Neujahrsbotschaften leitender Geistlicher

und die Neujahrsbotschaft des EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Manfred Kock

Zusammenstellung der in der Pressestelle der EKD eingegangenen Neujahrsbotschaften und Neujahrspredigten leitender Geistlicher verschiedener Landeskirchen

Ratsvorsitzender Präses Manfred Kock – Evangelische Kirche in Deutschland und Evangelische Kirche im Rheinland

Trotz der Bedrohungen des Weltfriedens und der davon ausgehenden Ängste vieler Menschen hofft der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Manfred Kock, auf Einsicht und Besonnenheit bei den politischen Entscheidungsträgern. Er vertraue fest darauf, dass Gott eine gute Absicht mit den Menschen verfolge. Es mache darum entgegen allem Augenschein Sinn, sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu engagieren.  „Wir müssen es lernen, unsere Gegner, selbst unsere Feinde, mit den Augen Gottes als Mitmenschen und nicht als Monster zu sehen, dann bleiben unsere Bemühungen um Frieden und soziale Gerechtigkeit auch im kommenden Jahr keine Illusion“, sagte Kock.

Angesichts der Serie brutaler Überfälle auf Kirchen in Pakistan und Indien appellierte der Ratsvorsitzende an die  Vertreter aller Religionen, die Friedenspotenziale in ihrer Glaubenstradition neu zu entdecken: „Wir müssen die Friedenskräfte aller Religionen stark machen, um die Waffen dieser Welt zum Schweigen zu bringen.“ Extremisten, die religiöse Überzeugungen missbrauchten, um ihre brutalen Übergriffe gegen andere zu rechtfertigen, müsse von ihren religiösen Autoritäten deutlich widersprochen werden.  Zum Gespräch zwischen den Religionen, das Gegensätze und Spannungen nicht ausklammern dürfe, gebe es keine Alternative. „Ich hoffe, dass die Regierenden stark genug sind, den trügerischen Verlockungen zu widerstehen, durch den Einsatz militärischer Gewalt etwas zum Positiven bewegen zu können.“

Zu Lage in Deutschland sagte Kock : „Ich wünsche mir mehr Mut zu Reformen. Dies kann nur funktionieren, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte sich aus der Erstarrung des Besitzstandsdenkens lösen und praktikablen Lösungen endlich grünes Licht geben.“ Dazu habe auch der Rat der EKD im zu Ende gehenden Jahr in mehreren Stellungnahmen aufgerufen. Das kommende Jahr biete die Chance, längst fällige Veränderungen im gesellschaftlichen Konsens auf den Weg zu bringen und die Systeme der Daseinsvorsorge endlich auf eine solide Grundlage zu stellen: „Das klare Bekenntnis zur sozialen Grundsicherung, wie es die evangelische Kirche schon immer fordert, entbindet nicht davon, persönlich Verantwortung zu übernehmen.“ Mehr Wettbewerb im Bereich der sozialen Dienste dürfe jedoch nicht auf Kosten der menschlichen Wärme gefordert werden. „Das Kriterium ‚satt und sauber‘ haben wir in der kirchlichen Diakonie aus guten Gründen als Versorgungsprinzip längst hinter uns gelassen. Menschliche Zuwendung muss neben dem medizinisch Notwendigen ein Qualitätsmerkmal jeder Pflegeleistung bleiben.“ betonte Kock.

