Bibelarbeit auf dem Kirchentag (Maleachi 2,17-3,24)

Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann

Halle 2, Messegelände

Guten Morgen!

Ich hoffe, Sie alle hatten einen schönen Abend der Begegnung. Wir haben uns lange auf Sie gefreut als hannoversche Landeskirche, und es war schön, zum Auftakt erst einmal einen Gottesdienst und ein Fest miteinander zu feiern. Heute beginnen wir mit der Arbeit. Für die Langschläferinnen und Langschläfer ist erstmals die Bibelarbeit auf 9:30 Uhr gelegt. Einige haben schon gesagt, das entspräche aber nicht dem protestantischen Arbeitsethos. Das mag sein, aber dafür sind jetzt alle hoffentlich rechtzeitig angekommen bei den Bibelarbeiten und hellwach. Denn das ist auch nötig. Wir haben einen langen und schwierigen Text vor uns heute Morgen.

Lassen wir uns also ein auf diese Worte. Wir befinden uns auf den letzten Seiten des hebräischen Teils der Bibel. Der Prophet Maleachi schreibt sein kleines Buch in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Christus. Die Menschen sind aus dem Exil in Babylon heimgekehrt, der Tempel ist wieder aufgebaut. Alles könnte gut sein – sozusagen 60 Jahre nach Kriegsende..., aber der Glaube und die Hoffnung auf die Zukunft sind auf der Strecke geblieben.

Unser Bibelarbeitstext besteht aus drei Dialogen oder auch Disputationen. Vielleicht mögen Sie ihn aufschlagen und mitlesen. Auf S. 24 und 36 finden Sie die Lutherübersetzung in der Überarbeitung von 1984, parallel dazu auf den Seiten 25 und 27 die eigens für diesen Kirchentag von einer kleinen Gruppe von Exegetinnen und Exegeten erstellte Übersetzung. Sie bemüht sich darum, dem hebräischen Urtext gerecht zu werden, eine frauengerechte Sprache zu verwenden, die Erkenntnis aus dem jüdisch-christlichen Dialog aufzunehmen und eine verstehbare Sprache zu verwenden.

1. Disputation
2, 17-3,5 - Gottes Gericht kommt bald.


MK: Ihr macht den Herrn unwillig durch euer Reden! Ihr aber sprecht:

NN: "Womit machen wir ihn unwillig?"

MK: Dadurch dass ihr sprecht:  

NN: "Wer Böses tut, der gefällt dem Herrn, und an solchen hat er Freude",

MK: oder:

NN: "Wo ist der Gott, der da straft?"

MK: Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir her den Weg bereiten soll. Und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht; und der Engel des Bundes, den ihr begehrt, siehe, er kommt!, spricht der Herr Zebaoth.

Wer wird aber den Tag seines Kommens ertragen können und wer wird bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer eines Schmelzers und wie die Lauge der Wäscher.

Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen, er wird die Söhne Levi reinigen und läutern wie Gold und Silber. Dann werden sie dem Herrn Opfer bringen in Gerechtigkeit, und es wird dem Herrn wohlgefallen das Opfer Judas und Jerusalems wie vormals und vor langen Jahren. Und ich will zu euch kommen zum Gericht und will ein schneller Zeuge sein gegen die Zauberer, Ehebrecher, Meineidigen und gegen die, die Gewalt und Unrecht tun den Tagelöhnern, Witwen und Waisen und die den Fremdling drücken und mich nicht fürchten, spricht der Herr Zebaoth.

Das klingt wie eine Drohung! Ja, das ist eine Drohung: Ihr macht den Herrn unwillig. Oder besser die Übersetzung: Ihr nervt Gott!! Und womit nerven die Menschen Gott? Mit der ewigen Frage: „Wo ist denn Gott und schafft Recht?“ Das war die Frage sowohl derer, die sich in Israel gnadenlos bereichert haben, als auch die Frage der Verbitterten und Enttäuschten. Das war auch die Dauerfrage beim Tsunami: Wie kann Gott das zulassen? Vor allem diejenigen, die im Alltag nie nach Gott fragen, sie haben geradezu vorwurfsvoll den Glaubenden diese Frage vor die Füße geworfen. Kannst du an Gott glauben, wenn es solche Katastrophen gibt?

Und es sind die Zyniker dieser Welt, die sagen: Guck doch mal, wer sich an keine sozialen Regeln hält, dem geht es auch noch gut! Da entlässt die Deutsche Bank ein paar tausend Mitarbeiter und macht gleichzeitig satten Gewinn. Oder wie Ulrich Wickert einmal getitelt hat: Der Ehrliche ist der Dumme. Doch, das Gerede kennen wir alle, damals wie heute.

