Kirche muss ihren Platz im Alltagsleben der Gesellschaft finden

Konferenz „Kirche und Identität“ in Belgrad geht zu Ende

Die Kirchen in Serbien sehen sich vor der Aufgabe wieder „die Inkarnation der Kirche in das Alltagsleben, so wie es der modernen Gesellschaft angemessen ist“ zu lernen. Dies erklärte Metropolit Amfilohije (Radovic) von Montenegro auf der gemeinsamen Tagung der Serbisch Orthodoxen Diözese für Mitteleuropa, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Die Tagung, die am 14. September in Belgrad begonnen hat, endet am heutigen 16. September. Thema der Tagung, die in Kooperation mit dem Christlichen Kulturzentrum in Belgrad und der Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführt wurde, war: „Kirche und Identität.

Zu der Tagung konnte der serbische Patriarch Pavle zahlreiche Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Gesellschaft begrüßen. Der Auslandsbischof der EKD, Rolf Koppe, verwies auf die wichtige Rolle der Serben in Deutschland als Brücke für das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und Völkern. Die Konferenz habe deutlich gemacht, so Stimmen deutscher Teilnehmer zum Ende der Tage in Belgrad, dass christliche Identität niemals ohne Einbeziehung „des Anderen“ denkbar sei.

Pavle stellte zu Beginn der Tagung fest, dass die Kirchen ihren Worten Taten folgen lassen und einen Beitrag zum Aufbau der Gesellschaft leisten müssten. Der serbische Religionsminister Vojislav Milovanovic betonte die Bedeutung der bisherigen vier Konferenzen. Er erinnerte an die Konferenz im Jahr 2001 zum Thema „Staat und Kirche“. Diese Konferenz habe zur Einführung des Religionsunterrichts in Serbien beigetragen.

Der deutsche Bundestagsabgeordnete Peter Weiß (CDU) erinnerte, dass zentrale Werte, die für die Demokratien in Europa grundlegend seien, tief in der christlichen Tradition verwurzelt seien. Dazu gehörten Menschenwürde und Freiheitsfähigkeit des Individuums sowie die allgemeinen Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Religionsfreiheit.

Metropolit Amfilohije (Radovic) von Montenegro, Mitglied des Heiligen Synod, und der katholische Professor Andrija Kopilovic stimmten in der Bewertung überein, dass sich die Kirche während der Zeit des Kommunismus in die Sakristei habe zurückziehen müssen. Nun sehe sie sich vor der Aufgabe, so Metropolit Amfilohije, wieder „die Inkarnation der Kirche in das Alltagsleben, so wie es der modernen Gesellschaft angemessen ist“ zu lernen. Umgekehrt müsse die Gesellschaft akzeptieren, dass sich die Kirche in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen wolle, ohne dadurch das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche zu verletzen. Professor Kopilovic begründete die dynamische Dimension der Beziehung zwischen Christen und der Gesellschaft, die ein wesentliches Merkmal christlicher Identität darstelle, aus der innergöttlichen trinitarischen Beziehung.

Professor Eckart Schwerin, Geschäftsführer der Evangelischen Schulstiftung, berichtete von seinen Erfahrungen aus den östlichen Bundesländern. In einem weitgehend entkirchlichten Umfeld wurden dort auf Initiative der Eltern hin zahlreiche Schulen in Trägerschaft der evangelischen Kirche gegründet. Er machte an diesem Beispiel deutlich, wie die Kirche in der Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Situation ihre Identität gewinnt. Der Vorsitzende und Begründer des Christlichen Kulturzentrums in Belgrad, Radovan Bigovic, unterstrich die Notwendigkeit der Trennung von Kirche und Staat. Er stellte die Frage, wie die Kirchen angesichts ihrer Spaltungen einen glaubwürdigen christlichen Beitrag zum europäischen Einigungsprozess leisten könnten.

Der baptistische Pastor und Professor, Milenko Andjelic, brachte zum Ausdruck, dass die Minderheitskirchen einerseits die Schätze und Traditionen der Mehrheitskirche für eine Nation achteten, andererseits aber erwarteten, dass die Freiheit des Glaubens und der Religionsausübung für alle Glaubensgemeinschaften im Land gelte und von gegenseitigem Respekt geprägt sein müsse.

Während der Tagung wurde die Charta Oecumenica erstmals in serbischer Sprache präsentiert. Sie könne den Kirchen in Europa dienen, eine Kultur des Dialogs zu entwickeln und die eigene Identität zu klären. Die Tagung schloss mit konkreten Beispielen aus der christlichen Friedens- und Versöhnungsarbeit wie dem Friedensgrund der Diözese Hildesheim, dem ökumenischen Schalomdiakonat und einem interkonfessionellen Projekt in Zagreb.

Hannover, 16. September 2003
Pressestelle der EKD
Christof Vetter