Unter Anspielung auf das biblische Jahresmotto "Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an" (1. Sam. 16, 7) sagte Kock, der Mensch sei mehr als eine biologisch manipulierbare Masse. „Die von einer schrillen Sekte behauptete Geburt eines geklonten Menschen zeigt, welche Geister sich der Wissenschaft bedienen können. Die Warnungen der Kirchen davor sind jedenfalls nicht unbegründet gewesen.“ Das Jahr der Bibel, das Ende Januar eröffnet wird, gebe Gelegenheit, sich auf die Grundlagen des Menschenbildes unseres Kulturkreises zu besinnen, die Urkunde des Glaubens neu wahrzunehmen und in ökumenischer Verbundenheit den Gegenwartsbezug der Heiligen Schrift zu diskutieren. Kirchlicher Höhepunkt des neuen Jahres werde der Ökumenische Kirchentag Ende Mai in Berlin sein. Schon in der Vorbereitungsphase gingen von diesem Projekt positive Signale aus. „Ich halte es in unserer zerstrittenen Gesellschaft für einen großen Gewinn, wie Katholiken und Protestanten es schaffen, über historisch gewachsene, noch immer bestehende Unterschiede hinweg respektvoll, offen und herzlich miteinander zu diskutieren und nach einer Überwindungen der Trennung zu suchen.“ Kock verspreche sich vom Ökumenischen Kirchentag weitere wichtige Schritte hin zu einer versöhnten Verschiedenheit der Konfessionen.


Bischof Hans-Jürgen Abromeit, Pommersche Evangelische Kirche
Neujahrsbotschaft 2003

Das neue Jahr werfe seinen Schatten voraus, so Bischof Abromeit in seiner Neujahrsbotschaft. Der drohende Krieg gegen den Irak werde auch Deutschland berühren. "Der neue, weltweite Terrorismus wird nicht vor den Grenzen Deutschlands halt machen", warnt Abromeit. Ebenso lasse die wirtschaftliche Entwicklung nicht viel Gutes hoffen.

Die Jahreslosung für 2003 könne helfen, trotz aller persönlichen Sorgen und Nöte hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen: "Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an" (1. Sam. 16, 7). Das sei keine drohende Aussage über Gott als "pedantischem Kontrolleur". Gottes Blick auf die Welt und die Menschen sei liebevoll und kritisch zugleich: "Durch diesen Blick werde ich als Person ernst genommen." Wie Eltern ihre Kinder ansehen, so betrachte auch Gott die Menschen voller Gnade: "Gottes Blick ist gnädig, weil er uns nicht aufgibt, weil er uns nachläuft, uns sucht und nicht verloren gibt."

Sich Gottes Betrachtungsweise anzueignen, wäre ein guter Vorsatz für das neue Jahr: "Glauben: das heißt, die Welt mit Gottes Augen zu sehen", erklärt der Bischof. Darauf zu vertrauen, dass Gott die Welt gerettet hat, schütze vor Mutlosigkeit. "Ein Irak-Krieg, neue Terroranschläge und eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung hierzulande lassen uns nicht verzweifeln."

 
Landesbischof Volker Kreß - Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens
Presseerklärung, Dresden, 30. Dezember 2002

"Mit großer Sorge sehe ich zum Jahreswechsel den auf uns zukommenden internationalen politischen Entwicklungen entgegen. Mit weiten Teilen unserer Bevölkerung teile ich das Unbehagen an der zunehmend unverhohlenen Diskussion über einen möglichen Krieg gegen den Irak. Das Ineinander von behaupteten militärischen Notwendigkeiten und verdeckten wirtschaftlichen Interessen legt insbesondere dem Weltsicherheitsrat der UNO ein hohes Maß am nüchterner Entscheidungsverantwortung auf. Von der Regierung der Bundesrepublik erwarte ich, dass sie in der Irak-Frage bei den Grundpositionen bleibt, mit denen sie für Wählerstimmen geworben hat. Die Glaubwürdigkeit politischer Grundaussagen ist ein unaufgebbarer Wert für das Vertrauen in die Demokratie."


Landesbischof Ulrich Fischer – Evangelische Landeskirche in Baden
Neujahrsbotschaft 2003, Sperrfrist: 31.12.02

Das kommende Jahr steht im Zeichen der Ökumene: Gemeinsam verantworten die beiden großen Kirchen das “Jahr der Bibel 2003”, in Berlin wird der Ökumenische Kirchentag gefeiert werden. Das biblische Losungswort für das Jahr 2003 stammt aus dem 1. Samuelbuch im Alten Testament: “Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.” Für den Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden ist das die Erinnerung, das biblische Menschenbild im gesellschaftlichen Leben einzubringen. Anbei übermitteln wir Ihnen das Wort von Landesbischof Dr. Ulrich Fischer zum Neuen Jahr 2003 im Wortlaut:

“Dieses Bibelwort, das uns als Losung für das Neue Jahr 2003 gegeben ist, spricht von Bildern, die wir uns von anderen Menschen machen. Es ist eine Warnung, der Vordergründigkeit menschlicher Wahrnehmung zu trauen, und eine Aufforderung, den Menschen in seiner Hintergründigkeit ernst zu nehmen. Insofern ruft uns dieses Losungswort das biblische Menschenbild in Erinnerung: Der Mensch ist mehr, als er aus sich macht. Er ist zu aller erst Gottes Geschöpf, dessen Abgründe allein Gott kennt. Dieses biblische Menschenbild gilt es im kommenden Jahr 2003 einzubringen in die Bildungsdebatten unserer Gesellschaft ebenso wie in die Diskussionen über Grenzen und Chancen der Gentechnologie oder in die drängenden friedensethischen Auseinandersetzungen. Dieses Wort bewahrt uns vor grenzenlosem Vertrauen in die Machbarkeit des Lebens, und es macht uns sensibel für die Brüchigkeit menschlichen Lebens. Dieses Losungswort ermutigt zu einem gesunden Realismus angesichts der anstehenden Herausforderungen des neuen Jahres.”


Bischof Martin Hein – Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
Neujahrspredigt in der Kasseler Martinskirche, 01.01.03, 10.00 Uhr

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Martin Hein, beklagt in seiner Neujahrspredigt einen allgemeinen gesellschaftlichen Trend zur Äußerlichkeit; demgegenüber ruft Hein zu einem offenen ehrlichen Verhältnis zu Gott und sich selbst auf. Der Bischof  bezieht sich dabei auf die Jahreslosung für das Jahr 2003 aus dem alttestamentlichen 1. Samuelbuch: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“

Im Gottesdienst in der Kasseler Martinskirche konstatiert Hein:  „Wir erleben in unserer Gesellschaft seit langem einen Trend zur Äußerlichkeit: Alles wird Show.“ So entscheide etwa bei Kindern und Jugendliche die gerade angesagte Markenkleidung darüber, welche Achtung sie untereinander erführen. Darin spiegelten sich nur die Maßstäbe wider, welche die Erwachsenenwelt bestimmten: „Wir leben überwiegend nach der Devise, dass die Fassade entscheidet“, so Hein. Viele stürzten sich deshalb in einen Konsumrausch, andere huldigten bis ins hohe Alter einem Jugendlichkeitswahn. Auch Christen könnten sich oft nicht davon freimachen,; denn das eigene Selbstwertgefühl werde von der Wahrnehmung durch andere geprägt. Deshalb würden im Zweifelsfall Fassaden aufgebaut. Zugleich wachse die Angst, sich hinter diese Fassade blicken zu lassen: „Was in meinem Inneren wirklich vorgeht, soll niemanden etwas angehen – am liebsten auch Gott nicht,“ erklärt der Bischof

Die biblische Vorstellung, dass Gott hinter die Fassaden ins menschliche Herz schaue, könne deshalb zunächst erschrecken. Tatsächlich würden aber so die Fesseln des bloßen Scheins gesprengt, erklärt Hein: „Weil Gott uns längst schon erkannt hat, brauchen wir ihm nichts vorzumachen, können wir ihm gegenüber zulassen, so zu sein, wie uns wirklich zumute ist – und damit endlich zu uns selbst kommen. Gott bejaht unser Leben in seiner Begrenztheit und seiner Unansehnlichkeit und zeigt uns, worauf es letztlich ankommt: auf die Beziehung zu ihm, dem Grund des Lebens.“ Dies führe zu einem ehrlichen Verhältnis zu sich selbst gegenüber und mache auch im Umgang mit den Mitmenschen gelassener und unverkrampfter: „Wir werden frei von der Zwanghaftigkeit, etwas darstellen zu müssen, um beachtet, anerkannt und geliebt zu werden“, stellt der Bischof fest. 