Maleachi wird hier zum Anwalt Gottes. Die Menschen schauen zu kurz. Sie sehen immer nur das Hier und Jetzt, das eigene kleine Leben. Gottes Perspektive ist viel größer. Wer wird überhaupt bestehen können, wenn Gott eines Tages wirklich kommt und Rechenschaftspflicht von uns einklagt? Wie hast du dein kleines Leben gelebt? Diese Zeit von wenigen oder auch vielen Jahren, was hast du mit ihr angefangen? Ein gut gefülltes Bankkonto wird da wenig Gewicht haben. Botoxunterlegte Falten dürften auch wenig zählen. Wer das eigene Leben vom Ende her ansieht, von der Bilanz, wird unruhig werden. Wird vielleicht auch ganz andere Akzente setzen. Ob das einer ahnt wie Bill Gates, der einige Millionen seiner Milliarden spendet für einen wichtigen Zweck, sich engagiert für die Bekämpfung von AIDS?

Maleachi will einen Perspektivenwechsel von Gottes Ende her. Gott ändert sich nicht, auch nicht wenn die Menschen noch so sehr nerven. Doch, Gott lässt sich ein auf Menschen, das können wir in der Bibel immer wieder nachlesen. Es ist nicht ein Betonklotz, zu dem wir beten. Aber Recht bleibt Recht vor Gott. Gerechtigkeit ist eine Frage der Beziehung, der Gemeinschaftstreue. Sehe ich den anderen Menschen, wende ich mich denen zu, die mich brauchen, oder raffe ich, was ich brauche und wende mich ab?

Gott sendet einen Boten. Wer ist der Bote aus Vers 3,1? Manche Exegese hat das auf Jesus Christus bezogen. Er selbst bezieht diesen Hinweis in den Evangelien auf Johannes den  Täufer (Mt. 11, 10; Mk 1,2; Lk 1,17). Als Christinnen und Christen können wir das so sehen. Und doch müssen wir respektieren, dass der Text in der hebräischen Bibel sein eigenes Recht hat. Israel wartet auf den Boten, der erst noch kommt. Der Bote wird sagen: Gott muss die Ehre gegeben werden. Das mag durch die Gaben des Tempels geschehen, wie sie hier im Text beschrieben werden. Das ist auch für uns eine Mahnung, das Gotteshaus nicht zu missachten, es ist ein besonderer Ort für Gottes Ehre. Luther sah ja die Kirchen nicht als heilige Räume, aber doch mit besonderer Würde als „Haus für das Predigtamt“. Die wissenschaftliche Theologie nach 1945 hat versucht, den Menschen die Heiligkeit der Räume geradezu auszutreiben – das sehen wir bis heute an der Architektur jener Kirchen. Wie sollten Menschen die denn lieb gewinnen? Karl Barth soll einmal eine Zigarre in einer Kirche geraucht haben, um zu zeigen, dass es eben ein Ort wie jeder andere sei und Gottes Geist nicht durch Menschen verfügbar. Aber die „Volkstheologie“ sozusagen, sie hat die Würde der Räume immer im Auge – oder sagen wir im Herzen behalten.

Eine Gesellschaft, die den Tempel, die Kirche, die Synagoge verachtet, zeigt sich herablassend gegenüber Glauben, Gott und Glaubenden. Oft werden in Kriegen ja zuallererst die Gotteshäuser der Gegner zerstört, um die Menschen im Innersten zu treffen. Als in Deutschland 1938 am 9. November die Synagogen angezündet wurden, war das eine offene Kampfansage, ein Vorzeichen, dass die Würde der Menschen in Frage gestellt wurde, das mit der Absage an den Respekt vor Ihrem Glauben begann.

Die Missachtung Gottes hat die Missachtung der Menschen zur Konsequenz. Genau das sagt der Text. Das ist eine bedrohlich Botschaft für unser Land, in der Tat. Denn unser Land vergisst Gott, rechnet nicht mehr mit Gottes Gegenwart. Oder wie wäre es, wenn wir was vor sich geht einmal unter Gottes Gesetz sehen: Sie achten mich nicht, wenn sie 

  • finstere Meineide schwören – Hoyzer lässt grüßen

  • Ehen zerstören – bei 210 000 Scheidungen pro Jahr...

  • den Tagelohn drücken – wie war das mit dem Mindestlohn und den Billiglohn-Ländern im Zeitalter der Globalisierung? Geht es da nicht um billig gemachte Menschen?

  • Witwen und Waisen unterdrücken – wie war das mit Alleinerziehenden und ihrem Armutsrisiko?

  • Fremde wegdrängen – und das Zuwanderungsgesetz? Keine Härtefallkommission?

Sollte Gott morgen wiederkommen, armes Deutschland! Da wird schwerer zu argumentieren sein als in einem Untersuchungsausschuss, und Gedächtnislücken werden gefüllt werden müssen. Aktuelle Fragen bringt Maleachi ein.

