Einseitige Kritik zurückgewiesen - Vertiefung der Diskussion zum Verhältnis Christen-Muslime erwünscht

Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, nimmt Stellung zu dem heute veröffentlichten Band "Evangelisch aus fundamentalem Grund"

Am heutigen Montag, 8. Oktober, ist in Frankfurt am Main der von Jürgen Micksch herausgegebene Band „Evangelisch aus fundamentalem Grund. Wie sich die EKD gegen den Islam profiliert“ der Öffentlichkeit präsentiert worden. In den Beiträgen der 15 Autoren wird scharf abgerechnet mit der im November 2006 publizierten Handreichung des Rates der EKD „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, weist in einer ersten Stellungnahme die in dem Band erhobenen pauschalen Vorwürfe zurück. Denn sie gehen im Wesentlichen an der Intention und den Aussagen der Handreichung der EKD vorbei. Sie bilden auch nicht das breite Spektrum der Diskussion ab, die durch diese Handreichung ausgelöst wurde, sondern vermitteln ein höchst einseitiges Bild. Demgegenüber begrüßt Huber es, wenn die Diskussion zum Verhältnis von Christen und Muslimen in Deutschland verbreitert und vertieft wird. Wer sich, wie der Rat der EKD es getan habe, mit einer profilierten Äußerung zu Wort melde, bejahe damit eine kritische Diskussion. Der Rat stelle sich der Kritik und werde auch die Beiträge des heute vorgelegten Bandes auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. Schon die ersten Leseeindrücke dieses Buches machten freilich deutlich, dass nicht so sehr argumentative Einwände gegen die Handreichung des Rates, sondern tiefgreifende Unterschiede im theologischen Urteil und in der Einschätzung der gesellschaftlichen und kulturellen Lage für diese Veröffentlichung ausschlaggebend seien.

Die Stellungnahme des Ratsvorsitzenden hat folgenden Wortlaut:

Im Vorwort zu dem heute vorgestellten Band „Evangelisch aus fundamentalem Grund. Wie sich die EKD gegen den Islam profiliert“ erklärt der Herausgeber, Jürgen Micksch, damit solle „zur Diskussion der EKD-Schrift beigetragen werden“. In diesem Sinne begrüße ich die neue Publikation. Sie kann dazu beitragen, dass die Diskussion zum Verhältnis von Christen und Muslimen in Deutschland verbreitert und vertieft wird. Wer sich, wie der Rat der EKD es getan hat, mit einer profilierten Äußerung zu Wort meldet, bejaht damit eine kritische Diskussion. Der Rat der EKD stellt sich der Kritik und wird auch die Beiträge des heute vorgelegten Bandes auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. Angesichts eines Gesamtumfangs von 335 Seiten ist es nicht realistisch und auch nicht angemessen, schon in einer ersten Stellungnahme in Einzelheiten zu gehen. Die ersten Leseeindrücke von den 15 kritischen Beiträgen lassen freilich bereits erkennen, dass nicht so sehr argumentative Einwände gegen die Handreichung des Rates, sondern tiefgreifende Unterschiede im theologischen  Urteil und in der Einschätzung der gesellschaftlichen und kulturellen Lage für diese Veröffentlichung ausschlaggebend sind. Dafür nenne ich einige Beispiele:

1. „Gemeinsamkeiten der abrahamischen Religionen Judentum, Christentum und Islam“ werden in der Handreichung nicht in der Weise thematisiert, wie die Autoren des neuen Sammelbandes sich das vorstellen. Der Grund dafür liegt darin, dass es theologisch nicht weiterhilft, einzelne Vorstellungen aus ihrem Gesamtzusammenhang herauszulösen und miteinander zu vergleichen. Jede Religion ist ein unteilbares Ineinander verschiedenster Elemente, ein „dichter Bildteppich“ (Theo Sundermeier).

2. Die Handreichung ist – anders, als in diesem Band behauptet wird – in der Frage des gemeinsamen Betens ganz klar. Christliches Gebet geschieht im Namen Jesu Christi. Das Plädoyer „für ein weitergefasstes Verständnis von Offenbarung“, um ein gemeinsames Beten „nicht als theologisch illegitim erscheinen“ zu lassen, führt in fundamentale Differenzen hinein.

3. Mission wird in diesem Band von vornherein als bedrängende oder unter Druck setzende „Missionierung“ verkannt. Der Ansatz der Handreichung, Mission als respektvolle Begegnung, werbendes Zeugnis von der eigenen Erkenntnis der Wahrheit und offen für den Dialog zu bestimmen, wird übergangen.

4. Wer am Geist und am Ton der Handreichung Anstoß nimmt, sollte sich zuvor dem sachlichen Gehalt ihrer Feststellungen und Fragen stellen. Es kann nicht hingenommen werden, dass vor der Behandlung der Sache in Beschwerden ausgewichen wird, die sich auf Empfindungen von Lesern berufen.

5. Die Idee, eine solche Handreichung gemeinsam mit Muslimen oder in Abstimmung mit ihnen zu verfassen, ist vom Rat der EKD bewusst nicht aufgegriffen worden. Ein solches Verfahren würde am ehesten dazu führen, dass kritische Anfragen in dem so vorbereiteten Text gar nicht vorkommen.

6. Die Behauptung, die EKD führe gar keinen Dialog mit den Muslimen, sondern „sie beobachtet und prüft sie im Gewande eines para-staatlichen Organs“, ist lediglich eine polemische Denunziation.

Wie diese Beispiele zeigen, gehen die in diesem Band zusammengestellten kritischen Beiträge im Wesentlichen an der Intention und den Aussagen der Handreichung der EKD vorbei. Sie bilden auch nicht das breite Spektrum der Diskussion ab, die durch diese Handreichung ausgelöst wurde, sondern vermitteln ein höchst einseitiges Bild. Durch eine ganze Reihe von Beiträgen zieht sich der Vorwurf, die EKD tue nichts oder jedenfalls zu wenig, einer sich ausbreitenden „Islamophobie“ entgegenzuwirken. Der Herausgeber beginnt das Vorwort mit einem Verweis auf „rassistische und islamfeindliche Briefe“. Es ist deutlicher Widerspruch nötig, wenn auf diese Weise suggeriert wird, die Handreichung sei mitverantwortlich für die Zunahme einer antiislamischen Stimmung. Auch die EKD bekommt „rassistische und islamfeindliche Briefe“. Gegen Lob von der falschen Seite kann man sich nicht verlässlich schützen. Was die EKD in ihrer Handreichung aber getan hat - und worauf die Schreiber derartiger Briefe regelmäßig hingewiesen werden -, ist dies, für gute Nachbarschaft zwischen Christen und Muslimen in Deutschland zu werben. Diese Seite der Handreichung wird in den kritischen Beiträgen des Bandes nicht gewürdigt. Dabei bietet sie - unbeschadet der bleibenden Differenzen in einigen grundsätzlichen Fragen - gerade in dieser Hinsicht eine breite Plattform für ein gemeinsames, konkretes Engagement.

Berlin / Hannover, 08. Oktober 2007

Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der EKD

Für die Richtigkeit:

Hannover / Berlin, 08. Oktober 2007

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

EKD-Text 86 „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“