Stärke des Rechts statt Recht des Stärkeren

Präses Nikolaus Schneider spricht beim ökumenischen Jahresempfang in Brüssel

Vor Abgeordneten des Europäischen Parlaments und weiteren Gästen aus den EU-Institutionen kommentierte Präses Nikolaus Schneider von der Evangelischen Kirche im Rheinland am 16. Oktober in Brüssel die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Lichte christlicher Friedensethik.

Dabei entwickelte er aus biblischer Perspektive die verschiedenen Facetten des Kontinents Europas. Für Schneider sind das: Gastfreundschaft, Offenheit für Glauben und Religion, Friedensfähigkeit, Mobilität und Integrationsfähigkeit sowie Hilfsbereitschaft.

Die Europäische Union (EU) habe die Aufgabe, zur Wahrung, Förderung und Erneuerung des Friedens beizutragen, so Schneider. Die EKD werde den Prozess des friedlichen Zusammenwachsens des europäischen Kontinents auf jede ihr mögliche Weise fördern und sich für eine multilaterale, auf dem Völkerrecht basierende Weltordnung einsetzen. "Das Recht des Stärkeren muss durch die Stärke des Rechts ersetzt werden", betonte der Präses. Die Pax globala könne jedoch nur dann als von Europa ausgehender realer Frieden gedacht werden, wenn neben eines Engagements durch Politik und Recht auch soziale, zivilgesellschaftliche und kulturelle Akzente gesetzt würden.

Schneider kritisierte, dass die EU noch nicht alle Möglichkeiten der zivilen Konfliktvorsorge und –bearbeitung ausgeschöpft hätte. Aufgrund der Komplexität heutiger Konfliktlagen sei ein "mainstreaming" der zivilen Mechanismen der Konfliktbewältigung auf allen einschlägigen Politikfeldern sinnvoll. Um die Instrumentalisierung ziviler Hilfsangebote durch militärische Einsätze zu verhindern, solle eine größtmögliche Unabhängigkeit ziviler von militärischen Mitteln sichergestellt werden.

Um das in der EU vorhandene Potential zur zivilen Konfliktlösung effizienter nutzen zu können, schlug der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland in Brüssel die Gründung eines europäischen Friedensforschungsinstituts vor. Diese könne im Verbund mit nationalen Instituten der Konflikt-, Präventions- und Friedensforschung die zivile Konfliktbearbeitung koordinieren, fördern und sichtbarer machen.

Der Vortrag und die anschließende Diskussion fanden im Rahmen des traditionellen gemeinsamen Jahresempfangs in Brüssel statt, zu dem der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, und der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Stephan Reimers, eingeladen hatten.

Hannover / Brüssel, 16. Oktober 2006

Pressestelle der EKD
Christof Vetter/ Katrin Hatzinger

Der Vortrag von Präses Schneider beim ökumenischen Empfang "Europa als Wegweiser für den globalen Frieden ? - Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Licht christlicher Friedensethik"