Aber dürfen Evangelische so denken? Ist das nicht Gesetz statt Evangelium? Wir werden noch darauf zurückkommen....
2. Disputation
3,6-12 - Gott hält seine Zusage


Wir lesen den Text in der Kirchentagsübersetzung:

MK: Nein, ich, Adonaj, habe mich nicht geändert; und ihr seid Jakobskinder unaufhörlich. Seit den Tagen eurer Vorfahren seid ihr von meinen Bestimmungen abgewichen und habt sie nicht gehalten. Kehr um zu mir! Dann will ich zu euch umkehren, sagt Adonaj, mächtig über Heere. Ihr aber sagt:

NN: Wozu sollen wir umkehren? Kann denn ein Mensch Gott hintergehen?

MK Ja, ihr hintergeht mich und sagt:

NN Womit haben wir dich hintergangen?

MK Mit dem Zehnten und der Abgabe! Dadurch zieht ihr euch Fluch zu, dass ihr mich hintergeht, das ganze Volk. Bringt den Zehnten ganz zur Sammelstelle, dass Nahrung in meinem Haus sei! Prüft mich doch daran, sagt Adonaj, mächtig über Heere, ob ich euch nicht die Luken des Himmels öffne und über euch Segen ausschütte – mehr als genug! Ich verscheuche für euch die Heuschrecke, den Fresser, dass er euch den Ertrag des Ackers nicht verdirbt und euch der Weinstock auf dem Feld nicht ohne Frucht bleibt, sagt Adonaj, mächtig über Heere.

Alle Völker werden euch glücklich preisen, weil ihr ein Land seid, in dem es Lust macht zu leben, sagt Adonaj, mächtig über Heere.

Der Herr Zebaoth, Gott, mächtig über Heere. Ein bisschen ungewohnt klingt die Übersetzung schon, stimmt’s? Aber der Begriff „Zebaoth“ soll ja die Macht darstellen. Und die vier Buchstaben, das Tetragramm J-H-W-H sprechen fromme Jüdinnen und Juden nicht aus, die, sondern an dieser Stelle, die wir mit Jahwe benennen, sagen sie: „adonaj“.

In dieser Disputation ringt Gott geradezu um das Volk. Gott bittet: Kehrt doch um, dann eröffnet ihr auch mir eine neue Beziehungsmöglichkeit. Ja, Gott erklärt, sich nicht geändert zu haben. Das meint aber nicht, dass Gott statisch ist. Das wunderbare am biblischen Gottesverständnis ist doch, dass Gott Beziehung sucht, sich auf die Menschen einlässt. Nehmen wir beispielsweise das Buch Jona. Da zeigt sich: Gott lässt sich sogar von festen Entschlüssen abbringen, wenn die Menschen sich wandeln zum Guten. Worin sich Gott nicht wandelt, das ist die Treue zu Israel im Besonderen, die Treue zu den Menschen insgesamt. Gott liebt die Menschen, die aus der Initiative Gottes hervorgingen, offenbar trotz aller Enttäuschungen, die unsere Menschheitsgeschichte den wunderbaren Möglichkeiten zugefügt hat.

Jakobskinder schimpft Gott hier über das Volk. Am Jabbok hat Jakob mit Gott gerungen, dort hat er den Namen Israel erhalten (1. Mose 32). Aber der Bezug geht hier sicher auf Jakobs Verhältnis zu Esau. Der Zwillingsbruder, erinnern Sie sich? Er betrügt Esau, den wenige Minuten Älteren, mit Hilfe der Mutter um das Erstgeburtsrecht und bringt ihn um den Segen des Vaters. Esau sagt in seinem Zorn: „Er heißt mit Recht Jakob (der Hinterlistige oder auch: der Betrüger), denn er hat mich nun zweimal überlistet.“ (1. Mose 27,36) Gott ist enttäuscht von seinem Volk, Gott sieht sich betrogen, sieht das Volk als hinterlistig an. Und doch ist Gott diesem Volk treu. Der einzige Grund, den wir finden können, ist wohl die Liebe Gottes zu diesem besonderen Volk und auch die Liebe Gottes zu den Menschen insgesamt.

Und doch wird Gott nicht blind vor Liebe wie es uns Menschen immer wieder passiert! Gott sieht all den Betrug und ruft zur Veränderung. Die Menschen wollen es schlicht nicht sehen. „Ja, womit haben wir dich denn betrogen?“ Und: „Kann ein Mensch überhaupt Gott hintergehen?“ Ach, gewieft ist das! Wenn es Gott gibt, dann muss Gott doch alles wissen. Und wenn Gott nicht alles weiß, dann gibt es Gott nicht! Da ist dieses Gefühl: Ich kann es heimlich machen. Hinter Gottes Rücken.
Oder vielmehr: Wenn ich damit durchkomme, warum sollte ich irgendjemandem Rechenschaft ablegen?

