Verträge zwischen EKD, VELKD und UEK unterzeichnet

An die Gründung der EKD vor 60 Jahren erinnert

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, der leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Bischof Hans-Christian Knuth, und der Vorsitzende  der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen in der EKD, Landesbischof Ulrich Fischer haben am Abend des 31. August die Verträge für eine noch engere Zusammenarbeit der 23 in der EKD zusammengeschlossenen Landeskirchen und ihrer konfessionellen Bünde. Die Vertragsunterzeichnung im Kirchenamt der EKD fand genau an dem Tag statt, an dem vor 60 Jahren das Treffen von Vertretern deutscher Landeskirchen in Treysa (Hessen) zu Ende ging, bei dem die EKD gegründet und als erster Ratsvorsitzender der damalige württembergische Landesbischof Theophil Wurm gewählt wurde. Wolfgang Huber erinnerte deshalb an die Gründung der EKD vor 60 Jahren und wies zusammen mit Hans-Christian Knuth und Ulrich Fischer darauf hin, dass die Unterschrift unter die Verträge in die Zukunft weise.

Anlässlich der Feierstunde „60 Jahre EKD“ und zur Unterzeichnung der Verträge zwischen EKD, VELKD und UEK erklärten die drei Bischöfe im Wortlaut:

Ansprachen bei der Unterzeichnung der Verträge zwischen Evangelischer Kirche in Deutschland, Union Evangelischer Kirchen in der EKD und Vereinigter Evangelisch-Lutherischer Kirche in Deutschland

BISCHOF DR. WOLFGANG HUBER
VORSITZENDER DES RATES DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND

Sechzig Jahre Evangelische Kirche in Deutschland

Der designierte Ratsvorsitzende der EKD formulierte es prägnant:
„Weite Kreise unseres Volkes sehen heute mit wirklichem Vertrauen auf die Kirche. [...] Wir dürfen dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Wenn jetzt wieder ein öffentlicher Streit ausbrechen würde, um episkopale oder synodale Ordnung, um Union oder Konfession, wenn wir uns auflösen würden in Häuflein, deren jedes eine andere Parole in die Gemeinden hinaussenden würde, dann wäre jeder Kredit verspielt. Wir müssen es lernen, unsere Differenzen, die wir um der Wahrhaftigkeit willen nicht einfach unterdrücken können, so zu erörtern und auszugleichen, dass das Christenvolk nicht dadurch verwirrt wird. Das wird uns dann möglich sein, wenn wir mit Ernst danach streben, aus einem Verein subjektiv frommer, persönlicher Heilserfahrung sich freuender Menschen Kirche zu werden, wenn die Verpflichtung gegen die communio sanctorum ebenso Bestandteil unserer christlichen Existenz wird wie die Verpflichtung gegen den Bruder und den Nächsten.“

Diese Worte klingen, als seien sie in unsere Gegenwart hinein gesprochen. Die Wiederkehr der Religion, wie sie auch in Deutschland an verschiedenen Indizien zu beobachten ist, wirkt sich auch auf das Verhältnis der Menschen zur Kirche als institutionell verfasster Gestalt des Glaubens aus. Dazu müssen wir gar nicht neidvoll auf das Medieninteresse am Papstwechsel in der römisch-katholischen Kirche oder am Weltjugendtag blicken, sondern brauchen nur auf unsere eigene evangelische Kirche zu schauen.

Umfragen wie die Online-Untersuchung „Perspektive Deutschland“ zeigen: Das Vertrauen in die evangelische Kirche wächst. „Wir dürfen dieses Vertrauen nicht enttäuschen.“ So hieß es schon in den Worten, die ich eingangs zitiert habe. Sie stammen allerdings nicht aus dem Sommer 2005, sondern aus dem Sommer 1945, und der designierte Ratsvorsitzende war Landesbischof Theophil Wurm aus Württemberg. Am 28. August 1945 eröffnete er die „Kirchenführerkonferenz“ im hessischen Treysa. Das war die Geburtsstunde der Evangelischen Kirche in Deutschland. Was Bischof Wurm vor 60 Jahren über das Vertrauen in die Kirche sagte, ist heute noch ebenso aktuell wie sein Appell an die Einigkeit der EKD.

