„Gerade den Fremden gegenüber gastfrei sein“

Zum Johannisempfang der EKD wirft der Ratsvorsitzende einen „evangelischen Blick“ auf das Motto der Weltmeisterschaft

Gastbereitschaft gelte als „Grundzug humaner Existenz“, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, beim Johannisempfang der EKD am Donnerstag, 22. Juni, in der Berliner Französischen Friedrichstadtkirche. Huber zeigte einen „evangelischen Blick“ auf das Motto der Weltmeisterschaft „Die Welt zu Gast bei Freunden“ und hob den „eminent biblischen Bezug“ dieses Mottos hervor. Mehrfach berichte die Bibel von Gott als Gastgeber. Gastfreundlich zu sein werde dem Volk Israel aus besonderem Grund nahe gelegt: „Weil es in schwerster Zeit – nämlich in der Zeit großer Hungersnot – Gastrecht in Ägypten in Anspruch nahm, soll es sich gerade den Fremden gegenüber als gastfrei erweisen.“

„Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beheimatet,“ So fasse das Neue Testament den biblischen Sinn der Gastfreundschaft zusammen Dies soll auch für die noch kommenden Tage der Fußball-Weltmeisterschaft gelten, hofft der Ratsvorsitzende: „Deshalb achten wir in denen, die als Fremde zu uns kommen, die Menschen. Sie könnten sich, ohne dass wir es merken, als Engel erweisen. Menschen daraufhin anzuschauen, ist der Blick des Glaubens. Dass dieser Blick immer mehr Menschen bestimmt, ist unser Ziel, während der Fußball-WM wie darüber hinaus.“

Menschen aus anderen Ländern interessierten uns nicht nur als Devisenbringer oder als Katalysatoren unseres Wirtschaftswachstums, sondern als Menschen, betonte Huber. In den Erlebnissen dieser Tage spiegelten sich die Rahmenbedingungen dafür wider, „wie die Welt bei uns dauerhaft zu Gast sein kann“. Ein „selbstbewusstes Verständnis der eigenen Wurzeln, das Einhalten der Spielregeln und das Interesse aneinander“ seien solche Bedingungen, ohne die Integration nicht gelingen könne.

Die Integration von Migranten sei eine der gesellschaftlichen und politischen Schlüsselaufgaben, hob der Ratsvorsitzende hervor. Das Zuwanderungsgesetz habe einen Perspektivwechsel von einer vornehmlich defensiv ausgerichteten Migrationspolitik hin zu einem konstruktiveren Verständnis von Zuwanderung angebahnt. „Die erhoffte rechtliche und soziale Integration hat sich für viele Migrantinnen und Migranten jedoch in vielerlei Hinsicht noch nicht realisiert“, mahnte der Bischof. Manche Diskussionen weckten Zweifel daran, ob der Konsens, der dem Gesetz zugrunde lag, schon ausreichend gefestigt sei. Er hoffe, dass der von Bundeskanzlerin Angela Merkel geplante Integrationsgipfel oder die Initiativen von Innenminister Wolfgang Schäuble zum Dialog mit dem Islam einen Prozess befördern werden, den Deutschland dringend brauche.
 
Unverständnis äußerte der EKD-Ratsvorsitzende darüber, dass die Kapelle im Berliner Olympiastadion, die pünktlich zur Weltmeisterschaft fertig gestellt wurde, bislang versperrt und für die Spieler nicht zugänglich ist. „Ich bin überzeugt, dass ein christlich geprägter Ort des Gebets keinen Andersglaubenden kränkt oder gar ausgrenzt.“ Er gehe zuversichtlich davon aus, dass diese Fehlentscheidung wenigstens für die verbleibende Zeit des Turniers revidiert worden sein.

Hannover /B erlin, 22. Juni 2006

Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann

Die Rede des EKD-Ratsvorsitzenden im Wortlaut