„Das Evangelium erklingen lassen“

Grußwort des Ratsvorsitzenden zum Amtswechsel in der Lippischen Landeskirche

Mit Blick auf knapp zwei Jahrzehnte Leitungsverantwortung in der Lippischen Landeskirche hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, dem bisherigen Landessuperintendenten Gerrit Noltensmeier gedankt. Am Samstag, 24. September, wurde Noltensmeier in der Erlöserkirche in Detmold verabschiedet und sein Nachfolger Martin Dutzmann in sein Amt als Leitender Geistlicher eingeführt.

Noltensmeier Arbeit sei geprägt von der Nähe zu den Menschen und von der Bindung an das Evangelium, erklärte der Ratsvorsitzende, der die „unverwechselbare Formulierkunst“ des Theologen hervorhob. Mit seiner Liebe zu Kunst, Musik und Literatur habe Noltensmeier „in vielfältiger Weise neue und belebende Akzente gesetzt.“ Seine Vertrautheit mit den großen Zeugnissen überlieferter Kultur wie mit den kulturellen Sprachen der eigenen Gegenwart sei ein Schlüssel für die Verbindung von Glauben und Leben. „Es ist für unsere ganze Kirche wichtig, wenn Menschen diesen Schlüssel nicht nur beherzt in die Hand nehmen, sondern auch das Schloss finden, in das er gehört. Gerrit Noltensmeier ist ein solcher Mensch.“ Huber freue sich „ganz besonders auf die weitere Zusammenarbeit im Rat der EKD“. Gerrit Noltensmeier gehört seit 2003 dem Rat der EKD an, seit 2004 ist er Beauftragter des Rates für Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst.

Martin Dutzmann, der am 13. September von der Synode der Lippischen Landeskirche zum neuen Landessuperintendenten gewählt wurde, bringe aus seiner bisherigen Arbeit „einen reichen Schatz an Erfahrungen mit, der der Lippischen  Landeskirche von großem Nutzen sein wird“. Als Vorsitzender des Strukturausschusses der Evangelischen Kirche im Rheinland habe sich Dutzmann intensiv mit der Frage nach Leitbildern für die Kirche der Zukunft beschäftigt, „mit Umsicht, Sachkenntnis und Tatkraft haben Sie auch im kirchlichen Alltag neue Akzente gesetzt.“ Huber würdigte besonders das Eintreten des promovierten Theologen für eine gerechte und friedensfähige Gesellschaft. „Ich sage das bewusst auch in diesen Tagen, in denen die politische Debatte stärker durch Namen als durch Themen, stärker durch Farben als durch Inhalte geprägt ist. Wir als evangelische Kirche hoffen darauf, dass möglichst bald die großen Zukunftsaufgaben dieses Landes wieder zur Geltung kommen.“

Der Ratsvorsitzende nutzte die erste Einführung eines Leitenden Geistlichen seit der Vertragsunterzeichnung zwischen EKD, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der Union Evangelischer Kirchen (UEK) am 31. August, um auf die Vorteile eines engeren Zusammenrückens der konfessionellen Zusammenschlüsse hinzuweisen. Die Lippische Landeskirche zeige, „dass der differenzierte Reichtum der reformatorischen Tradition das gemeinsame Zeugnis der evangelischen Kirche weder behindert noch beeinträchtigt.“ Im Gegenteil gelte: „Wenn wir diesen Reichtum lebendig halten, dann wird vor allem eines zum Klingen kommen: das Evangelium selbst.“ Huber verglich das Evangelium in diesem Zusammenhang mit einer Symphonie. „Dass wir mit den unterschiedlichen Stimmen und Stimmfarben, die es innerhalb des Protestantismus gibt, in einem Raum hörbar werden und dass wir dieselbe Symphonie spielen, darauf kommt es an. Dem gilt unser Bemühen.“

Hannover, 23. September 2005
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Das Grußwort im Wortlaut.

Es gilt das gesprochene Wort!


Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Grußwort zur Verabschiedung von Landessuperintendent Dr. h.c. Gerrit Noltensmeier und zur Einführung von Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann

am 24. September 2005 in der Evangelisch-reformierten Erlöserkirche am Markt in Detmold


Verehrter Herr Landessuperintendent,
lieber Bruder Noltensmeier,

es sind nunmehr fast zwei Jahrzehnte Leitungsverantwortung in der Lippischen Landeskirche, auf die Sie heute zurückschauen können: zunächst als Präses der Landessynode und dann - seit nunmehr neun Jahren - als Landessuperintendent. Sie haben bei Ihrer Wahl 1996 formuliert: Die Volkskirche ist "eine Kirche, die weiß, dass sie das Wort allen schuldig ist, in Predigt und Gespräch, in Kliniken und auf Campingplätzen, missionierend und evangelisierend, in Medien im Nah- und Fernbereich vermittelt. Sie tut dies, indem sie mit Menschen lebt, sehr nahe ihrem Alltag, ihren Festen, Ihrem Zweifel, ihrem Glauben."

 Ihre Arbeit ist geprägt von der Nähe zu den Menschen und von der Bindung an das Evangelium, vom Ergriffensein durch Christus selbst. Mit unverwechselbarer Formulierungskunst – wie gerne denke ich an den Abschlussgottesdienst der vergangenen EKD-Synode und manch anderen Anlass zurück – verleihen Sie dem reformatorischen Glauben verbindlichen Ausdruck und besonderen Glanz.

Das Evangelium will den Menschen nahe kommen! Diese Grundorientierung haben Sie in die Leitungsverantwortung für Ihre Lippische Landeskirche eingebracht. Als Vorsitzender der Lippischen Bibelgesellschaft haben Sie sich für zahlreiche Aktionen wie Bibelpakete für Schulen und Kindergärten engagiert. Mit Ihrer Liebe zu Kunst, Musik und Literatur haben Sie in vielfältiger Weise neue und belebende Akzente gesetzt. Ich denke beispielsweise an Ihre Zusammenarbeit mit dem über die Region hinaus bekannten Lippischen Landestheater.

Wir entdecken in der evangelischen Kirche gerade das Verhältnis von Glauben und Kultur neu. Wenn ein reformierter Christ und Theologe sich daran beteiligt, dann braucht man keinen Rückfall in einen überholten Kulturprotestantismus zu befürchten. Sondern man kann etwas von der Freiheit des Glaubens atmen, die sich mit den großen Zeugnissen überlieferter Kultur genauso intensiv auseinandersetzt wie mit den kulturellen Sprachen der eigenen Gegenwart. Das brauchen wir heute; wir brauchen es verstärkt. Wer sich in solchen Sprachen auskennt und sie zu sprechen versteht, verabschiedet sich damit nicht von der Nähe zu den Menschen. Er hilft Ihnen aufzumerken, Vertrautes neu zu hören und Unvertrautem im eigenen Alltag Raum zu geben. Für die Verbindung von Glauben und Leben liegt darin ein Schlüssel. Es ist für unsere ganze Kirche wichtig, wenn Menschen diesen Schlüssel nicht nur beherzt in die Hand nehmen, sondern auch das Schloss finden, in das er gehört. Gerrit Noltensmeier ist ein solcher Mensch.

 Ich möchte Ihnen, lieber Bruder Noltensmeier, für alle Mitarbeit innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland herzlich danken. Sie waren haben in zahlreichen Aufgaben und Rollen mitgewirkt. Ich freue mich ganz besonders auf die weitere Zusammenarbeit im Rat der EKD.


 Das Beispiel zeigt: Ihr Ruhestand bedeutet nicht den Abschied von bisherigen Bezügen. Sondern es wird Wege geben, auf denen Sie Ihre Erfahrung und Ihre Kenntnisse einbringen werden. Ich wünsche Ihnen für den neuen Lebensabschnitt Geistesgegenwart und Gesundheit, die Nähe freundlicher Menschen und den Segen des gütigen Gottes.


Verehrter Herr Landessuperintendent,
lieber Bruder Dutzmann,

zu Ihrer neuen Aufgabe gratuliere ich Ihnen im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland und aller ihrer Gliedkirchen sehr herzlich. Dieser Gottesdienst möge lange in Ihnen nachklingen, damit Ihnen Gottes Geleit gerade in dieser Zeit des Übergangs und des Neuanfangs gewiss ist.

 Sie bringen aus Ihrer bisherigen Arbeit einen reichen Schatz an Erfahrungen mit, der der Lippischen Kirche von großem Nutzen sein wird. Aus der Leitung eines Kirchenkreises in einer unierten Kirche sind sie mit der lutherischen wie mit der reformierten Tradition vertraut; Sie haben sich als Vorsitzender des Strukturausschusses der Evangelischen Kirche im Rheinland intensiv mit der Frage nach Leitbildern für die Kirche der Zukunft beschäftigt; mit Umsicht, Sachkenntnis und Tatkraft haben Sie auch im kirchlichen Alltag neue Akzente gesetzt. Nun wird Ihr hohes Engagement der Lippischen Landeskirche zu Gute kommen, nicht zuletzt auch Ihr Eintreten für eine gerechte, partizipatorische und friedensfähige Gesellschaft, zu der die evangelische Kirche ihren unverwechselbaren Beitrag leisten will. Ich sage das bewusst auch in diesen Tagen, in denen die politische Debatte stärker durch Namen als durch Themen, stärker durch Farben als durch Inhalte geprägt ist. Wir als evangelische Kirche hoffen darauf, dass möglichst bald die großen Zukunftsaufgaben dieses Landes wieder zur Geltung kommen. Sie haben mit der Nachhaltigkeit unserer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ordnung zu tun; sie haben mit der Frage zu tun, wie im Wandel dieser Gesellschaft Gerechtigkeit gewahrt und gefördert werden kann. In den Herausforderungen der Gegenwart stellt sich das Thema des Wirtschafts- und Sozialworts der Kirchen wieder von neuem ein: „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“. Wir wollen als Kirche unseren Beitrag zu einer solchen Zukunft leisten.

Ihr Amtsvorgänger, lieber Bruder Dutzmann, möge Ihnen auch darin ein besonderes Vorbild sein, dass Sie auch in diesem Leitungsamt dem Lesen und dem Schreiben Raum lassen. Sie werden sich mit Ihrer Familie in ein neues Umfeld hineinfinden und mit diesem vertraut werden. Viele Menschen werden Sie dabei begleiten. Wir freuen uns in der großen Gemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland auf Ihr Mittun. Der Kreis der Leitenden Geistlichen und die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland freuen sich auf Sie.

 Dies ist die erste Einführung eines Leitenden Geistlichen, seit wir in der Evangelischen Kirche die Verträge unterzeichnet haben, mit denen wir ein engeres Zusammenrücken lutherischer, reformierter und unierter Kirchen in und mit der Evangelischen Kirche in Deutschland voranbringen wollen. Die Lippische Landeskirche bietet für ein solches Vorhaben ein gutes Modell. Mit ihrer lutherischen und ihrer reformierten Klasse zeichnet sie die Rollen vor, die lutherischen und unierten Konventen innerhalb der Organe der EKD zukommen können. Sie zeigt, dass der differenzierte Reichtum der reformatorischen Tradition das gemeinsame Zeugnis der evangelischen Kirche weder behindert noch beeinträchtigt. Im Gegenteil: Wenn wir diesen Reichtum lebendig halten, dann wird vor allem eines zum Klingen kommen: das Evangelium selbst. Man mag das Evangelium für diesen Augenblick einmal mit einer Symphonie vergleichen. Sie ist in ihren Themen und in ihren Sätzen, in ihrer Tonart und in ihren Tempi klar bestimmt. Die Polyphonie, in der sie erklingt, macht nichts davon unklarer, sondern lässt es nur umso deutlicher hören. Nur: wenn die verschiedenen Stimmen in verschiedenen Räumen spielen würden, dann wäre von der ganzen Symphonie nichts zu vernehmen. Die einzelnen Stimmen kämen über das Üben nie hinaus; die Symphonie würde verfehlt. Dass wir mit den unterschiedlichen Stimmen und Stimmfarben, die es innerhalb des Protestantismus gibt, in einem Raum hörbar werden und dass wir dieselbe Symphonie spielen, darauf kommt es an. Dem gilt unser Bemühen.