Heute hören wir solche Worte an dem Tag, an dem wir die Verträge unterzeichnen, die zu einer engeren Verbindung und Zusammenarbeit von EKD, UEK und VELKD führen sollen. Wir unterzeichnen diese Verträge im Rahmen der Kirchenkonferenz der EKD –  also des Nachfolgegremiums jener „Kirchenführerkonferenz“, vor der Bischof Wurm 1945 sprach. Ich sehe mit großer Hoffnung der Ratifikation dieser Reformverträge entgegen und bin zuversichtlich, dass sie zum 1. Januar 2007 in Kraft treten können.

Vor zehn Jahren, 1995, hat sich der damalige Ratsvorsitzende, Landesbischof Klaus Engelhardt, anlässlich des fünfzigjährigen Treysa-Jubiläums besorgt über den Zustand der EKD geäußert und gesagt:

„Es ist weniger der Konfessionalismus, der ohnehin im Bewusstsein und Selbstverständnis der evangelischen Christen quer durch Deutschland keine beherrschende Rolle spielt. Es ist vielmehr der landeskirchlich abgegrenzte Protestantismus, der die Kirchwerdung der EKD erschwert.“

Ich bin froh darüber, dass wir zehn Jahre später nicht dabei stehen geblieben, sondern – auch dank der Impulse und der aktiven Mitarbeit von Klaus Engelhardt und vielen anderen – einen guten Schritt vorangekommen sind, hin auf das Ziel, soviel Gemeinsamkeit aller Gliedkirchen zu erreichen wie möglich und soviel Differenzierung für die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse vorzusehen wie aus deren Selbstverständnis nötig.

Diese Richtung hin zur strukturellen Verbindung innerhalb der EKD entspricht in meinen Augen dem, was im August 1945 in Treysa angelegt worden ist. Lassen Sie mich daran erinnern, weshalb diese erste Kirchenkonferenz von so großer Bedeutung war:

Nachdem sich die evangelischen Kirchen Deutschlands erstmals im Jahr 1933 zu einer einheitlichen „Deutschen Evangelischen Kirche“ zusammengeschlossen hatten, war es mit der so gewonnenen Einheit bald vorbei. Denn sie wurde durch die deutsch-christlich und also nationalsozialistisch bestimmte Reichskirche inhaltlich zerstört. Es bildete sich die Bekennende Kirche, die mit der Barmer Theologischen Erklärung 1934 ihren Anspruch begründete, die legitime evangelische Kirche zu sein. Darüber, wie dieser Anspruch durchzusetzen sei, waren sich die verschiedenen Flügel der Bekennenden Kirche jedoch nicht einig. Für den radikaleren Flügel standen die Bruderräte, repräsentiert durch Martin Niemöller, die aufs Bewahren ausgerichteten Kräfte sammelten sich um den Lutherrat mit seinem Vorsitzenden, dem bayerischen Landesbischof Hans Meiser.

Den Vermittlungsversuchen des 1943 von Bischof Wurm ins Leben gerufenen „kirchlichen Einigungswerks“ blieb während der Kriegsjahre der Erfolg versagt. Doch unmittelbar nach Kriegsende gelang es, von hier aus die beiden unterschiedlichen Flügel zusammenzuführen. Das geschah in Treysa. Damit begann die EKD ihren Weg. Deshalb ist dies das richtige Datum, um sich an sechzig Jahre EKD zu erinnern.

Das Konzept, das in Treysa zum Zuge kam, hat der allzu früh verstorbene Joachim Mehlhausen 1998 in Eisenach, an historischer Stätte, beschrieben. Es war vor allem von zwei Leitideen bestimmt: Zum einen sollte eine handlungsfähige große Volkskirche erhalten bleiben, zum andern sollte diese Kirche einen sichtbaren Platz in der Öffentlichkeit einnehmen. Gewiss haben wir die veränderten Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen wir solche Ziele heute verfolgen. Aber es bleibt dabei, dass wir als Kirche die Botschaft von Gottes Gnade ausrichten wollen „an alles Volk“ (Barmen VI). Und es bleibt ebenso dabei, dass wir unseren Auftrag in aller Öffentlichkeit wahrnehmen.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass die Treysaer Kirchenkonferenz noch einen zweiten entscheidenden Beschluss fasste: Sie gründete das Kirchliche Hilfswerk, dem der spätere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmeier vorstand. Dieses Hilfswerk ging später im Diakonischen Werk der EKD auf. Von ihren Anfängen an war die EKD also eine diakonische Kirche. Es ist für uns auch heute Erbe und Auftrag, dass verfasste Kirche und organisierte Diakonie sich nicht voneinander lösen.