Bischof Johannes Friedrich – Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
Neujahrspredigt in der St. Matthäus-Kirche, München, Sperrfrist: 01.01.03, 10.00 Uhr

Die Jahreslosung für 2003 spreche vielen Menschen aus dem Herzen, so der bayerische Landesbischof Friedrich in seiner Predigt zum Neujahrstag. "Wir sehnen uns nach einem, der unser Maskenspiel durchschaut und den harten Panzer, den wir uns im Alltag oft zulegen, mit weichen Blicken durchbohrt." Häufig seien die Menschen selbst bemüht, sich nicht in die Karten sehen zu lassen: sei es die Frau, die ihre zerbrechende Ehe hinter einer tadellosen Fassade versteckt, sei es der Geschäftsmann, der trotz Wirtschaftskrise den starken Siegertypen mimt. "Was sie alle hindert, den Blick auf ihr Herz frei zu geben, ist die Angst, verletzt zu werden", sagt Friedrich.

"Der Herr aber sieht das Herz an," so der zweite Teil der Jahreslosung. Die Menschen vergäßen zu leicht, dass "einer unser Herz immer liebt", erinnert der Bischof. "Gott sieht unser Herz wohlwollend an. Das kann uns stark machen, auch anderen einen Blick in unser Innerstes zu gewähren."

Auch die Last eigenen Versagens könne in diesem Vertrauen vor Gott gebracht werden. Friedrich verweist auf die wechselvolle Lebensgeschichte von König David. Vom unscheinbaren Hirtenjungen zu Königswürden aufgestiegen, lässt er sich schließlich von seiner Macht verführen und begeht sogar einen Mord - gerade er, auf den sich die Bibelstelle der Jahreslosung ursprünglich bezogen hatte. David erlebt Gottes Vergebung. "Das ist die gute Nachricht", so Bischof Friedrich: Gott ermögliche neue Anfänge. "Und vielleicht ist es für Sie ja heute, an diesem ersten Tag des Jahres 2003, an der Zeit, einen neuen Anfang zu machen."


Bischöfin Maria Jepsen – Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche
Neujahrspredigt in der St. Michaelis-Kirche, Hamburg, Sperrfrist: 01.01.03, 18.00 Uhr

2003 wird kein einfaches Jahr, warnt Bischöfin Jepsen in ihrer Neujahrspredigt. Meinungsforscher konstatierten eine deprimierte und pessimistische Grundhaltung in der Bevölkerung. Allerdings habe sie selbst in Gesprächen und Begegnungen festgestellt, dass Schwarz-Weiß-Malerei nicht die ganze Wahrheit zeige. "Wir sind flexibel. Wir sind Menschen auf einem langen Weg durch das Jahr, durch das Leben." So gebe es neben Ellbogenmentalität und Individualisierung Zeichen großer Hilfsbereitschaft und eine verstärkte religiöse Sinnsuche.

Mit Blick auf die vergangenen Feiertage hebt die Bischöfin hervor: "Weihnachten hört nicht einfach auf." Gerade im Jahr der Bibel, zu dem das Jahr 2003 im deutschsprachigen Raum von allen Kirchen erklärt wurde, seien die Menschen ermutigt und aufgefordert, "zu erzählen, wie wir uns von Gott und Christus haben berühren lassen, von Glaube, Liebe und Hoffnung."

Besonderes Augenmerk legt Bischöfin Jepsen dabei auf den Stern von Bethlehem. Diesem gelte es zu folgen, "und nicht den vielen anderen Sternen auf Flaggen und Schulterklappen, die den Frieden zu brechen bereit sind, die nur Macht und wirtschaftlichen Erfolg wollen für sich und nichts anderes."

Das neue Jahr sei schon heute von Krieg bedroht. "Gebe Gott, dass Frieden werde, Friede bleibe, ein innerer Friede bei uns, ein äußerer Friede weltweit, auch im Nahen Osten, in Afrika und Asien, und vor allem im Irak."

Hannover, den 30. Dezember 2002
Pressestelle der EKD
Zusammenstellung: Silke Fauzi