Rat der EKD veröffentlicht Leitlinien zum Verhältnis mit anderen Religionen

31. Juli 2003

Die Idee einer Ökumene der Religionen vergleichbar der Ökumene zwischen den christlichen Konfessionen sei ein Irrweg. Dies stellen Leitlinien fest, die der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nun veröffentlichte. Der Rat wirbt mit dem Text „Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen“ für eine gegenseitige Verständigung und Achtung der Religionen, doch er wendet sich gegen eine gegenseitige Teilhabe an der religiösen Praxis anderer Religionen. Beim gemeinsamen Gebet müsse im konkreten Fall an dem Kriterium entschieden werden, ob solches gemeinsames Beten der befreienden Wahrheit des Evangeliums von Gottes schöpferischer Nähe beim sündigen Menschen die Ehre gibt oder ob es dieser Wahrheit in den Rücken fällt“, heißt es in EKD-Text 77.

Der Rat der EKD hat die von der Kammer für Theologie ausgearbeiteten Leitlinien „Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen“ entgegengenommen und einer Veröffentlichung zugestimmt. Sie erscheinen als EKD-Texte Nr. 77 am 1. August. Damit will sich der Rat der EKD an der Diskussion um die Bedeutung der Religion und des Dialogs zwischen den Religionen beteiligen. Die Leitlinien sollen zu einer Profilierung dieses Dialogs aus evangelischer Sicht beitragen.

Die Argumentation der Leitlinien ist von vier Gesichtspunkten bestimmt:

Erstens: Ausgegangen wird von der Eigenart und dem charakteristischem Profil der jeweiligen Religion und nicht von dem Konstrukt eines allgemeinen theoretischen Religionsbegriffs. „Daraus folgt aber, dass Recht und Sinn der Beanspruchung des Begriffs der ‚Religion’ an der jeweils konkret bestimmten Gestalt einer Religion ausgewiesen werden muss.“  Es gilt, „sie als Religionen differenziert wahrzunehmen und sich so in ein Verhältnis zu ihnen zu setzen.“ Nur so kann ein fruchtbarer Dialog geführt werden. Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung müssen in ein Verhältnis gesetzt werden. „Theologisch zureichend wird eine andere Religion demnach nur verstanden, wenn in dieses Verständnis eingeht, dass sie sich selbst anders versteht. Aber auch dann bleibt die christlich-theologische Betrachtungsweise anderer Religionen dadurch charakterisiert, dass sie diese im Licht des christlichen Glaubens thematisiert.“

Zweitens: Die Religionen und die Menschen, die sie praktizieren, werden von Christen im Lichte der christlichen Botschaft wahrgenommen. „Das Evangelium besagt, dass Gott schon als  Schöpfer allen Menschen nahe ist. Menschsein heißt: in der Nähe Gottes sein. Darin sind alle Menschen gleich, welcher Religion sie auch immer angehören. Diese Nähe des Schöpfers zu allen Menschen erschließt sich in ihrem ganzen Reichtum und unwiderruflich in Jesus Christus.“ Dieses Verbindende ist aber zugleich auch das Trennende. Denn „durch den Glauben an Jesus Christus unterscheidet sich das Christentum von allen anderen Religionen.“ Daraus folgt, dass „ein ‚neutraler’ Vergleich einzelner mehr oder weniger ins Auge fallender  Gemeinsamkeiten zwischen dem christlichen Glauben und den Religionen schwerlich als  Basis einer Verständigung zwischen den Religionen taugt.“ Daraus folgt auch: „Die Idee einer der christlichen Ökumene vergleichbaren ‚Ökumene der Religionen’ ist ... als Irrweg anzusehen.“

Drittens: Dass Christen jeden Menschen als Geschöpf Gottes verstehen, begründet für sie die Unantastbarkeit der Menschenwürde und veranlasst sie, „sich mit anderen Religionen darüber zu verständigen, ob ihre Religion nicht auch Impulse enthält, die mit der Intention des christlichen Schöpfungsglaubens zusammenfallen und darum gemeinsam zur Geltung gebracht werden können. Dabei werden Christen Angehörige anderer Religionen fragen, ob und wie sie von ihren Voraussetzungen her die Menschenwürde und die Menschenrechte zu bejahen oder zumindest anzuerkennen vermögen.“

Viertens: Die Leitlinien fordern auf, andere religiöse Überzeugungen zu achten. Wechselseitige Achtung und Teilhabe an der religiösen Praxis werden aber klar unterschieden. Zur Achtung gehört es, die eigenen Positionen offen zu benennen und außerdem „Überzeugungen zu widersprechen, wenn man Grund hat, sie nicht zu teilen, und es Anlass gibt, dem Ausdruck zu geben... Christen können aus diesem Grunde auch nicht guten Gewissens an der religiösen Praxis einer anderen Religion teilnehmen“. Der zuletzt genannte Gesichtspunkt hat auch Konsequenzen für „die schwerwiegende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Christen mit Vertretern anderer Religionen gemeinsam beten können“. Dies „muss im konkreten Fall an dem Kriterium entschieden werden, ob solches gemeinsames Beten der befreienden Wahrheit des Evangeliums von Gottes schöpferischer Nähe beim sündigen Menschen die Ehre gibt oder ob  es dieser Wahrheit in den Rücken fällt.“

Hannover, 31. Juli 2003
Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Text „Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen“

Der Text kann zum Preis von 0,65 Euro bestellt werden bei Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, Fax: 0511/2796-457; Email: versand@ekd.de