Kock: Politik nicht zum Selbstzweck verkommen lassen

Ansprache des EKD-Ratsvorsitzenden in Berlin

Im Wechselspiel von Machterwerb und Machterhalt drohe Politik zum Selbstzweck zu werden, mahnte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, in einer Ansprache zum Johannisempfang am 26. Juni in Berlin. Christinnen und Christen in der Politik seien aufgefordert, als Korrektiv zu wirken. Kock dankte dem langjährigen Präses der EKD-Synode, Jürgen Schmude, für sein Engagement als "Brückenbauer" zwischen Kirche und Politik.

Kock würdigte die Tätigkeit christlicher Berufspolitiker als "Gottesdienst im Alltag der Welt".
Christen sollten im politischen Prozess dazu beitragen, Gegensätze sachlich und fair auszuhandeln, so dass gegenseitige Anerkennung erhalten bliebe, so Kock. Die Diskussion um die Reform des Sozialstaates zeige: "Wir brauchen keine Taktiker, sondern Menschen, die die konstruktiven Seiten ihrer beruflichen Motivation einbringen."

Brückenbauer zwischen Kirche und Politik wie Jürgen Schmude dienten auch als Dolmetscher, damit "die Politik die Kirchen nicht nur anhört, sondern auch versteht, was sie sagen." Zugleich sorgten sie ebenso wie Christen aus der Wirtschaft, den Medien und anderen Bereichen im kirchlichen Engagement durch ihre Berufserfahrung und Fachkompetenz dafür, "dass Entscheidungen und Stellungnahmen der Kirchen nicht an der Realität vorbei gehen".

Politik und Christsein ließen sich nicht trennen, so Kock. Politische Existenz als verantwortliche Gestaltung menschlichen Zusammenlebens gehöre nach evangelischem Verständnis zum Christsein. Die deutsche Geschichte habe gezeigt, wie gefährlich es sei, die Verantwortung für das Gemeinwesen ausschließlich dem Staatsapparat zuzuschreiben und von Christenmenschen "schlichten Gehorsam" zu verlangen.

Nach Jahrhunderten der Säkularisierung sei das Thema Religion heute wieder aktuell. Es verbinde sich mit Sehnsucht nach Geborgenheit, aber auch mit Ängsten vor religiösem Extremismus. Christen in der Politik verzweifelten nicht angesichts der "schweren Fragen der Zeit", sondern erkennen sie als "Herausforderung zur politischen Gestaltung von Entwicklungsprozessen".  Im kirchlichen Engagement könnten sie durch ihre Erfahrung helfen, "den nüchternen Blick für das Machbare zu behalten" und so vor Mutlosigkeit zu bewahren.

Hannover, den 26. Juni 2003
Pressestelle der EKD 
Silke Fauzi