Predigt beim Aussiedlertag in Fürstenwalde (Jesaja 12, 1-2)

24. August 2002

„Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, Herr, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der Herr ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.“ 

(Jesaja 12, 1-2)

Liebe festliche Gemeinde hier am Fürstenwalder Dom, liebe Schwestern und Brüder!

„Jetzt habe ich mir vorgenommen, jeden Tag drei Sachen zum Loben zu finden“. Dieses Versprechen hat ein Christenmensch unserer Tage einmal abgelegt. Das ist eine verblüffende Selbstverpflichtung. Jeden Tag drei Sachen zum Loben. Es kann dabei darum gehen, Menschen zu loben. Hast du dein Kind heute schon gelobt? So heißt eine wichtige Frage. Aber noch wichtiger ist die Frage: Hast du Gott heute schon gelobt? Hast du dich heute schon daran erinnert, was er dir Gutes getan hat?

„Jetzt habe ich mir vorgenommen, jeden Tag drei Sachen zum Loben zu finden.“ Das ist auch der Ton beim Propheten Jesaja. „Ich danke dir, Herr“. Damit fängt alles an. Es soll auch der entscheidende Ton für den heutigen Tag sein. Auch für diesen Tag habe ich mir vorgenommen, drei Sachen zum Loben zu finden. Ich lobe Gott dafür, dass wir heute hier zusammen sind. Ich lobe ihn für die gnädige Führung, die Sie alle in Ihrem Leben erfahren haben. Und ich lobe ihn für die Bewahrung vieler Menschen in den Wasserfluten dieser Tage. Drei Gründe zum Gotteslob an diesem Tag.

1.
Ich lobe Gott dafür, dass Sie alle da sind, liebe Schwestern und Brüder! Das ist das erste. Den zehnten Evangelischen Gemeindetag für Aussiedler feiern wir heute miteinander. „Nehmet einander an“, so heißt die biblische Aufforderung, unter der wir uns Jahr für Jahr wieder versammeln: „Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat, zum Lobe Gottes“. Davon ist jeder unserer Gemeindetage geprägt, auch dieser zehnte. Von nah und fern sind Sie gekommen; und auf dem Weg hierher sind Sie bewahrt geblieben. Alte Freunde treffen Sie wieder, neue Begegnungen werden möglich. Einen neuen Teil der neuen Heimat lernen Sie kennen; Sie ermutigen sich wechselseitig, weiter Ihren Weg zu gehen – in Gottvertrauen und Zuversicht.

Ich lobe Gott für unsere Gemeinschaft, das ist das erste.

2.
Ich lobe ihn für gnädige Bewahrung – das ist das zweite. Die prophetische Botschaft hat sich ursprünglich an Menschen gerichtet, die in Babylon in der Verbannung gelebt haben. Ihnen, den Aussiedlerinnen und Aussiedlern, ist das eine vertraute Erfahrung. „An den Wassern Babylons saßen wir und weinten“ – das ist ein Lebensgefühl, das Sie nachvollziehen können.

Aber Gottes Zorn hat sich gewendet. Gott selbst hat in Jesus diese Wendung herbeigeführt. Jeder Tag unseres Lebens ist offen dafür, dass sich die Wende wiederholt, die mit Jesus in unsere Welt gekommen ist.

Ein Neuanfang ist möglich. Sie haben das selbst erlebt. Sie haben Ihr Geschick in die Hand genommen und sich dazu entschlossen, in Deutschland einen neuen Anfang zu machen. Sie sind heil an Leib und Seele hier angekommen, haben eine neue Heimat gesucht und gefunden.

Auch das ist ein Grund, Gott zu loben. Denn wenn Dankbarkeit unser Leben bestimmt, dann ist es auch viel leichter, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, die vor einem liegen. Manchmal türmen sich die Sorgen ja wie ein hoher Berg: Wohnung, Arbeit, Ausbildung der Kinder, Gesundheit – da sind manchmal Fragen über Fragen. Aber es findet sich ein Weg, wenn wir die Dankbarkeit nicht vergessen.

Gott ist mein Heil, darum fürchte ich mich nicht. Dass er Sie geführt hat auf Ihrem Weg aus der alten Heimat in die neue, das ist das zweite Lob, das ich an diesem Tag aussprechen will.

3.
Und das dritte? Auch am heutigen Tag kann ich nicht absehen von der gewaltigen Flut, die uns in Deutschland betroffen hat. Die Elbe ist über die Ufer getreten, wie wir das noch nie erlebt haben. Menschen kamen zu Tode und werden vermisst. Menschen verloren Hab und Gut und wissen nicht, wie es weiter geht. Wir haben Grund, mit den Trauernden zu trauern, mit den Weinenden zu weinen.

Aber auch viel Bewahrung haben wir erlebt in diesen Tagen. Eine unermessliche Zahl von Helfern hat sich auf den Weg gemacht. Tag und Nacht haben sie sich bis zum Umfallen eingesetzt, um die Deiche höher und fester zu machen. Und an vielen Stellen hatten sie Erfolg. Eine Welle der Hilfsbereitschaft geht durch unser Land und durch unsere Kirche. Die Betroffenen wissen: Wir sind nicht allein. Morgen werde ich wieder in das Hochwassergebiet fahren und mit den Menschen Gottesdienst feiern werde, die fürchten mussten, das Wasser könne sie verschlingen. Auch sie sollen sagen: „Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der Herr ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.“

Ich wünsche uns allen einen gesegneten Gemeindetag. Bleiben Sie behütet von dem Gott, auf den wir uns verlassen können. Denn er wendet seinen Zorn und tröstet uns. Amen.