Ich denke, genau so entsteht das Böse. Ein Mann, der ein Kind vergewaltigt, weiß, dass er bitterböses Unrecht begeht. Uns in Niedersachsen haben vor einem Jahr die grauenvolle Morde an der kleinen Levke und dem kleinen Felix umgetrieben und tun es noch jetzt, während der Prozess gegen den Mörder läuft. Und doch glaubt so ein Täter offenbar, durchzukommen, verstecken zu können, davonzukommen. Wer im Krieg Gräueltaten begeht, meint, sich auf Befehl und Gehorsam zurückziehen zu können, was soll da persönliche Verantwortung. Was sind die Menschen feige und hinterlistig, wahrhaftig. Ja, ich weiß auch, dass mit Gott gedroht wurde, dass etwa zu Luthers Zeiten der Glaube mehr mit Angst besetzt war als mit Freiheit. Aber das „alles ist möglich“ zerstört Gemeinschaft.

Wenn Gott zur Umkehr ruft, steht hier an erster Stelle der Zehnte, der abgegeben werden soll. Das ist ein bisschen merkwürdig. So als würden wir sagen: zuallererst die Kirchensteuer, dann wird’s schon wieder. Es geht aber weniger um das reale Geld. Es geht um den Kultus und um die Ernte, also den Gewinn, der daraus folgt. Das Geben des Zehnten meint zwar reales Geld, aber es heißt wohl vor allem: Gott ist mir etwas wert. Das Abgeben-Können meint ja auch: hier investiere ich. Nicht in neue Klamotten, gutes Essen, ein Auto. Auch der Kultus, mein Glaube ist wertvoller Teil meines Lebens. Wenn eine Bischöfin das sagt, klingt das problematischer als bei einem Propheten, das gebe ich gern zu. Aber in unserer Zeit regiert ja Geld noch mehr als je zuvor die Welt. Wenn dann Menschen sagen: Warum soll ich einen Beitrag zur Religion leisten in cash, wenn ich doch konkret nichts davon habe und die Kirche nur einmal im Jahr, zu Weihnachten, und dreimal im Leben - Taufe-Konfirmation-Trauung-Beerdigung – nutze, dann zeigt das letzten Endes genau den utilitaristischen Zugang, den Maleachi meint. Ich benutze Religion und will Gott nutzen, wann ich ihn brauche. Aber ein eigenes Recht in meinem Leben gestehe ich dem Religiösen nicht zu. Es geht nicht um Geld, es geht um die Lebenshaltung: Kommt Gott an erster Stelle oder erst alles andere? Wobei ich gut lutherisch nicht der Versuchung erliegen werde, die Institution Kirche als alleinigen Zugang zu Gott zu verstehen... Aber der Glaube braucht die Gemeinschaft, lebt in und aus der Gemeinschaft. Das Christentum ist von Anfang an eine Gemeinschaftsreligion. Seit Jesus mit Jüngerinnen und Jüngern durch Palästina zog, seit sie zusammenblieben nach seinem Tod, seit der Zeit der ersten Gemeinden. Gemeinsam ringen wir darum, wie wir gut von Gott reden können, wie wir ein verantwortliches Leben leben können, wie wir gut mit uns selbst, mit Gott, den anderen Menschen und der Schöpfung umgehen. Das können wir uns nicht allein sagen und wir brauchen es auch nicht. Und nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass gemeinsam sich für etwas einsetzen die Sache leichter macht, und feiern kann ich allein ganz schlecht.

Die Sache mit der Ernte ist uns allen vielleicht ein bisschen unangenehm. Wenn ich mich gut verhalte, dann wird sich auch Erfolg einstellen – da kräuseln sich die lutherischen Nackenhaare! Erst kommt doch Gottes Zuspruch, dann der Anspruch, haben wir gelernt. Erst sind wir von Gott angenommen, dann können wir Gottes Forderungen an unser Leben entsprechen. Ob es uns theologisch passt oder nicht, der Text sieht das anders. Aber das „Wenn“ ist weniger eine Bedingung als ein Flehen, ein Bitten, ein Drängen. Da ist Gott wie ein Vater, wie eine Mutter, die dem Kind sagen: Wenn du doch sehen würdest, dass es so nicht weitergeht, wie gern würde ich dir helfen. Gott will für uns da sein und hofft darauf, dass wir dafür Raum geben.

