Gemeinsame Äußerung zur Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes durch den Deutschen Bundestag:

Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Stephan Reimers, und der Leiter des Kommissariates der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten

Nach mehrjährigem zähem Ringen sind die Verhandlungen um ein neues Zuwanderungsrecht nun zu einem Abschluss gebracht worden. Wir begrüßen es, dass damit alle Beteiligten ihre Bereitschaft zum Kompromiss in dieser für unsere Gesellschaft so wichtigen Frage gezeigt haben.

Auch wenn der von den Kirchen gewünschte, für die gesellschaftliche Entwicklung notwendige Paradigmenwechsel im Bereich des Ausländerrechts durch den gefundenen Kompromiss nur ansatzweise verwirklicht ist, wurden wichtige humanitäre Verbesserungen auf den Weg gebracht. Wir sind erfreut über die ausdrückliche Klarstellung, dass Schutz bei nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung gewährt wird und sich dieser Schutz auch auf Bürgerkriegssituationen erstreckt, in denen keine Staatsgewalt besteht. Des Weiteren wurde der Aufenthaltsstatus derjenigen Personen, die derzeit mit „Kettenduldungen“ von Duldungstermin zu Duldungstermin und damit in erheblicher aufenthaltsrechtlicher Unsicherheit leben, verbessert. Allerdings wurden die Kettenduldungen bedauerlicherweise nicht vollständig abgeschafft. Die Schaffung einer gesetzlichen Härtefallregelung ist ein positives Signal. Wir hoffen, dass die Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Die im Zuwanderungsgesetz enthaltenen Möglichkeiten für den Familiennachzug stellen nach Ansicht der Kirchen eine wichtige Grundlage dafür dar, dass die zuständigen Behörden bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen den grundrechtlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie berücksichtigen. Erfreulich ist insbesondere, dass das für den Anspruch auf Kindernachzug maßgebliche Alter nun auf 16 bzw. 18 Jahre festgesetzt wurde.

Das Gesetz sieht erstmals auch Regelungen zur Integration von Zuwanderern vor. Dies unterstreicht die Notwendigkeit verstärkter Anstrengungen in diesem Bereich. Neuzuwanderer erhalten einen Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen. Dies begrüßen wir. Allerdings muss sichergestellt werden, dass Zuwanderer auch tatsächlich die Möglichkeit erhalten, diese Angebote wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang sind Begleitmaßnahmen, wie etwa Kinderbetreuung, besonders wichtig. Außerdem sollten auch schon länger ansässige Migranten die Möglichkeit zur Kursteilnahme haben.
 
Der praktische Vollzug des neuen Zuwanderungsgesetzes wird deutlich machen, ob und wo noch Regelungsbedarf besteht. Aus Sicht der Kirchen bedarf es weiterer humanitärer Verbesserungen, etwa im Bereich der Abschiebehaft oder des Asylverfahrens. Auch die Regelungen zur Integration sollten ausgebaut werden. Ferner wird der Prozess der europäischen Harmonisierung des Asyl- und Einwanderungsrechtes Anpassungen erfordern. Darin liegt auch die Chance, das deutsche Ausländerrecht weiter zu modernisieren.

Berlin, 01. Juli 2004

Pressestelle der Evangelischen
Kirche in Deutschland

Pressestelle der Deutschen
Bischofskonferenz