Die Verhältnismäßigkeit der Mittel wiedergewinnen

Auslandsbischof Koppe gegen Suizidmorde und präventive Hinrichtungen im Israel/Palästina-Konflikt

Mit großer Sorge sieht der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Rolf Koppe, wie in Israel die Gewaltanwendungen seitens islamischer Terroristen, wie auch seitens der israelischen Regierung, eskalieren. Der Raum für politische Lösungen werde dadurch immer geringer, befürchtet er. Bereits vor einem Jahr hatte Koppe jede Form von religiöser Legitimierung von Selbstmordattentaten durch islamische Autoritäten zurückgewiesen. Sie stellten ein großes Sicherheitsrisiko für Israel dar, dessen Regierung verpflichtet und berechtigt sei, seine Bürger vor diesem Risiko zu schützen.

Dem Gesandten der israelischen Botschaft in Berlin, Mordechai Levy, der der EKD kürzlich vorgeworfen hatte, sie lasse sich von palästinensischer Seite instrumentalisieren, hält Koppe entgegen, dass sich Israel durch die Ratifizierung des Vierten Genfer Abkommens zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte gebunden habe und deshalb bei der Auswahl der Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus nicht völlig frei sei.

Das Vierte Genfer Abkommen verbiete ohne Einschränkung jeden Angriff auf das Leben von Personen, die nicht unmittelbar an einem bewaffneten Konflikt teilnehmen. Präventive Hinrichtungen, denen an bewaffneten Aktionen nicht beteiligte Zivilpersonen zum Opfer fallen, widersprächen diesem fundamentalen Grundsatz. Auch die israelische Argumentation, die eine Anwendbarkeit des Vierten Genfer Abkommens ablehne, rechtfertige keine präventiven Hinrichtungen. Nach Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte sei die vorbeugende Anwendung von Gewalt allenfalls dann erlaubt, wenn sie zum Schutze menschlichen Lebens absolut unvermeidbar sei. Präventive Tötungen nach einer zuvor aufgestellten Liste würden den Erfordernissen einer Unmittelbarkeit der Gefahr und der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gerecht. Damit verletzen sie die Rechtsstaatlichkeit und stellten so die eigene Legitimität als Staat in Frage.

Die EKD im Verbund mit vielen anderen Kirchen, die regelmäßig Kontakte nach Israel und Palästina pflegen, sind darum bemüht, der Eskalation der Gewalt Einhalt zu gebieten und beide Seiten zu politisch tragbaren Kompromissen zu bewegen.

Hannover, 2. Oktober 2003

Pressestelle der EKD
Christof Vetter