Ja, und dann wird Israel glücklich gepriesen unter allen Völkern. Wie geht es uns damit nach dem Holocaust, nach der Shoah? Schwer, diese Worte unbefangen zu lesen. Gerade als Deutsche. Unser Volk hat mehr als Unglück, hat Vernichtung und Zerstörung, Grauen über eben dieses Volk gebracht. Und die Hoffnung von 1948, dass es einen neuen Anfang geben könnte in jenem Land der Verheißung, sie ist bitter und schal geworden, wenn Mauern notwendig scheinen, um Sicherheit zu bringen. Wollen wir da wirklich urteilen? Wir können diese Texte der Verheißung für das jüdische Volk nicht ignorieren, so sehr uns das am palästinensischen Volk begangene Unrecht bedrückt. Weil gerade wir Christinnen und Christen in Deutschland mehrheitlich geschwiegen haben zum Holocaust, haben wir einerseits eine besondere Verantwortung für und stehen in Solidarität zu unseren jüdischen Schwestern und Brüdern und sind andererseits in besonderer Weise sensibilisiert und  verantwortlich dafür, auf Unrecht aufmerksam zu machen und für seine Beseitigung einzutreten Gleichzeitig sollte uns in dieser Situation - 60 Jahre sind eine kurze Zeit! - das Urteilen über andere im Halse stecken bleiben.

Tja und dann kommt das Bild von den Heuschrecken. Nun, da können wir wohl die Debatten der vergangenen Wochen gar nicht ignorieren! Wie sagte Franz Müntefering in seiner so genannten Kapitalismuskritik: „Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen über Unernehmen her, grasen sie ab, und ziehen weiter.“ Da wird die US Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts& Co. genannt. Sie übernahm die Telenovis Belegschaft - Ende 2002 verzichteten die Beschäftigten auf 12,5 Prozent ihres Lohns und erhielten dafür eine einjährige Beschäftigungsgarantie. Sieben Monate später wurde einem Teil der Belegschaft trotzdem gekündigt. Im Frühjahr 2004 hatten von einst 8000 Beschäftigten nur noch 4500 einen Arbeitsplatz. Sind Rückfragen da wirklich „zum Kotzen“, wie der Präsident der Arbeitgeberverbände Dieter Hundt sagte?

Was sollen wir als Christinnen und Christen, als Kirche dazu sagen? Setzen wir uns für die Arbeitslosen, die Entlassenen, die mit Dumpinglöhnen Bedrohten ein, gelten wir als Gutmenschen, sollen uns nicht einmischen. Sagen wir, Leistung sei aber ein gut biblisches Prinzip, unsere Gaben müssen wir auch einbringen in die Gesellschaft, dann ist das ein Schulterschluss von Thron und Altar und unsolidarisch. Gelten muss aber doch: unser Land braucht eine Perspektive! All das Gegeneinander und der billige Schlagabtausch führen nicht weiter. Wer arbeiten kann, soll auch arbeiten, muss aber auch eine Perspektive finden, sich und die eigene Familie zu ernähren. Und wer hier leben will, hat auch Verantwortung, sich für das Land einzusetzen. Es kann doch nicht sein, dass ich allen sozialen Frieden im Land gut finde, aber meine Firma in die Ukraine versetze. Dann bitte auch privat in die Ukraine umziehen. Was ist denn bitte patriotisch? Wer globalisieren will, muss auch soziale Standards globalisieren. Das heißt Rechte am Arbeitsplatz, angemessener Lohn, aber auch Bereitschaft zum Engagement, nicht erwarten, dass irgendjemand mich schon versorgt. Christinnen und Christen gibt es in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Merken wir das? Wird es nicht Zeit, dass zumindest wir für mehr Miteinander eintreten und uns auf allen Ebenen energisch gegen diese Gespensterdebatten wehren? Und gegen die unsozialen, Leben bedrohenden Folgen der Globalisierung, die nicht nur das Erreichte in unserem Land und in Europa bedroht, sondern die weltweit Menschen eine Arbeit nimmt, von der sie leben können. Die Bibel weiß darum, dass Gottes Gerechtigkeit jedem Menschen und seiner Familie das zum Leben Notwendige geben will (Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg). Wir müssen uns als Christen dafür einsetzen, dass weltweit Arbeit ihren Wert und ihren Preis hat, dass Lohn und Gewinn in einem angemessenen Verhältnis stehen – was ist das für ein Verhältnis zwischen 1-€-Jobs und 6 Millionen € und mehr eines Josef Ackermann. Was für ein Verhältnis zwischen T-Shirts aus China für 1 € und Millionen Erträgen aus Zinsen, die bitte schön noch nicht einmal einer Vermögenssteuer unterliegen sollen, deshalb besser in Luxemburg oder den Cayman Islands angelegt werden. Hier gilt es, Verhältnismäßigkeit und d.h. Gerechtigkeit wiederherzustellen. Gerechtigkeit ist eine Kategorie der Beziehung und der Gemeinschaftstreue.

3. Disputation
13-21 - Der Tag des HERRN und sein Vorläufer


MK: Ihr redet hart gegen mich, spricht der Herr. Ihr aber sprecht:

NN: "Was reden wir gegen dich?"

MK: Ihr sagt: 

NN: "Es ist umsonst, dass man Gott dient; und was nützt es, dass wir sein Gebot halten und in Buße einhergehen vor dem Herrn Zebaoth? Darum preisen wir die Verächter; denn die Gottlosen gedeihen, und die Gott versuchen, bleiben bewahrt."

