„Wir sind Reben an demselben Weinstock“

Catholica-Beauftragter der VELKD würdigt Reformationsgedenken in Lund

Als „historisches“ Ereignis hat der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg), in einer ersten Reaktion den Gottesdienst zum gemeinsamen Reformationsgedenken gewürdigt, der am heutigen Reformationsfest im schwedischen Lund gefeiert wurde. Die ökumenische Andacht anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation wurde gemeinsam von Papst Franziskus sowie vom Präsidenten des Lutherischen Weltbundes (LWB) Bischof Dr. Munib A. Younan und LWB-Generalsekretär Dr. h.c. Martin Junge geleitet.

Landesbischof Manzkes Stellungnahme im Wortlaut: „Gerade ist der ökumenische Gottesdienst zum gemeinsamen Reformationsgedenken im Dom zu Lund zu Ende gegangen. Einen allerersten Eindruck möchte ich festhalten auf dem Weg nach Malmö, wo in der dortigen Arena Lutherischer Weltbund (LWB) und römisch-katholische Kirche in einem zweiten Teil der Feierlichkeiten ihre Verpflichtung für einen gemeinsamen Dienst in der Welt bekräftigen wollen.
Das Wort ‚historisch‘ wird manches Mal zu vorschnell verwendet, aber für den Gottesdienst von Lund trifft es in der Tat zu. Wer hätte vor 100, vor 50, ja selbst vor 20 Jahren davon zu träumen gewagt, dass im Jahr 2016 die römisch-katholische Kirche und der LWB gemeinsame Gastgeber für einen ökumenisch erarbeiteten Reformationsgottesdienst sein würden. Wer hätte sich vorstellen können, dass dieser dann auch noch vom Präsidenten und Generalsekretär des LWB sowie vom Papst gemeinsam geleitet werden würde. Doch am Reformationstag 2016 ist es möglich geworden: Gemeinsam haben wir heute der Reformation gedacht, für 50 Jahre gemeinsamen Dialog gedankt und in die Zukunft geblickt. Der Gottesdienst in Lund folgte dabei dem gottesdienstlichen Formular, das im Frühjahr dieses Jahres publizierte wurde und das ein sichtbarer Ausdruck und eine liturgische Umsetzung der theologischen Überlegungen des internationalen lutherisch/römisch-katholischen Dialogdokumentes ‚Vom Konflikt zur Gemeinschaft‘ ist.

Der intensive und vertrauensvolle lutherisch-katholische Dialog hat diesen Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft möglich gemacht. Besonders bedeutsam ist für mich dabei die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre im Jahr 1999. Papst Franziskus hat in seiner Predigt zu Johannes 15 diese Frucht des gemeinsamen Dialogs gewürdigt: ‚Mit dem Grundsatz 'Allein aus Gnade' werden wir daran erinnert, dass Gott immer die Initiative ergreift und jeder menschlichen Antwort zuvorkommt, und zugleich, dass er versucht, diese Antwort auszulösen. Daher bringt die Rechtfertigungslehre das Wesen des menschlichen Daseins vor Gott zum Ausdruck‘. Und General¬sekretär Junge hat in seiner Predigt den Blick noch weiter zurück gewandt und zu Recht all jenen ‚mutigen Prophetinnen und Propheten‘ unter unseren Glaubensvorfahren gedankt, die das Zusammenwachsen in Christus durch theologische Gespräche, gemeinschaftliches Leben oder gemeinsamen Dienst an den Menschen vorbereitet haben. Statt von den anderen als Reben zu sprechen, die keine Frucht bringen und deshalb vom Weinstock entfernt werden müssen, hatten sie erkannt: ‚Wir sind Reben an demselben Weinstock. Wir sind eins in der Taufe‘, so Martin Junge. Papst Franziskus fügte in seiner für mich stärksten Passage hinzu, dass es Jesus Christus selbst sei, der uns unterstützt und uns ermutigt, die Wege zu suchen, damit die Einheit eine immer sichtbarere Wirklichkeit wird.

