Der Rat der EKD erklärt zum Irak-Konflikt:

"Beim heutigen Sachstand lehnen wir Angriff auf den Irak ab"

"In großer Übereinstimmung mit den anderen christlichen Kirchen in Deutschland und in der Welt lehnen wir beim gegenwärtigen Sachstand aus ethischen wie aus völkerrechtlichen Gründen einen Angriff auf den Irak ab. Wir fordern, dass den Vereinten Nationen alle nach wie vor vorhandenen anderen Möglichkeiten belassen werden, das Ziel der Entwaffnung des Irak zu verwirklichen und damit der Sicherheit und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten zu dienen.

Wir verkennen dabei nicht, dass die Politik Saddam Husseins, vor allem sein - jedenfalls in der Vergangenheit unzweifelhaftes - Bestreben, sich in den Besitz atomarer, chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen zu bringen, und seine Weigerung, die Forderungen der Vereinten Nationen in ihrer Gesamtheit zu erfüllen, die Hauptwurzel des gegenwärtig sich zuspitzenden Konfliktes sind.

Evangelische Friedensethik lässt sich von dem Grundsatz leiten: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Jeder Krieg ist ein so großes Übel, dass der Einsatz militärischer Gewalt von der Politik nur im äußersten Notfall erwogen werden darf und auch dann noch unentrinnbar mit Schuld verbunden bleibt. Jeder Krieg bringt Elend über viele Unschuldige und erreicht oft nicht einmal die Ziele, um deretwillen er geführt wird.

Selbst nach den Regeln des Völkerrechts wäre ein Angriff auf den Irak derzeit nicht zu rechtfertigen. Die Charta der Vereinten Nationen verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, ihre Konflikte friedlich beizulegen. Auch die zwei eng definierten Ausnahmen von diesem umfassenden Gewaltverbot sind nicht gegeben – weder der Fall des Selbstverteidigungsrechts einzelner Staaten noch ein Beschluss der Vereinten Nationen, nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen militärisch vorzugehen. Erst recht kann ein Krieg allein zum Zwecke des Regimewechsels in einem anderen Staat nicht in Frage kommen, und schon gar nicht die willkürliche Ausweitung des nach dem Völkerrecht äußerst eng begrenzten Begriffes der Prävention.

Ein Angriff auf das Regime Saddam Husseins würde jetzt alle anderen Möglichkeiten der Vereinten Nationen zerschlagen, die Befolgung ihrer Resolutionen zum Irak durchzusetzen - sei es durch diplomatischen Druck, sei es durch die fortgesetzten Inspektionen, sei es durch die Androhung direkten Zwangs. Wer jedoch von der Androhung zur Ausübung militärischer Gewalt übergehen will, schuldet dem Weltsicherheitsrat und der Weltöffentlichkeit den Nachweis, dass sämtliche anderen Versuche, die Resolution der Vereinten Nationen durchzusetzen, endgültig versagt haben. Das Ziel der Sicherheit und Stabilität in der Region droht selbst dann durch einen Krieg außer Reichweite zu geraten.

Vor allem aber: Ziel aller Politik - auch im Irak-Konflikt - muss der gerechte Friede sein, nicht aber die Suche nach einem gerechten Krieg. Für diesen gerechten Frieden beten Christen weltweit."

Hannover / Tutzing, 24. Januar 2003
Pressestelle der EKD
Christof Vetter