MK: Aber die Gottesfürchtigen trösten sich untereinander:

NN: Der Herr merkt und hört es, und es wird vor ihm ein Gedenkbuch geschrieben für die, welche den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken.

MK: Sie sollen, spricht der Herr Zebaoth, an dem Tage, den ich machen will, [a]mein Eigentum sein, und ich will mich ihrer erbarmen, wie ein Mann sich seines Sohnes erbarmt, der ihm dient. Ihr werdet am Ende doch sehen, was für ein Unterschied ist zwischen dem Gerechten und dem Gottlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient. Denn siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen. Da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein, und der kommende Tag wird sie anzünden, spricht der Herr Zebaoth, und er wird ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen.

Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln. Und ihr sollt herausgehen und springen wie die Mastkälber. Ihr werdet die Gottlosen zertreten; denn sie sollen Staub unter euren Füßen werden an dem Tage, den ich machen will, spricht der Herr Zebaoth.

„Dreist“ nennt Gott das Reden der Menschen. Wie sie sagen: Was bringt es? Vertane Zeit, rechnet sich nicht! Ja mehr noch: es kann ökonomisch schädlich sein, sich an Gottes Gebote zu halten. Nehmen wir nur die Feiertagsregelung. Weg damit und schon kriegt die Wirtschaft einen Schub. Davon kann die Wirtschaft ein hohes Lied singen. Weniger die Beschäftigten allerdings. In unserer Zeit, in der das oberste Gebot lautet: „es muss sich rechnen“, sind Gottes Gebote reine Störfaktoren.

Für mich ist der stärkste Vers in diesem Zusammenhang Vers 16. In der Kirchentagsübersetzung: „ Die aber Adonaj achten, reden unter sich alle miteinander.“ Wer an Gott glaubt, bleibt nicht vereinzelt. Christentum und Judentum sind Gemeinschaftsreligionen. Da geht es nicht darum, wie es mir im Leben besser geht und ich deshalb zusammenstelle, was mir an Religion gut tut. Nein, Gott, Gottes Geschichten, die Erinnerung ist immer schon da. Und ich werde mich in eine Gemeinschaft hineinbegeben, um mit ihr nach Gott zu fragen, Gott zu loben, Gottes Wort zu hören. Das ist schwer im Zeitalter des Individualismus. Und von Anfang an war diese Gemeinschaft ja schwierig, denken wir nur an die ersten Jüngerinnen und Jünger! Bis heute ist das schwierig in den Kirchen. Da ringen wir um den richtigen Weg in den großen ethischen Fragen von Abtreibung bis Sterbehilfe. Da streiten wir, wer denn nun wirklich Kirche ist, ob ein Mann in Rom für alle sprechen darf, ob wir zusammen Abendmahl feiern dürfen. Aber die Gemeinschaft der Kinder Gottes redet miteinander! Das unterscheidet sie von anderen, sagt Maleachi. Und gerade wenn sie miteinander reden, hört Gott zu. (Ich hoffe allerdings, Gott verbringt nicht allzu viel Zeit mit unseren äußerst langwierigen Disputen über Amt und Zölibat und Frauenordination – da können wir wahrhaftig nur hoffen, dass für Gott 1000 Jahre wie ein Tag sind, alles andere wäre eine arge Geduldsprobe!

Gott merkt auf, wenn wir miteinander reden. Gott hat ein Gedächtnis dafür. Und wir sind eine Religion der Erinnerung und des Erzählens, Judentum wie Christentum. Wir erzählen die Erfahrungen des Glaubens weiter von Generation zu Generation. Wehe, wenn der Erzählfaden abreißt. Wenn wir stumm werden, weil wir nur noch vor dem Fernseher sitzen.

Gott warnt in diesem Text die Gottlosen und die Verächter. Die Sonne der Gerechtigkeit, sie soll aufgehen, die Gewalttätigen werden zerstampft. Hier in der Halle der Globalisierung auf diesem Kirchentag ist das wohl ein besonders schönes Verheißungsbild. Ein bisschen gewalttätig, das gebe ich zu. Aber ist diese Sehnsucht auch in ihrer gewalttätigen Variante nicht verständlich? Mein Gott, 24.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger und Unterernährung. Kriege werden geführt, die kein Mensch versteht. Bomben werden gebaut, in Militär wird investiert, aber ein Bauer kann sein Land nicht bestellen. Großgrundbesitzer bauen Zuckerrohr an für den Export unter völlig inakzeptablen ökologischen und sozialen Bedingungen, während Kinder in ihrem Angesicht hungern und unsere Rübenbauern zugrunde gehen. Kinder werden zu Sklaven gemacht, zu Soldaten, zu Sexobjekten. Frauen wissen nicht ein noch aus, verkaufen ihren Körper an UN Soldaten, um zu überleben. Generationen werden in Flüchtlingslagern groß, und gleichzeitig läuft die große Party der Schönen und Reichen und die Welt schaut schlicht weg, weil sie das Elend nicht erträgt, weil das Elend den Betrieb stört. Die Ablenkungsmaschine läuft, stundenlang auf allen Kanälen.

