsein verankert; sie aber ist unlöslich mit der Schlosskirche in Wittenberg verbunden, die dadurch zum Symbolort für die Reformation geworden ist. Die Reformation als ein Ereignis von weltgeschichtlicher Ausstrahlung hat hier einen besonderen Haftpunkt.

Mit der Berufung eines Beauftragten in Wittenberg trägt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland der besonderen Bedeutung der Lutherstadt und des von ihr ausgehenden reformatorischen Aufbruchs für die evangelische Kirche Rechnung. Zu den Aufgaben des neuen Prälaten gehört die Koordination der Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum „Luther 2017 – 500 Jahre Reformation“. Er wird die vielfältigen Vorhaben zum Reformationsjubiläum begleiten und dabei den geistlichen und theologischen Gehalt zum Leuchten bringen, der sich mit dem Erbe der Reformation für Gegenwart und Zukunft verbindet. Bodenhaftung und Weite wird er dabei verbinden. Dabei liegt mir heute die Weite besonders am Herzen. Gerade komme ich von einem Besuch bei lutherischen Kirchen in Namibia, Südafrika und Äthiopien zurück. Ich bin so kühn zu hoffen, dass sie am Reformationsgedenken genauso teilnehmen können wie Mitchristen aus Nordamerika oder Skandinavien. Man muss zu kühnen Gedanken bereit sein, wenn man sich der Reformation erinnert.

Es liegt deshalb eine tiefe Weisheit in der Wahl des biblischen Wortes, das über Ihrer Einführung stehen soll, lieber Bruder Stephan Dorgerloh: „Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen“ (Psalm 127,1). In der Fülle kühner Pläne und ihrer tastenden Umsetzung lenkt dieses Wort die Aufmerksamkeit auf den gnädigen und barmherzigen Gott. Oder mit Worten Martin Luthers: „Du sollst wissen, dass du nur ein Werkzeug bist, ein anderer aber der oberste Politiker, Rat und Hausherr ist, nämlich der Herr.“ Auf befreiende und entlastende Weise wird die eigene Bedeutsamkeit an den richtigen Platz gestellt. Unser Tun steht in Gottes Hand. Was wir bewirken, ist nicht das Letzte, was geschieht. Gott, so wiederum Martin Luther „behütet die Stadt, er geht nicht hinweg, wenn das Haus gebaut ist, wie ein Architekt, sondern er hat es gemacht und bleibt dabei.“ Weil Gott der Hausherr ist, dürfen wir ihn an unserer Seite wissen.

Lieber Bruder Dorgerloh, die Gewissheit, dass Gott mit Ihnen geht und Ihr Tun an den richtigen Ort stellt, soll Sie in Ihrer neuen Aufgabe begleiten. Damit Ihnen das im Bewusstsein bleibt, will ich Ihnen drei Segensbitten mitgeben.

Seien Sie ein „Botschafter der Güte Gottes“. Dass wir dem gütigen Gott die Ehre geben, schließt Würdigung und Anerkennung der Menschen und die Zuwendung zu ihnen ein. Wer im Dienst des Evangeliums steht, schaut nicht auf Lücken oder Grenzen, sondern er gibt die Freiheit weiter, die das Evangelium uns schenkt. Er versucht die Menschen in ihrer jeweiligen Verantwortung zu stärken und zu stützen.

Seien Sie ein "Echolot der Tiefe". In der Bibel und der christlichen Überlieferung liegen Schätze verborgen, die zu heben alle Anstrengung lohnt. Bleiben Sie auf Luthers Spuren, orientiert an der Bibel, bereit zu neuen Entdeckungen, die auch in unserer modernen Welt Halt und Orientierung geben.

Seien Sie ein "Hüter der Seelen". Seien Sie auch in diesem besonderen Amt ein Seelsorger, der das Schicksal des einzelnen Menschen im Auge hat. Denn Wittenberg mit seiner Schlosskirche ist ein Ort der Hoffnung, über alle touristische Neugierde hinaus. Gottes Wort und des Menschen Seele sollen hier zueinander finden.

Immer wieder schärfte Martin Luther mit dem Psalmisten ein, dass das Gelingen nicht an unserem Tun, sondern an Gottes Beistand und Segen liegt. Doch vorsichtshalber fügte er hinzu: „Aber das ist nicht so zu verstehen, als verböte er zu arbeiten.“ Ihnen hätte er das gewiss nicht sagen müssen; Sie sind bereits an der Arbeit und richten den Blick auf das Jahr 2017.

Weil wir Gott im Regiment wissen, sind wir bereit, Wagnisse einzugehen und neue Schritte zu erproben. „Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“

Amen.