In der entscheidenden Debatte über die Zusammensetzung des zu konstituierenden Rates, kurz vor der dann einstimmig erfolgten Annahme stellte Theophil Wurm in Treysa 1945 fest: „Keine ideale Lösung. Aber es ist eine Lösung.“

Das mag auch eine gute Beschreibung dessen sein, was wir heute tun: „Keine ideale Lösung. Aber es ist eine Lösung.“ Es gibt diejenigen unter uns, die das „Verbindungsmodell“ gern noch weiter vorangetrieben hätten; es gibt die anderen, die befürchten, dass dadurch lutherische, reformierte oder unierte Profile abgeschliffen werden. Uns verbindet aber die Überzeugung, dass wir im Entscheidenden unser evangelisches Profil gemeinsam erkennbar machen können und erkennbar machen müssen. In den sechzig Jahren des gemeinsamen Wegs ist viel Gemeinsamkeit gewachsen. Theophil Wurm ging noch davon aus, dass die EKD eine „Konfliktgemeinschaft“ sein werde, in der grundsätzliche Auseinandersetzungen jederzeit wieder aufbrechen könnten. Die hat es in den vergangenen Jahrzehnten auch immer wieder gegeben. Aber heute sind wir davon überzeugt, dass wir eine Gemeinschaft von Kirchen bilden, die im gemeinsamen Zeugnis und im gemeinsamen Dienst miteinander verbunden sind. Wir wollen, dass das Evangelium näher zu den Menschen kommt und sie erreicht. Wir halten es für nötig, dass die Stimme der evangelischen Kirche im ökumenischen Miteinander der Kirchen wie in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit deutlich und klar zu vernehmen ist. Dafür stehen wir gemeinsam ein. Wir tun es in Dankbarkeit für den Weg der EKD in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten. Wir tun es aber vor allem in dem Blick nach vorn, der uns aufgetragen ist: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“ (Lukas 9,62).

BISCHOF HANS-CHRISTIAN KNUTH
LEITENDER BISCHOF DER VEREINIGTEN EVANGELISCH-LUTHERISCHEN KIRCHE DEUTSCHLANDS

„Liebe Schwestern und Brüder,

die heutige Vertragsunterzeichnung ist für die VELKD ein wichtiger Einschnitt. Sie ist das Ergebnis eines Prozesses, den ich für meine Person – und ich stehe damit nicht allein – auch als einen schmerzlichen erlebt habe. Ich habe den Vertrag im Auftrag der Kirchenleitung der VELKD und in unserer Erwartung unterzeichnet, dass damit eine trag- und zustimmungsfähige Basis für die weitere künftige engere Zusammenarbeit von VELKD und EKD erreicht ist.

Es liegt mir daran festzuhalten: Die VELKD wird weiterhin als eine Kirche auf der Basis des gemeinsamen Bekenntnisses ihre Aufgaben wahrnehmen. Sie hat weiterhin ihre verfassungsmäßige Ordnung und ihre Organe, Kirchenleitung, Bischofskonferenz und Generalsynode. Sie bleibt weiterhin in besonderer Weise der lutherischen Weltgemeinschaft verbunden, die alle kontextuellen und nationalen Unterschiede übergreift. Die VELKD wird nun auch mit der EKD näher verbunden, ohne dass die EKD ihren Charakter, Gemeinschaft lutherischer, reformierter und unierter Kirchen, also bekenntnisverschiedener Kirchen zu sein, verändert. Die Verbindung soll dazu führen, dass wir das lutherische Bekenntnis in den Entscheidungsprozessen der EKD zur Geltung bringen und in Freiheit das eigene Profil der VELKD weiterentwickeln können. Wir gehen mit dem Willen – und der Erwartung! – in die neu strukturierte Gemeinschaft, dass beide die Rechte und Aufgaben der jeweils anderen gegenseitig achten und annehmen.