Schreien müssten wir jeden Tag, anschreien gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit auf der Welt! Und wenn die Vision ist, dass Gott den Menschen Heil unter die Flügel gibt, dann ist das ein wunderbares Hoffnungsbild. Es ist aber auch eine Herausforderung an uns. Wir können nicht alles auf Gott schieben – wird eines Tages Adonaj schon alles „zu Recht“ rücken. Nein, das ist zu einfach. Wir sind gefordert, jetzt schon die Maßstäbe für das klar zu machen, was kommen wird. Die Sonne der Gerechtigkeit, sie kann doch jetzt schon wärmen. Ja, in kleinen zarten Pflanzen vielleicht. Hier eine Partnerschaft, da ein Entwicklungsprojekt, dort eine Tafel für hungrige Menschen. Die Hitze dessen, was kommen wird, wenn Gottes Tag kommt, sie sollte spürbar sein. Ja, auch das eine Drohung, gewiss. Vielleicht aber auch nur eine Mahnung: Wie lebt ihr denn, um Gottes willen? Wollt ihr das alles schleifen lassen und euch auch noch als fortschrittlich deklarieren? Wollt ihr euch wirklich abschotten in Utah oder in Niedersachsen, in Milwaukee oder in Frankfurt und sagen: Das geht uns nichts an? Dann habt ihr mit dem Glauben nicht viel am Hut, denn die Prostituiert in Thailand ist deine Schwester, der Kindersoldat im Kongo ist dein Bruder. Und über sie führt Gott Buch, genau wie über uns! Sie sind verloren in der Statistik der Klatschseiten, der Lebenswelt der Großen und Berühmten. Aber in Gottes Buch sind sie festgehalten. Gott hört sie, Gott hört ihnen zu. Im Gedächtnis Gottes ist George W. Bush nicht wichtiger als Leo, der kleine AIDS-Waise in Südafrika, der nicht mehr lange zu leben hat. Und in Gottes Buch ist das Kapitel über Königin Beatrice nicht länger als das über Martha, die schnüffelt und sich prostituiert auf den Straßen von Rio de Janeiro... Gott kennt alle ihre Namen. Bei Gott gibt es einen Ort für all die Vergessenen, für all die Leben, die keine Chance bekommen, sich zu entfalten. Billiger Trost soll das nicht sein. Aber Mahnung. Ermutigung für uns zum Handeln. Und doch, Trost, auch das. Aber kein billiger Trost, denn der wäre eine Verachtung der Lebensrealität der Armen in dieser Welt.

4. Ausblick

Damit kommen wir zu den letzten Versen des Bibelarbeitstextes und in der Anordnung unserer Bibeln den letzten Versen des Alten Testamentes. Ich lese aus der Kirchentagsübersetzung:

Gedenkt der Tora des Mose, der für mich arbeitet! Sie habe ich ihm am Horeb für ganz Israel geboten, Bestimmungen und Rechtssätze. Seht doch, bevor der Tag Adonajs kommt, groß und Achtung gebietend, schicke ich euch Elia, den Propheten. Er wird das Herz der Eltern wieder den Kindern zuwenden und das Herz der Kinder wieder den Eltern – damit ich nicht kommen muss und das Land mit Vernichtung schlage.

Unser Bibelarbeitstext zeigt Gott wahrhaftig nicht als netten älteren Herrn oder als GANZ LIEB. Das ist ja auch ein merkwürdiges Gottesbild: Wir können als Menschen tun und lassen, was wir wollen, wie es uns passt, Gott wird’s schon recht sein. Was wäre das für ein Gott? Gott wäre schlicht nicht Gott, wenn alles gleichgültig und damit gleich gültig wäre. Gott setzt Maßstäbe, Gott hat die Zehn Gebote seinem Volk gegeben, damit es Regeln hat für ein gutes Zusammenleben. Für uns als Christinnen und Christen ist die Tora, die Gott dem Volk Israel gab, Teil der Bibel. Wir sind nicht an die Stelle Israels getreten, nein. Aber wir hören, was Gott Israel gesagt hat: Ich bin der Herr dein Gott! Zu diesem Gott hat uns Jesus Christus einen Zugang eröffnet. Alle Völker, alle Menschen können jetzt erkennen, dass die Tora uns schon jetzt und heute zeigt, wie wir leben sollen.

