Gottvertrauen und Zukunftsplanung

Eberhard Jüngel auf dem Zukunftskongress der EKD

Gottvertrauen und Zukunftsplanung gehören zusammen, so der Theologieprofessor Eberhard Jüngel in seiner Bibelarbeit auf dem Zukunftskongress der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Samstag, 27. Januar, in Lutherstadt Wittenberg. Auch Vernunft und Dankbarkeit für Gottes Gnade schlössen einander nicht aus: „Kritischer Gebrauch der Vernunft und die Anbetung des ewigreichen Gottes begünstigen und befördern sich gegenseitig. Denn Gott ist ein Freund des gesunden Menschenverstandes.“ So hoffe er, dass die „Kirche der Freiheit“ auf dem Weg durch das 21. Jahrhundert immer wieder Gott danke: „Wo immer wir Gott Dank sagen und ihn ehren, da ereignet sich die Kirche der Freiheit.“

Die Geschichte des alttestamentlichen Erzvaters Abraham sei ein Beispiel für Gottvertrauen, erläuterte Jüngel anhand des 13. Kapitels aus dem ersten Buch Mose, dem ersten Buch der Bibel. Abraham zog als Nomade mit seinen Herden von Weideplatz zu Weideplatz, ohne den Weg oder das Ziel zu kennen. „Wohin – das wusste er nicht. Aber er wusste, dass Gott es weiß. Und das war genug.“ Solches Gottvertrauen sei gut, so Jüngel, doch Planung sei ebenfalls unerlässlich: Die vom Rat der EKD eingesetzten Perspektivkommission, die bis ins Jahr 2030 voraus denken sollte, musste „die Gegenwart in die Zukunft hochrechnen“ und sich dann ihre Gedanken machen, „wie es weitergehen soll mit dem kirchlich verfassten Christentum in Deutschland.“

Bei Abraham und seinem Neffen Lot drohte ein Konflikt, weil beide reich waren und über die Weideplätze ihrer Herden zu streiten begannen. Ein solcher Konflikt aufgrund überfließenden Reichtums drohe der EKD ebenso wenig wie einer anderen Kirche in Europa, stellte Eberhard Jüngel fest. Die Forderung nach einem Mentalitätswandel sei eher dem schwindenden Reichtum und dem schwindenden Gewicht der Kirche in der Gesellschaft geschuldet.

Der alttestamentliche Patriarch Abraham löste den Konflikt mit seinem Neffen Lot durch einen Appell an die Vernunft: „Wir sind doch Brüder!“ Dieser Appell an die Vernunft werde immer dann notwendig, „wenn Macht zur Supermacht entarten will, wenn Lebenshunger lebensbedrohend wird, wenn geistige Stärke zur ideologischen Fessel wird und wenn geistlicher Mut zu geistlichem Hochmut, evangelischer Zuspruch zu klerikalem Anspruch entartet.“ Dann sei es dringend geboten, Abstand zu gewinnen. „Dann wird der Appell “Wir sind doch Brüder!” zum Ausdruck einer elementaren Entkrampfung: Wir wollen uns leben lassen.“

Einem solchen Appell an die Vernunft sollten sich auch die Teilnehmenden des Kongresses nicht verschließen, so Jüngel weiter: „Wir, die angeblich Modernen und die vermeintlich Orthodoxen, die allzu Kritischen und die allzu Unkritischen, wir, die angeblich Reaktionären und die vermeintlich Fortschrittlichen, wir sind doch Brüder. Wir sollten uns entkrampfen. Wir sollten nicht gegeneinander zu Felde ziehen, sondern brüderliche Distanz gewinnen. Wir sollten uns denken und leben lassen.“

Glaube messe weder Erfolg noch Misserfolg nach sichtbaren Maßstäben, führte Jüngel aus. „Der Glaube kennt nur einen Erfolg: von Gott geführt zu werden. Und er kennt nur einen Misserfolg: von dem, was vor Augen liegt, verführt zu werden.“ Glaube vertraue auf Gottes Reichtum. „Und Gott gibt, was er hat. Er verschenkt irdischen Lebensraum und schenkt ewiges Leben, er gibt zeitliche Güter und vergibt Sünden für alle Zeit.“ Deshalb stehe am Ende von Abrahams Geschichte ein zu Ehren Gottes erbauter Altar. „Und so hoffen wir, dass auch die “Kirche der Freiheit” auf ihrem Weg durch das 21. Jahrhundert immer wieder einmal so frei ist, Gott einen Altar zu bauen mit Gedanken, Worten und Werken“.

Lutherstadt Wittenberg, 25. Januar 2007

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Bibelarbeit

EKD-Zukunftskongress "Kirche der Freiheit"