Desweiteren werden mir von diesem Gottesdienst zwei starke Symbole in Erinnerung bleiben. Nachdem wir unseren Dank über die bereits erreichte Gemeinschaft, aber auch unsere Buße für die Schuld aneinander vor Gott gebracht hatten, waren wir zum Friedensgruß aufgerufen. Wir haben uns die Hände gereicht als Zeichen des Friedens und der Versöhnung. Eigentlich eine alltägliche Geste in vielen Gottesdiensten und doch war es heute etwas Besonderes, als lutherische und katholische Gottesdienstbesucher sich einander den Frieden Gottes zusprachen und Bischof Younan und Papst Franziskus sich in brüderlicher Verbundenheit in den Arm nahmen.

Zum anderen wurde zu jeder der fünf gemeinsamen Verpflichtungen eine Kerze im Altarraum der Kathedrale entzündet. Stand in der Predigt zunächst Christus als der Weinstock im Zentrum, war es nun Christus als das Licht der Welt, in dessen gottesdienstlicher Gegenwart Lutheraner und Katholiken sich verpflichtet haben, alles dafür zu tun, dass unsere Gemeinschaft weiter wachsen kann. Dies war für mich ein gelungener Bezug auf das Stichwort ‚Christusfest‘, das für uns in Deutschland eine so wichtige Deutungskategorie für das Jahr 2017 geworden ist.

Die Fürbitten endeten mit dem Gebetsruf: ‚Gott, Erhalter und Ernährer, führe uns an deinem eucharistischen Tisch zusammen, fördere unsere Gemeinschaft miteinander und untereinander – eine Gemeinschaft, die in deiner Liebe wurzelt‘. Der Gottesdienst in Lund ist nicht der richtige Rahmen, um in der Frage nach unserer eucharistischen Gemeinschaft neue Regelungen zu vereinbaren. Aber von Lund gehen sehnsuchtsvolle Gebetsbitten für die eucharistische Gemeinschaft aus. Ich bin gestärkt in meiner Hoffnung, dass wir in naher Zukunft in dieser so wichtigen Frage weiterkommen werden.

In dem Gemeinsamen Wort, das von Bischof Younan, und Papst Franziskus unterzeichnet wurde, heißt es dazu: „Viele Glieder unserer Gemeinschaften sehnen sich danach, die Eucharistie an dem einen Tisch zu empfangen als konkreten Ausdruck der sichtbaren Einheit. Wir anerkennen unsere pastorale Verantwortung, auf den spirituellen Durst und Hunger unserer Gläubigen, eins in Christus zu sein, einzugehen. Wir sehnen uns danach, dass diese Wunde am Leib Christi geheilt wird.“ (Eigenübersetzung).

Lund ermutigt mich zudem, dass Lutheraner und Katholiken die Möglichkeit einer Gemeinsamen Erklärung zu Kirche, Eucharistie und Amt weiter ausloten. Ich stimme dem Vorschlag von Kurt Kardinal Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrates, zu, nach der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre auf eine weitere derartige Gemeinsame Erklärung zuzugehen. Eine solche offizielle Erklärung ist eine sehr komplexe Aufgabe, die langjährige Vorarbeiten von vielen unterschiedlichen Akteuren erfordert. Ein wichtiger erster Schritt zur Umsetzung dieser Vision sind sicherlich sogenannte „in-via-Erklärungen“, in denen das im theologischen Dialog bereits erreichte gemeinsame Zeugnis des Glaubens für die nachkommenden Generationen festgehalten wird. Es sollten keine vorschnellen Erwartungen geweckt werden, aber wir sollten uns auf diesen Weg machen.

Päpstlicher Einheitsrat und LWB haben alle lutherischen und katholischen Kirchen weltweit eingeladen, Lund aufzugreifen und ebenfalls gemeinsam nach dem erarbeiteten Entwurf Gottesdienst zu feiern. Ich hoffe, dass auch in Deutschland viele Kirchen und Gemeinden dieser Idee nachkommen werden und auf der Grundlage von ‚Vom Konflikt zur Gemeinschaft‘ oder einem anderen der existierenden Entwürfe gemeinsam Gottesdienst im Reformationsjahr feiern werden. Ich freue mich darauf, dass die Generalsynode der VELKD und die Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirche dies bereits an diesem Freitag gemeinsam mit Bischof Gerhard Feige, dem Vorsitzenden der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, und Magdeburger Katholikinnen und Katholiken tun werden.“

Hannover, 31. Oktober 2016

Gundolf Holfert
stellv. Pressesprecher