Gut evangelisch unterscheiden wir Gesetz und Evangelium – es wäre falsch zu meinen, wir brauchten keine Regeln. Die Zehn Gebote sind auch heute sinnvoll, wenn wir in Frieden miteinander leben wollen. Dann steht Gott an erster Stelle, dann ist Gottes Name respektiert und der Feiertag hat sein Recht. Dann werden die Alten geachtet, das Leben eines Menschen ist etwas wert, einander betrügen ist kein Kavaliersdelikt. Das Eigentum des anderen wird nicht gestohlen, Wahrheit ist wertvoll und Neid auf das, was andere haben, führt nicht zu Konflikten, sondern es wird geteilt. Ja, auch heute Regeln für eine Gemeinschaft, die zu mehr Miteinander und Frieden führen. Oder, wie Jesus kurz zusammenfasst: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt... und deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matthäus 22, 37 ff.). Damit hat er das „Schema Israel“ ausdrücklich in seine Formulierung des Hauptgebotes übernommen (MK 12,28-30) und auch noch mit dem Nächstenliebegebot verknüpft. Auf diese Weise hat er den Höhepunkt des Bekenntnisses im 5. Buch Mose (Deuteronomium) dem Spitzensatz des anderen großen Gesetzeskorpus, des Heiligkeitsgesetzes (Lev 19,18) Gottesliebe und Nächstenliebe, verantwortliches Handeln als Folge des Zuspruchs zugeordnet. Von dieser Grundeinstellung her lässt sich Gemeinschaft gestalten: Respekt voreinander, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Und der Prophet Elia, ist er der Bote? Immer wieder wird im Neuen Testament sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus mit Elia identifiziert. Im jüdischen Pessachbrauch wird beim Sedermahl ein Patz für Elia freigehalten. Er ist zwar nicht da, aber im Prinzip anwesend. Ich finde das einen wunderbaren Brauch. Wie wäre es, wenn wir Gott in unserem Leben einen Platz freihielten. Nicht sichtbar bei uns, aber eben doch präsent.

Damit kommen wir zum Schlussteil, der diesen Prophetentext wohl zur Bibelarbeitsgrundlage beim 30. DEKT hat werden lassen. Es geht um die Beziehung der Generationen zueinander und nimmt damit das Losungsthema auf, das gestern Grundlage der Eröffnungspredigten war und übermorgen noch einmal als Bibelarbeit im Mittelpunkt steht. Wie es zwischen den Generationen zugeht, scheint Gott wichtig zu sein. Wenn Eltern und Kinder sich herzlich zugewandt sind, dann ist Gottes Drohung hinfällig. Und wie sieht es da aus in unserem Land? Zum einen könnten wir uns entspannen. Anders als noch vor Jahren werden die Eltern positiver gesehen von den Kindern. Haben die so genannten Achtundsechziger noch unerbittlich gefragt nach der Verantwortung im Nationalsozialismus, wollten sie alles ganz anders und viel besser machen, scheint das Klima in den Familien deutlich harmonischer.

Aber wenn wir auf die Generationen insgesamt schauen, dann ist die Lage eher schwierig. Da sind die Kinder, die nicht geboren werden, weil der Mut fehlt. Doch wer denkt schon an die Rente beim Kinderkriegen? Ich habe jedenfalls nicht aus Kummer um die Sozialsysteme vier Kinder bekommen. Da hängt etwas anderes schief in unserem Land. Vielleicht die Betreuungsangebote, ja. Aber die Lust am Leben vielleicht auch, der Mut zur Zukunft. Und die Alten? Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. Und wer manches Altenheim besucht, kann das sicher auch verstehen. Über aktive Sterbehilfe wird nachgedacht. Die Pille für alle, die nicht mehr mithalten können? Oder nehmen wir uns die Zeit, die Hand zu halten von dem, der stirbt, von ihr, die nicht mehr so schnell ist? Oder sind die einfach überfällig, weil Tempo und Mobilität unsere Götzen sind?

Ja, diejenigen, die bei Kriegsende schon mündig waren, sie wurden hart befragt. Sie haben auch Schuld auf sich geladen, oftmals durch wegsehen. Aber wir als Nachgeborene sollten   10   Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. nicht meinen, wir seien besser. Sehen wir nicht, was geschieht? In unserem Land. Aber vor allem in der Welt. Wenn unsere Kinder uns heute oder morgen fragen – und hoffentlich werden Kinder da sein, die das tun! –, was werden wir antworten mit Blick auf AIDS und das Elend südlich der Sahara und der Zwangsprostitution und der abgeschobenen Flüchtlinge und des Hungers und des Unrechts und der Kriege.... Gut, wenn wir die Geschichten der Alten hören. Und Gott einen Platz am Tisch unsres Alltags einräumen. Gut, wenn Gott an erster Stelle steht in unserem Leben und wir als Gemeinschaft nach Wegen in die Zukunft suchen. Gut wenn wir hier in Hannover unseren Glauben stärken und neu Mut fassen, uns einzumischen in diese Welt, von der wir glauben, dass sie Gottes Welt ist.

Ich wünsche Ihnen allen einen gesegneten Kirchentagsdonnerstag!