„Bewusstsein für den Schatz soll wachsen“

EKD und Reformierter Bund begehen Festakt zum 500. Geburtstag Calvins

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Reformierte Bund haben in einem Festakt in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin dem 500. Geburtstags des Reformators Johannes Calvin (1509-1564) feierlich begangen. Vorträge hielten u.a. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier („Calvinismus und Europa“) und der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber.

Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Calvin als „Türöffner“ und „Mann des Übergangs.“ Spätere Generationen, so Steinmeier, „haben seine Impulse aufgenommen. Sie haben sie weiter entwickelt und so unsere Gesellschaft entscheidend geprägt“. Dies gelte ganz besonders auch für das „Verhältnis von Religion, Politik und Wirtschaft und die Bedeutung des Calvinismus für die Herausbildung der modernen Demokratie.“ So habe Calvin strikte Selbstdisziplin im Umgang mit dem Besitz gefordert. Für Calvin habe Besitz „eine soziale Verpflichtung“. Damit formuliere Calvin „einen Grundsatz, der heute Teil unserer Verfassungsordnung ist und gerade in diesen Tagen Konjunktur hat: ,Eigentum verpflichtet‘, so Steinmeier weiter.

Unter der Überschrift „Kirche der Reformation – Reform der Kirche“ setzte Bischof Wolfgang Huber in seinem Vortrag den Reformprozess in der EKD in Beziehung zum Wirken Johannes Calvins. Wie sich Calvin und die Reformatoren die Lage damals nicht hätten aussuchen können, so müsse sich die Kirche auch den gegenwärtigen Herausforderungen stellen: „Der Traditionsabbruch, durch den wir im Westen wie im Osten Europas wie unseres eigenen Landes hindurchgegangen sind, ruft nach einer kräftigen Gegenbewegung. Mit der Tatsache, dass viele Menschen sogar ihre Gottvergessenheit vergessen haben, können wir uns nicht abfinden – wenn anders wir mit der in diesem Jahr 75 Jahre alten Theologischen Erklärung von Barmen unsere Aufgabe darin sehen, die Botschaft von Gottes freier Gnade auszurichten an alles Volk.“

Der Ratsvorsitzende hob außerdem hervor, wie sehr das Gedenken an Johannes Calvin dazu helfen könne, die verschiedenen konfessionellen Prägungen des Protestantismus in ihrem Reichtum sichtbar zu machen und führte aus „Traditionen sind wie Brillen: Man soll nicht auf sie starren, sondern durch sie hindurchschauen. Nur so helfen sie dazu, mehr zu sehen als ohne sie. Über die Zeit, in der wir die reformatorischen Traditionen gegeneinander ausspielten, sind wir hinaus. Wir wollen vielmehr die Schätze entdecken, die sie bergen. In der Lutherdekade, die uns auf das Reformationsjubiläum 2017 hinführt, feiern wir ein Calvinjahr; ein Melanchthonjahr wird darauf folgen. Das zeigt: Auf die Verschränkung der Traditionen kommt es an; das Bewusstsein für den Schatz soll wachsen, der uns anvertraut ist. Für unseren Weg in die Zukunft wollen wir aus diesem Schatz Gewinn ziehen.“

Huber erinnerte auch an Calvins für die Moderne grundlegende Gotteserkenntnis, die er so zusammenfasste: „Keine Gotteserkenntnis ohne Selbsterkenntnis. Gott ist kein abstraktes philosophisches Prinzip, sondern er hat mit mir als Person zu tun. Wir können Gott nicht angemessen ohne die Beziehung zu uns denken.“

Hannover, 10. Juli 2009

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick