Hermann Barth: „Ökumene des wechselseitigen Respekts“

Verschiedene Konfessionen brauchen einander

„Die verschiedenen christlichen Kirchen brauchen einander, weil sie sich gegenseitig ergänzen, korrigieren und bereichern.“ Dies hat der Vizepräsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Leiter der Hauptabteilung Theologie, Hermann Barth, bei einem Vortrag in Münster erklärt. Auf Einladung der Katholisch-Theologischen und der Evangelisch-Theologischen Fakultäten der dortigen Universität sprach der Theologe am Dienstag, 31. Januar 2006, zum Thema: „Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit – über das unterschiedliche Verständnis einer gemeinsamen Formel“. Barth spürte in diesem Vortrag der Frage nach, wie die katholische und die evangelische Kirche die ökumenische Formel unterschiedlich interpretieren. Hermann Barth wünscht, dass auf den verschiedensten Feldern kirchlichen Handelns sich eine „Ökumene des wechselseitigen Respekts“ zeige.

Die Einheit der Kirche in Jesus Christus sei längst vorhanden, sie müsse nicht erst hergestellt, sondern nur bewahrt und bezeugt werden, erläutert der promovierte Theologe im Blick auf neutestamentliche Aussagen und das reformatorische Bekenntnis „Confessio Augustana“ (Augsburger Bekenntnis) von 1530. Dabei hätten allerdings die reformatorische und die römisch-katholische Auffassung von der Einheit der Kirche ein klar unterschiedenes Profil. Die reformatorische Sicht konzentriere „die Anforderungen für die kirchliche Einheit auf einige wenige, elementare Sachverhalte“, die römisch-katholische Sicht sei bestrebt, „der Einheit eine klare institutionelle und lehrmäßige Bestimmtheit zu geben“. Dabei sei auch ausschlaggebend, welches Verhältnis die Konfessionen zum Pluralismus und zur Vielfalt haben, führt der zukünftige Präsident des Kirchenamts der EKD aus und definiert für die evangelische Seite: „“Weil die evangelische Kirche keine Verfügung menschlicher Ämter und Strukturen über die Feststellung der Wahrheit kennt, hat sie ein positives Verhältnis zum Pluralismus.“ Dabei sei der Pluralismus, der in eingeschränktem Sinn Markenzeichen des Protestantismus genannt werde, nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen „und kein Ziel in sich“. Es müsse an der Heiligen Schrift, an den Bekenntnissen und an der Überlieferung des Glaubens jeweils geprüft werden, ob in jedem einzelnen Fall nicht Einmütigkeit geboten und auch erreichbar sei, so Hermann Barth. Eine Ökumene, die eine wirkliche Einheit in der Vielfalt bilde und in der man sich über die Stärken des anderen freue, habe gute Aussichten, eine produktive Lerngemeinschaft zu bilden, weiß Hermann Barth. So werde die Ökumene zur Gemeinschaft, die sich im Austausch der jeweiligen Stärken und Gaben wechselseitig bereichere.

Hannover, 31. Januar 2006

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Der Vortrag "Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit - Über das unterschiedliche Verständnis einer gemeinsamen Formel" im Wortlaut