Heute ist der Vertrag unterzeichnet. Die tatsächliche Zusammenarbeit wird es in der Zukunft erweisen, ob und wie es gelingt, den inneren Differenzierungsgewinn der Reformation in ein Gespräch mit fruchtbaren wechselseitigen Anregungen zu überführen. Es mag nicht unnötig sein, in einem Moment, in dem der Vertrag unterzeichnet wird, daran zu erinnern, dass Pflanzen und Düngen in unserer Hand, Wachstum und Gedeihen aber allein in Gottes Hand liegen.“

LANDESBISCHOF DR. ULRICH FISCHER
VORSITZENDER DER VOLLKONFERENZ DER UNION EVANGELISCHER KIRCHEN IN DER EKD

Unsere Evangelische Kirche

Wenn wir im Protestantismus nicht ohne Stolz gern von der ecclesia semper reformanda reden, dann ist damit auch gemeint, dass die Strukturen der Kirche immer wieder und ständig einer Überprüfung und Veränderung bedürfen. Strukturveränderungen sind keine Spielerei, kein l’art pour l’art, denn Strukturen haben eine dienende Funktion. Im Fall der Kirche sollen sie helfen, den Auftrag der Kirche, das Evangelium von Jesus Christus vor aller Welt in Wort und Tat zu bezeugen, möglichst wirkungsvoll wahrnehmen zu können. So gibt es eben Strukturen, welche die Auftragserfüllung der Kirche eher befördern, und solche, die sie eher behindern.

Mit dem heutigen Tag gehen wir einen wichtigen Schritt hin zu einer Strukturveränderung im deutschen Protestantismus. Mit der Vertragsunterzeichnung, deren Ziel die Integration das VELKD-Kirchenamtes und der UEK-Kanzlei in das Kirchenamt der EKD ist, wollen wir eine Struktur schaffen, die es der EKD und ihren Gliedkirchen besser ermöglicht, ihren Auftrag im 21. Jahrhundert wahrzunehmen. Die UEK und die in ihr zusammengeschlossenen unierten und reformierten Kirchen bringen in diese Strukturveränderung sehr Wichtiges ein: eine lange Geschichte von Kirchengemeinschaft bei klarer und zugleich unterschiedlicher Bekenntnisbindung. Viele der Kirchen in der UEK haben in einer nun fast schon 200jährigen Geschichte Erfahrungen damit machen können, wie bekenntnismäßige Differenzen der Reformationszeit in einer Kirche überwunden werden können, ohne bekenntnismäßige Bindungen aufzuheben oder zu relativieren. So haben Kirchen der UEK in der Gestaltung ihres Kircheseins seit langem schon gelebt, was durch die Leuenburger Konkordie in den 70er Jahren von vielen protestantischen Kirchen erklärt wurde: die vollständige Kirchengemeinschaft in der protestantischen Kirchenfamilie bei Respektierung der jeweiligen Bekenntnisbindung der einzelnen Kirche.

So kann es nicht wundern, dass die heutige Vertragsunterzeichnung von der UEK und ihren Gliedkirchen in besonderer Weise herbeigesehnt wurde und für uns ein Anlass zu großer Freude ist. Vielleicht und hoffentlich ist der heutige Akt ein Schritt auf dem Weg zu einer ganz anderen UEK im deutschen Protestantismus, ein Schritt hin zu einer Kirche, die als „Unsere Evangelische Kirche“ ihren Auftrag selbstbewusst und wirksam wahrnehmen kann.

Hannover, 31. August 2005

Für die Richtigkeit

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Hinweis:
Von diesen 23 Landeskirchen sind acht lutherische Landeskirchen in der VELKD organisiert, 13 unierte und reformierte Landeskirchen gehören zur UEK. Weitere Informationen über die konfessionellen Zusammenschlüsse der Landeskirchen und die EKD sowie über die bisherigen Stationen und Texte der Strukturdebatte in der evangelischen Kirche