EKD-Ratsvorsitzender Kock würdigt Lebenswerk von D. Theophil Wurm

Gedenkgottesdienst zum 50. Todestag des Begründers der EKD in der Stuttgarter Markuskirche

In einem Gottesdienst zum Gedenken an den 50. Todestag von D. Theophil Wurm am 28. Januar hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, an das Lebenswerk des evangelischen Theologen erinnert. Ein Meilenstein in der Geschichte der evangelischen Kirche war 1945 die Gründung der EKD durch Theophil Wurm. In deren vorläufigem Rat war er der erste Vorsitzende.

"Theophil Wurm war eine der herausragenden Persönlichkeiten des deutschen Protestantismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", so Präses Kock. Beim Gedenken an den bedeutenden Mann der Kirche empfahl Kock die Nüchternheit, die der Glaube den Christen ermögliche und setzte Wurms Lebenswerk in den historischen Zusammenhang. "Große Leistungen werden nur dann angemessen gewürdigt, wenn Schatten und Irrtümer nicht unterschlagen werden."

1868 in Basel geboren, besuchte Wurm die Seminare in Maulbronn und Blaubeuren und studierte in Tübingen Theologie. Nach achtjährigem Vikariat trat er als Pfarrer in den Dienst der Inneren Mission und wurde 1901 Geschäftsführer der diakonischen Einrichtung "Evangelische Gesellschaft" in Stuttgart. 1900 heiratete er Marie Bruckmann und bekam mit ihr fünf Kinder. 1913 kehrte Wurm in den Dienst der Verfassten Kirche zurück und wurde zweiter Stadtpfarrer in Ravensburg. Nach der Novemberrevolution und dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments 1918 ging er für zwei Jahre als Abgeordneter für die deutsch-nationale Bürgerpartei in den württembergischen Landtag. Danach wurde er Dekan von Reutlingen, 1927 erfolgte die Ernennung zum Prälaten in Heilbronn, drei Jahre später wurde er zum Kirchenpräsidenten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gewählt.

Wurm habe ein konservatives Gesellschaftsideal gehabt, so Präses Kock. In pietistischer Tradition habe sich bei ihm der persönlicher Zugang zum Glauben verbunden mit einem "Wort- und Tatchristentum, das durch Volksmission und praktische Nächstenliebe in vielfältiger Weise Menschen dem Reich Gottes näher zu bringen suchte. Wurms Kirchenverständnis war wie das vieler seiner protestantischen Zeitgenossen eingebettet in ein Gewebe vaterländischer, antisäkularer und antimodernistischer Einstellungen." Wurms Predigten und Erklärungen vor und nach 1933 hätten sich auch immer wieder auf das Bild von der "Unvereinbarkeit des jüdischen mit dem christlich-deutschen Volkscharakter" berufen.

1933 habe er noch zur Mitarbeit in der Glaubensbewegung "Deutsche Christen" (DC) ermuntert. Als einer der wenigen Kirchenführer habe er sich für die Wahl des DC-Pfarrers Ludwig Müller zum Reichsbischof eingesetzt. Nachdem bekannt wurde, dass die Deutschen Christen die Verbreitung nationalsozialistischer Ideen in der Kirche als eigentliche Zielsetzung hatten, habe sich Wurm 1934 bei Hitler vergeblich für die Entlassung Müllers eingesetzt.

Im Mai 1934 war Wurm auf der ersten Bekenntnissynode von Barmen zum Mitglied des Reichsbruderrats, dem Leitungsgremium der "Bekennenden Kirche", gewählt worden. Als er sich der Eingliederung der württembergischen Landeskirche in die Reichskirche widersetzte, wurde er unter Hausarrest gestellt. Tausende von Gemeindemitgliedern versammelten sich vor seiner Wohnung und es kam zu den "wohl größten Demonstrationen dieser Art in der Geschichte des Dritten Reiches", so Präses Kock. Daraufhin wurden die provisorischen Kirchenregierungen in Württemberg und Bayern zurückgezogen.

"Mit Kriegsbeginn verschärfte sich der Blick Wurms gegenüber dem nationalsozialistischen Unrecht", so der Ratsvorsitzende. In einem Vortrag habe er 1940 erklärt: "Es hat keinen Sinn, sich zu verbergen, dass wir nicht bloß in einer totalen Säkularisierung, sondern in einer totalen Entchristianisierung des deutschen Volkes begriffen sind." Mit dem Ziel einer Erneuerung Deutschlands auf der Grundlage des Evangeliums hat Wurm 1941 das "Kirchliche Einigungswerk" gegründet, um das "kirchliche Leben als Voraussetzung für eine erhoffte Rechristianisierung Deutschlands zu vertiefen." Auf der ersten Kirchenkonferenz im August 1945 wurde er zum Vorsitzenden des vorläufigen Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt.

Hannover, 23. Januar 2003
Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

Kurzbiographie von Theophil Wurm