„Verbrechen an Armeniern als Völkermord anerkennen“

EKD-Bevollmächtigter zum Gedenktag für die Opfer des Genozids

„Von Herzen kommendes Mitgefühl“ mit dem Schicksal des armenischen Volkes bekundete der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Stephan Reimers, zum Jahrestag des Gedenkens an den Völkermord an den Armeniern. In seiner Rede in der Frankfurter Paulskirche am Donnerstag, 24. April, betonte Reimers die Bedeutung dieses Tages der Erinnerung. „Noch immer wissen zu wenige Menschen, welche Schrecken und welche Vernichtung die Armenier in den Jahren 1915 und 1916 erleiden mussten.“ Dass das armenische Volk bis heute für die Anerkennung der damaligen Geschehnisse als Völkermord kämpfen müsse, sei „beschämend“, unterstrich der Prälat.

Schuld an der Problematik trage auch das Deutsche Reich. Sehr früh sei das politische Berlin durch Augenzeugenberichte über das Ausmaß der Vernichtung der Armenier informiert gewesen, sagte Reimers. Aber die Führung des Deutschen Reiches habe geschwiegen, um die Türkei bis zum Ende des Ersten Weltkrieges an ihrer Seite zu halten. Reimers begrüßte, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Jahr 2005 rückblickend auf dieses Versagen Deutschlands eine Resolution verabschiedet haben. Bedauerlich sei jedoch, dass in dieser Resolution der Begriff des Völkermordes fehle.

Zur aktuellen Politik der Türkei im Blick auf den Völkermord an den Armeniern sagte der EKD-Bevollmächtigte: „Als Deutsche wissen wir, welche intellektuelle, emotionale und gesellschaftliche Herausforderung es bedeutet, sich den Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts zu stellen. Unsere eigene Erfahrung ermutigt aber, für einen Prozess der Aussöhnung zwischen Türken und Armeniern einzutreten.“ Nur weil Deutschland die Verbrechen des Dritten Reiches bekannt und Konsequenzen daraus gezogen habe, habe es neues Vertrauen bei seinen europäischen Nachbarn gewinnen können. „Die Geschichte der Europäischen Union ist eine Geschichte der Versöhnung.“ Auch für die EU sei es wichtig, Stabilität und Frieden durch eine aktive Nachbarschaftspolitik zu stärken, sagte Reimers. Ziel sei es, die Standards der Demokratie, der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und guten Regierungsführung in den Nachbarstaaten zu fördern. „Armenien ist ein Partner dieser Nachbarschaftspolitik.“ Mit der Türkei werde der Prozess der Angleichung der politischen Standards im Rahmen von Beitrittsverhandlungen gefördert. Der Prälat verwies auf einen Beschluss des Europaparlaments im Jahr 2006, in dem die türkische und armenische Regierung aufgefordert werden, ihren Aussöhnungsprozess fortzusetzen. An die Türkei werde darin außerdem appelliert, die Wirtschaftsblockade aufzuheben und die Landesgrenze frühestmöglich zu öffnen.

Eine Meldung vom Anfang dieser Woche, nach der der türkische Außenminister seinen armenischen Kollegen vorgeschlagen habe, gemeinsam an der Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Republiken zu arbeiten, lasse zumindest aufhorchen, sagte der Prälat. Er lies aber keinen Zweifel an der klaren Position der EKD: „Eine Verbesserung ist aber nicht zu erwarten, sollte die türkische Seite mit diesem neuerlichen Schritt, wie bisher, die Leugnung oder die Relativierung des Völkermordes an den Armeniern verbinden.“


Berlin, 24. April 2008

Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann