„Eine ökumenische Wohltat“

EKD reagiert auf das Gesprächsangebot des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz

An der Stelle des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, der sich mit einer Delegation des Rates der EKD in den USA aufhält, hat der stellvertretende Ratsvorsitzende, Landesbischof Christoph Kähler, auf das Eröffnungsreferat reagiert, das Kardinal Karl Lehmann gestern zu Beginn der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofs­konferenz gehalten hat. Er hat es als "ökumenische Wohltat" gewürdigt. Kardinal Lehmann habe das Selbstverständnis des Katholischen im Anschluss an die Texte des II. Vaticanum so ausgelegt, dass Raum bleibt für "eine ganz grundlegende Anerkennung der authentischen ekklesialen Realität" der nicht-katholischen Kirchen. Auf die konkreten Anregungen in dem gestrigen Referat hat der stellvertretende Ratsvorsitzende sehr positiv reagiert und eine rasche Prüfung in Aussicht gestellt.

Hannover, 25. September 2007

Pressestelle der EKD
Silke Römhild


Die Erklärung von Landesbischof Christoph Kähler im Wortlaut:

Das Referat zum "Selbstverständnis des Katholischen", das Kardinal Karl Lehmann gestern bei der Eröffnung der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz gehalten hat, ist eine ökumenische Wohltat. Es bleibt der römisch-katholischen Lehre von der Kirche treu, legt das Selbstverständnis des Katholischen im Anschluss an die Texte des II. Vaticanum aber so aus, dass Raum bleibt für "eine ganz grundlegende Anerkennung der authentischen ekklesialen Realität" der nicht-katholischen Kirchen. In einer Darlegung mit beindruckender wissenschaftlicher Tiefe hält Kardinal Lehmann die "Balancestellung" zwischen zwei Aussagen: Die "Kirche Jesu Christi ist in der katholischen Kirche als ... geschichtliche Wirklichkeit anzutreffen"; aber damit ist nicht "ein absolutes, exklusives Identitätsurteil ausgesprochen" (S. 11). Das Referat lässt das leidenschaftliche Bemühen spürbar werden, das neue Profil herauszuarbeiten, das die Dokumente des II. Vaticanum der katholischen Lehre von der Kirche gegeben haben. Es stellt sich damit zugleich den erkennbaren innerkatholischen Bestrebungen in den Weg, eben dieses Profil abzuschleifen und zurückzukehren zum "absoluten Anspruch" der römisch-katholischen Kirche "im Sinne einer puren Identifikation" mit der Kirche Jesu Christi. "Balance" ist das treffende Stichwort: nicht nur auf der Ebene der sachlichen Gewichtung, sondern genauso für die Person von Kardinal Lehmann.

Das evangelisch-katholische Gespräch - darauf macht das Referat zu Recht aufmerksam - "verdichtet" sich in der "Frage nach dem, was die Kirche zur Kirche macht" (S. 20). Dazu hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland 2001 in dem Text "Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis" seine Position knapp und klar dargelegt. Kennzeichen der wahren Kirche sind danach die rechte Verkündigung des Evangeliums und die evangeliumsgemäße Feier der Sakramente. Dazu ist von Gott das Predigtamt eingesetzt. Die Ausgestaltung dieses Amtes ist jedoch wandelbar.

Im übrigen bleiben auch im Blick auf die von Kardinal Lehmann präsentierte katholische Lehre von der Kirche aus der Sicht der reformatorischen Kirchen gewichtige kritische Fragen. Während den nicht-katholischen Kirchen bestenfalls "echte kirchliche Elemente" zugebilligt werden, so dass diese "irgendwie am Kirchesein teilhaben" (S. 7), wird von der katholischen Kirche ohne Einschränkung gesagt, in ihr existiere die Kirche Jesu Christi. Sind die Gründe, die - gerade auch in den Dokumenten des II. Vaticanum - für diese grundlegende Differenz geltend ge­macht werden, wirklich stichhaltig? Weder im Neuen Testament noch in den tatsächlichen kirchengeschichtlichen Abläufen lässt sich überzeugend dartun, dass die apostolische Sukzession als eine an Petrus anknüpfende historische Abfolge verstanden werden muss.

Kardinal Lehmann macht in seinem Referat zwei konkrete Vorschläge: Er knüpft an die Aus­sage des Ratsvorsitzenden an, wonach sich die evangelische Kirche sehe als "die katholische Kirche, die durch die Reformation hindurchgegangen ist". Daran schließen sich Fragen zum Verständnis der Reformation an, insbesondere wie sich die Elemente der Kontinuität und des Neuen zueinander verhalten. "Vielleicht" - so der erste Vorschlag - "bietet das Reformations­jubiläum von 2017 die Gelegenheit eines Ausgleichs und der Vertiefung." Vom Ratsvorsitzenden ist eine ähnliche Anregung gegeben worden. Mit seinem zweiten Vorschlag nimmt Kardinal Lehmann eine kürzlich von Harding Meyer gegebene Anregung auf: Es sei "an der Zeit, sich zu fragen, ob wir nicht eine Zwischenbilanz vornehmen müssen über das, was schon erreicht ist". Wir brauchten, solange wir noch auf dem Wege sind, "Vergewisserungen wachsender Glaubensgemeinschaft". Das berührt sich mit dem Gedanken, dass wir unseren Blick nicht nur auf das je besondere Profil, sondern zugleich und verstärkt auf das "gemeinsam Christliche" richten müssen. Beide Vorschläge finden in der evangeli­schen Kirche ein offenes Ohr. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland wird sie rasch und sorgfältig prüfen und das Gespräch mit der katholischen Seite suchen. Kardinal Lehmann hat ein glaubwürdiges Gesprächsangebot vorgelegt, das die Fragen an die evangelische Kirche und die gemeinsamen Aufgaben verbindet mit Anforderungen an die römisch-katholische Seite.